Orgelpfeifen aus Zink klingen nicht gut und sind darüber hinaus schwer zu bearbeiten? Dieses Urteil widerlegt die Studie „Zink im Orgelpfeifenbau. Akustische und schwingungstechnische Untersuchungen des Materialeinflusses auf den Klang der aus Orgelmetall (Zinn-Blei-Legierung) und Zink angefertigten Orgelpfeifen“. Durchgeführt wurde sie von der Forschungsgruppe „Musikalische Akustik“ am Fraunhofer-Institut für Bauphysik unter der Leitung von Dr. Judit Angster, die selbst aus einer alten ungarischen Orgelbauerfamilie stammt. Die Ergebnisse: Das heute zur Verfügung stehende Zinkmaterial ist deutlich weicher als Vorgängerversionen, wodurch die Zinkpfeifen viel einfacher bearbeitet werden können. Alle Untersuchungen haben zudem bewiesen, dass Zink für den Bau von Orgelpfeifen eine echte Alternative ist – und das sowohl preislich als auch klanglich.
„Während in den USA viele Orgelpfeifen aus Zink bestehen, werden sie in Deutschland fast ausschließlich aus Zinn-Blei-Legierungen, dem Orgelmetall, gefertigt. Das war nicht immer so, denn in der langen Pfeifenbautradition wurde auch hier Zink verwendet. Doch während der sogenannten Orgelbewegung nach 1925 kam das Material in Verruf, weil es als typisches Merkmal des ästhetischen und handwerklichen Niedergangs im Zuge des Fabrikorgelbaus angesehen wurde. Dazu kam, dass die materialbedingten Unterschiede von Zinkpfeifen Orgelbauer immer wieder vor das Problem stellen, dass die Pfeifen anders klingen“, erklärt Uwe Kroß, Leiter Qualitätssicherung der Grillo Werke AG, Duisburg. Und auch die Bearbeitung des Materials ist ein Kritikpunkt: Orgelbauer beurteilen Zink als ein hartes Material, mit dem ein Intonateur, der die Pfeifen manuell bearbeitet, schwer zurechtkommt. Deshalb müssten einige Teile der Zinkpfeifen auf jeden Fall aus Orgelmetall angefertigt werden – wobei der Aufwand der zusätzlichen Lötarbeiten einfach zu groß und die sonst geringeren Materialkosten höher wären.
Doch Zink steht heute in einer wesentlich besseren Qualität zur Verfügung. Basierend auf dieser Tatsache hat die Grillo Werke AG ein weiches Zinkband entwickelt – die Chancen für den Intonateur, auch mit diesem Material gut umgehen zu können, haben sich also verbessert. Blieb die Frage, inwieweit sich die Wandschwingungen der Pfeifen bei der Verwendung von Zink ändern und wie groß der Einfluss auf den Klang ist.
Dafür wurden im Rahmen der Studie unterschiedliche aus Orgelmetall und aus Zink angefertigte Pfeifenpaare sowohl schwingungstechnisch als auch akustisch untersucht. So sollte festgestellt werden, ob das Zinkmaterial wirklich einen negativen Einfluss auf den Pfeifenklang hat – wie viele Orgelbauer es glauben. Die Wanddicke der in diesem Projekt verwendeten Experimentalpfeifen aus Zink beträgt etwa 90 Prozent der normalen Zinn-Blei-Pfeifen. Der an dem Gemeinschaftsprojekt beteiligte Intonateur Johannes Kirschmann, Werkstätte für Orgelbau Mühleisen, musste dabei die Aufgabe lösen, die stofflich unterschiedlichen Pfeifenpaare auf einen nach seinem Gehör gleichen Klang einzustellen.
Für die Schwingungsanalyse wurden drei Laser-Vibrometer eingesetzt, um synchron eine dreidimensionale Analyse der Pfeifen zu erreichen. Die Ergebnisse der Experimente weisen darauf hin, dass zwischen den frequenzabhängigen Wandschwingungen der aus Orgelmetall und Zink gefertigten Lippenorgelpfeifen deutliche Unterschiede bestehen. Die anschließenden akustischen Messungen ergaben jedoch, dass die Pfeifen offenbar trotzdem auf den gleichen Klang intoniert werden können. Das beweist sowohl die Analyse der Stationärspektren als auch die der Einschwingvorgänge, also die Ansprache der Pfeifen. Auch ein Mikrofon-Array-System kam zum Einsatz: „Die per Mikrofon aufgenommenen Schallwellen lassen sich damit in besonderer Weise sichtbar machen. Zum einen kann der Klang, der aus dem Grundton und vielen Obertönen besteht, sehr genau in seine einzelnen Komponenten zerlegt werden. Zum anderen ist es möglich, den zeitlichen Verlauf der Töne äußerst präzise darzustellen. Im Grunde kann man jetzt sehr genau sehen, was man hören möchte“, beschreibt Uwe Kroß das Analyseverfahren. Auch diese Aufnahmen haben gezeigt, dass die Wandschwingung keinen direkten Einfluss auf die Schallabstrahlung der Orgelpfeifen hat.
Ähnliche Experimente wurden an weiteren offenen und gedeckten Lippenpfeifenpaaren sowie auch an Zungenpfeifenpaaren durchgeführt. Bei Letzteren wurden lediglich die Becher (Resonatoren) aus verschiedenen Materialien gefertigt. Die Resultate dieser Experimente haben dieselben Ergebnisse erzielt.
„Die Studie hat nachgewiesen, dass das in vielerlei Hinsicht vorteilhafte Zink auch klanglich eine echte Alternative ist. In der Praxis können die notwendigen Materialstärken nun so optimiert werden, dass die direkte Bearbeitung des Zinks noch einfacher wird, aber dennoch keine Pfeifenwandschwingung auftritt. Mit geeigneten Werkzeugen ist es dann möglich, die robusten Zinkpfeifen problemlos zu intonieren“, gibt Kroß einen Ausblick auf die Zukunft des Zinks im Orgelpfeifenbau.
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