Handwerk mag zurzeit besonders glänzenden goldenen Boden haben – was aber, wenn der Nachwuchs ausbleibt oder alle unbedingt studieren gehen müssen? Auf die Idee, Spengler, Klempner oder Flaschner zu werden, kommt kaum einer von alleine. Fast alle meiner Meisterschüler (ich bin Fachlehrer an der RMS-Klempnermeisterschule Stuttgart) sind von Beruf erst mal Sohn (und bei Frauen zu 100 % Tochter). Es braucht also die vorgelebte, wohl schraubende „Väterlichkeit“, „Handwerklichkeit“, „Bastlerfreude“ – egal, ob feminin oder maskulin … Vorleben nennt man so etwas, damit andere es nachleben können.
Nun sagt schon Mark Twain in „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ – er muss wohl schon 1876 die Anfänge des Automobils mitbekommen haben: „Ein guter Vater muss seinen Kindern zwei Sachen gebaut haben – ein Baumhaus und eine Seifenkiste ... und ... er sollte seine Kinder das Beten gelehrt haben!“ Trotz seiner sehr heftigen (und berechtigten) Kritik an der lustig seltsamen Frömmigkeit der Tante Polly schloss er die Frömmigkeit durchaus als Erziehungsmittel mit ein.
Man bedenke: Bertha Benz fuhr 1888 ihre legendäre 107-km-Fahrt von Mannheim nach Pforzheim ohne das Wissen ihres frustrierten Mannes Carl. Der hatte zuvor nämlich eine heftige Abfuhr von Kaiser Wilhelm bekommen. Kaiser Wilhelm war nämlich noch 1886 der Ansicht: „Ich halte das Automobil für eine vorübergehende Erscheinung. Die Zukunft gehört dem Pferd.“ Zu sehen ist dieser Teil der Automobilgeschichte übrigens im Daimlermuseum Stuttgart. Eine Meinungsänderung zugunsten der automobilen Zukunft müsste irgendwann um 1907 stattgefunden haben. In diesem Jahr fand das berühmte Taunusautorennen statt, das aber Adam Opel gewann! Und der wiederum förderte die Seifenkistenrennen derart, dass bereits in den ersten zehn Jahren stolze Zahlen gemeldet werden konnten. 60 000 Jungen (und wenige Mädchen) hatten in Deutschland Seifenkisten gebaut und gefahren. Beteiligt waren 214 Städte. Es gab Rennen mit 360 gemeldeten Fahrern - also deutlich mehr als unsere 50 Kisten auf dem Fathers-Camp 2022.
Auf die Plätze ...
Ende Juni 2022 machten sich insgesamt 50 Väter zusammen mit mir, Hans-Peter Rösch und zwei hilfsbereiten Meisterschülern frisch ans Werk. Gemeinsam bauten wir 50 Seifenkisten mit Aluminiumgehäuse und trafen uns ganz wie Tom Sawyer auch am Sonntag zu einem Gottesdienst. Bevatern ist eine wichtige Aufgabe des Mannes – das haben wir wieder zur Kenntnis zu nehmen! Und Männer verstehen das anders als Frauen. Befragt man Männer, was ihr Vater eigentlich mal mit ihnen hätte tun müssen, so hört man nicht etwa „Computer spielen“ oder „Hausaufgaben machen“. Vielmehr fallen dann Stichworte wie „ein Baumhaus bauen“, „eine Seifenkiste zusammenschustern“, „mal was Wildes unternehmen im Wald“. Die moderne Väterforschung sagt: Väter zeigen Liebe weniger durch Worte als durch „verrückte“ Taten. Unsere Kinder geben uns ja die Gelegenheit, die Eltern zu werden, die wir immer haben wollten. Deine Vorfahren kannst du dir nicht aussuchen, aber wie deine Nachkommen sind, bestimmst du schließlich mit. Und ob sie einmal Klempner werden, hängt auch davon ab, ob mit ihnen mal „geklempnert“ wurde.
Modellpalette
In diesem Beitrag stelle ich einige sehenswerte Prefa-Modelle vor. Klar – es gab auch einige wenige reine Holzmodelle, weil Blech dem einen oder anderen Hobbyschrauber suspekt war. Andere wiederum lobten durchaus die hervorragende Eignung von Prefa-Aluminium zum Bau von Seifenkisten. Das Grundmodell war ausgereift mit starrer gefederter Hinterachse, Kardanlenkung vorne, Luftbereifung und gesponsertem Prefa-Metallgehäuse. Dennoch kostete das Restmaterial wegen der steigenden Materialpreise 100 Euro. Der Satz „Ein Vater ist ein Mann, bei dem Fotos in der Brieftasche stecken, wo früher mal Geldscheine waren“ muss ja nicht zwingend Wirklichkeit werden. Ein Teilnehmer stöhnte, das war der anstrengendste Tag des Jahres – er war wohl einer der anwesenden Bürohengste. Wahrscheinlich wendet er sonst nur Zettel auf seinem überquellenden Schreibtisch. Keine Tätigkeit, die Kinder unbedingt begeistern würde. Zwei besonders talentierte Schrauber-Väter trauten sich sogar an eine Motorisierung wie einst Gottlieb Daimler und Carl Benz. Sie fanden dazu einen 80-ccm-Motor mit 2,6 PS im Internet und bauten ihn erfolgreich ein. Manche Väter schraubten sogar noch bei Nacht mit Taschenlampe, anstatt bei ihren Kindern zu sitzen und auszuruhen. Andere hatten ein besseres Zeitmanagement und betrieben quasi nebenbei noch „Pimp my Car“. Dabei bauten sie Spoiler, Auspuff oder schicke Kotflügel an.
Erfolgreiche Veranstaltung
Es gibt drei Arten, etwas zu erledigen: Tu es selbst, bezahle jemanden oder verbiete es deinen Kindern. Unsere Väter gehörten eher zur ersten Kategorie, was sich auch auf der Wald-Rennstrecke zeigte. Dort wurde unablässig an den Seifenkisten optimiert, gefettet, die Lenkung manipuliert und Bremsen an- oder abgebaut. Dann wurden die Räder auf 4 bar aufgepumpt bei zulässigen 1,7 bar. Wer bremst, verliert, heißt es. Dennoch entwickelten die vorsichtigen väterlichen Ingenieure tolle patentwürdige Bremssysteme, wobei einige die Fahrzeuge erwartungsgemäß eher unsanft zum Stehen im und knapp neben dem Straßengraben brachten.
Ich stelle fest:
Zur Erziehung von Jungs zu echten Männern und Mädchen zu starken Frauen bedarf es ab und zu eines „ganzen Dorfes“ voller anwesender Männer. Das haben wir im Rahmen des Fathers-Camp 2022 wahrgemacht.
Männer erziehen eher im Rudel, sagt die Initiationsforschung und so wird bei Männern auch geschraubt und gelacht. Übrigens waren die jungen Nachwuchs-Erwachsenen so ausgeglichen wie selten sonst. Nicht umsonst heißt es, Kinder sind wie Uhren – man muss sie laufen lassen und ab und zu etwas korrigieren. Und Mütter? Die sehen das natürlich viel kritischer und machen sozialverträgliche Menschen aus unseren Kindern. Dennoch komme ich zu folgendem Ergebnis: Die Worte und Taten eines Vaters sind wie ein Thermostat. Sie bestimmen die Temperatur im Haus und in der Werkstatt ebenso. Mein Tipp: Baue mal was mit deinen Kindern oder mit den Kindern aus der Nachbarschaft – vielleicht werden sie dann ja Klempner von Beruf.
Video zum Beitrag als Aftermovie bei YouTube