Michael Kober betritt das Podium des Congress Centrum Ulm, um den nächsten Vortragsredner anzukündigen, doch von diesem fehlt jede Spur. Blick auf die Moderatorenkarte. Kurzes Räuspern: „Künstliche Vogelstimmen pfeifen es bereits von unseren Metalldächern. Die nächste Anmoderation wurde per Zeitmaschine generiert – aber sehen Sie selbst“, sagt der technische Referent des ZVSHK, klingt dabei irgendwie gestelzt und obendrein sehr unnatürlich. Er verlässt die Bühne. Dann geht es Schlag auf Schlag. Die aus der Sendung mit der Maus bekannte Titelmelodie erklingt. Zeitgleich startet ein Video auf der Großleinwand. Ein langhaariger Typ brabbelt wirr und unverständlich drauflos. Harter Schnitt. „Das war schlecht generiertes KI-slosnisch*“, sagt eine künstlich erzeugte, im Nichts platzierte Avatar-Dame mit rotem Haar und Sommersprossen. Wieder Mausmusik und wieder spricht der Langhaarige. Dieses Mal verständlich. Lippensynchron und hochdeutsch:
„Werte Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist Andreas Buck. Ich befinde mich im Jahr 1989. Als frisch gebackener Klempnergeselle ist es mir eine große Ehre, ein Grußwort an die Teilnehmer des 20. Deutschen Klempnertages richten zu dürfen. Während Sie sich im Jahr 2024 mit dem Motto ‚Klempner fürs Klima‘ beschäftigen, mache ich mir ebenfalls Gedanken um die Zukunft unserer Berufsgruppe. Es gibt einfach zu wenig Nachwuchs für diesen wunderschönen Beruf. Wussten Sie, dass ich mein drittes Lehrjahr in einer Klasse zusammen mit Installateuren verbracht und meine Gesellenprüfung als einziger Klempner meines Landkreises abgelegt habe? Zum Glück wird sich das in der Zukunft durch den Einsatz künstlicher Intelligenzen ändern. Avatare werden dann die Fachlehrer tatkräftig unterstützen und der Zentralverband Sanitär Heizung Klima wird Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, mit einem interessanten und abwechslungsreichen Fachprogramm entsprechend informieren. Wozu künstliche Intelligenz in der Klempnertechnik sonst noch nützlich ist, erfahren Sie jetzt von meinem 35 Jahre älteren Ich. Bleiben Sie neugierig, dann wird hoffentlich alles gut.“
Am Ende des Einspielers erklingt der Song „Can‘t Help Falling in Love“ von Elvis Presley. Es schiebt sich ein realistisch wirkendes Foto des auf einem Stehfalzdach arbeitenden King of Rock’n’Roll auf die Leinwand und die eingangs von Kober anmoderierten künstlichen Vogelstimmen ertönen.
Was macht KI seit wann mit uns?
„Wow, ich habe mich fast nicht wiedererkannt“, sagt Andreas Buck, betritt das Podium und schiebt nach: „seit ich mir die Haare grau färbe. Sie haben es vermutlich bemerkt. Natürlich ist das alles Fake. Elvis war nie in die Klempnertechnik verliebt. Ich hingegen bin es schon. Und ich bin in Redaktionshund Henry verliebt …“ Dann fingert Buck sein Smartphone aus der Hosentasche. Offensichtlich hängt der technikversierte Vortragsredner in besonderer Weise an seinem uralten Smartphone – einem Gerät der Elfer-Baureihe von Apple. „Sogar mein altes Taschenbüro beherrscht KI“, sagt er und betont, dass sich künstliche Intelligenz längst in den Alltag der Menschen geschlichen hat. Als Beispiel nennt er Funktionen wie die automatische Gesichtserkennung in der Bilddatenbank oder die automatisierte Erkennung der Hunderasse, sobald ein Foto seines Redaktionshundes auf dem Display erscheint. Perro de Agua Español stünde dann auf dem Display. Und bei Bedarf könnten umfassende Informationen zu dieser Gattung blitzschnell abgerufen werden.
KI ist weitaus mehr als nur ChatGPT
Als Nächstes nimmt Buck die Zuhörer mit auf Spurensuche und erinnert u. a. an den im April 2023 veröffentlichen BAUMETALL-Beitrag „Interview mit einem Roboter“. Darin wird veranschaulicht, wie einfach sich Texte oder Bilder generieren lassen. Um seine Aussagen zu untermauern, zeigt der Klempnermeister täuschend echt wirkende Bildbeispiele – etwa einen Ex-Präsidenten im Gefängnis oder einen Papst auf einer Rave-Party. „So wie wir den kritischen Umgang mit manipulierten Photoshop-Bildern trainiert haben, müssen wir jetzt lernen, KI-generierte Abbildungen als solche zu erkennen oder zumindest zu verdächtigen!“, sagt Buck und sensibilisiert die Zuhörer, speziell in den sozialen Medien nicht alles zu glauben, was es dort zu sehen und zu lesen gibt.
KI wird erfolgreich eingesetzt
Ganz anders werden Buck zufolge die Informationen in seriösen Medien veröffentlicht. KI-generierte Texte und Fotos seien dort ausnahmslos gekennzeichnet – Inhalte entsprechend gut recherchiert und belastbar. Buck stellt anschließend Fakten einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor. Rund 60 % der Arbeitsplätze werden demzufolge bereits von KI beeinflusst. Bei etwa der Hälfte davon dürfte sich KI mit höherer Produktivität positiv auswirken – bei der anderen Hälfte wird KI Aufgaben übernehmen und Jobs überflüssig machen bzw. deren Lohnniveau drastisch senken. Außerdem wird in genanntem IWF-Bericht vor der Ungleichheit bei Gehältern gewarnt und feststellt: „Wer mit KI gut zurechtkommt, kann auf höhere Gehälter hoffen, während andere Personen zurückfallen werden.“ Weitere Fakten liefert Buck aus den Bereichen Bildung, Politik, Rechtsberatung oder Bauleitung (siehe Infokasten und Online-Extra).
Bis an diese Stelle des Vortrages fragte sich der ein oder andere Zuhörer vermutlich, was aufgeführte Beispiele mit ehrlicher Handwerksarbeit zu tun hätten. Die nächsten Fakten liefern Antworten auf diese und andere nicht gestellte Fragen. Buck präsentiert zum Beispiel:
Letztere reagieren bei Bedarf selbstständig, indem sie Reinigungsroboter auf den betroffenen Modulen absetzen und diese nach getaner Arbeit wieder einsammeln. Spätestens mit der Vorstellung KI-gesteuerter VR-Kontaktlinsen, die beispielsweise Personen mit eingeschränkter Sicht unterstützen oder mit VR-Technologie Anweisungen im Berufsleben geben, wird klar …
… KI ist längst im Handwerk und in der Ausbildung angekommen
Buck berichtet, dass KI Lehrkräfte erfolgreich dabei unterstützt, Unterrichtsmaterial in verschiedenen Schwierigkeitsstufen zu erstellen. Als Beispiel nennt er entsprechende KI-Assistenz-Systeme wie das KI-Prompt-Labor von Fobizz. Der KI-gesteuerte Lernbot wird von über 120 000 Lehrkräften eingesetzt. Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz haben inzwischen sogar Landeslizenzen für die Schulen erworben. Bei aller Technologieoffenheit warnt Buck eindringlich davor, KI-Systeme zu euphorisch zu benutzen. Dennoch empfiehlt er, sich umfassend mit dem Thema zu befassen, denn: „Nur wer Bescheid weiß, bleibt auch im Bilde! Es ist daher sehr wichtig, sich intensiv mit KI zu beschäftigen und dabei auf bestmöglichen Datenschutz zu achten.“
Blick in Bucks „KI-Labor“
Abschließend werden die Zuhörer Zeugen eines besonderen Experiments. Der Zukunftsklempner hat dazu folgende Frage formuliert: „Hallo KI, stelle dir vor, KI-Technologie wird eines Tages von einer neuen Technologie ersetzt. Wie würde ein Exponat, das alte KI-Technologie veranschaulicht, in einem Museum der Zukunft aussehen? Kannst du ein dazu passendes Foto generieren?“ Die vom Bing-Copilot generierte Antwort sorgt für nachdenkliche Gesichter im Zuschauersaal: „Das ist eine sehr interessante und kreative Frage. Ich kann mir vorstellen, dass ein Exponat, das alte KI-Technologie veranschaulicht, in einem Museum der Zukunft eine interaktive Zeitleiste zeigt, die wichtigste Meilensteine und Entwicklungen der KI von ihren Anfängen bis zu ihrer Ablösung durch eine neue Technologie darstellt. Die Besucher könnten sich über die verschiedenen KI-Anwendungen, Methoden, Herausforderungen und Auswirkungen informieren, die KI im Laufe der Zeit hatte …“ Und weiter: „Das Museum könnte außerdem eine kritische Reflexion über die ethischen, sozialen und kulturellen Aspekte der KI anbieten, die Besucher zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Zum Beispiel könnten sie sich fragen, ob die KI jemals ein Bewusstsein oder eine Moral hatte, wie die KI die Menschenrechte und die Demokratie beeinflusste, wie die KI die Umwelt und die Wirtschaft veränderte oder wie sie menschliche Kreativität und Identität prägte.“
Spätestens als Buck das dazu generierte Bild vorstellt, haben alle Personen im Saal verinnerlicht: KI ist auch im Handwerk angekommen. Es ist höchste Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen. 
INFO
Tipp I
Bucks Fassadenvortrag
Im Rahmen des baden-württembergischen Klempnertreffs am 14. und 15. März 2024 spricht Andreas Buck in Titisee über KI-erstellte Fassadenvisionen und damit verbundene Evolutionsschritte im Metallfassadendesign.
www.fvshkbw.de und Seite xx in vorliegender Ausgabe
Tipp II
Bucks KI-Workshop
So einfach kann KI zur Optimierung der Öffentlichkeitsarbeit im Handwerk eingesetzt werden: Die Workshopteilnehmer wenden zahlreiche KI-Tools und Onlineservices an – wertvolle Tipps zur Umsetzung imagefördernder Maßnahmen inklusive. Zahlreiche Übungsaufgaben erleichtern die sofortige Anwendung und helfen dabei, zukünftig als interessanter Fachbetrieb und Arbeitgeber in der Region wahrgenommen zu werden.
18. April 2024
Europäisches Klempner- und Kuperschmiede-Museum, Karlstadt
www.baumetall.de/workshops
Hier wird KI bereits erfolgreich eingesetzt:
Online-Extra
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