Für viele Bauherren, Architekten und Handwerker werden ökologische Aspekte bei der Materialauswahl immer wichtiger. Nur wenige Produkte verfügen über einen funktionierenden Sammel- und Recycling-Kreislauf. Ein solches nahezu geschlossenes System existiert für den Mehrweg-Werkstoff Walzblei. Von den eingespielten Prozessen profitieren alle Beteiligten. Auf dem Hof der Theo Steil GmbH im Kölner Stadtteil Deutz türmen sich silbrig-graue Bleistücke zu Meter hohen Bergen. Tag für Tag liefern Dachdecker und Abrissunternehmen bei der Verwertungsfirma Walzbleireste ab, die bei der Sanierung von Dächern und Hausbekleidungen anfallen. Das Sammeln und Verwerten des Altmetalls lohnt sich: Pro Kilogramm Walzblei-Schrott erhalten die Lieferanten rund 1,10 Euro. Dieser Preis errechnet sich aus dem jeweils aktuellen Bleipreis an der Londoner Metallbörse (LME) und einem Abschlag für die Wiederverarbeitung. Ein rentables Geschäft für alle Beteiligten.
Blei ist ein wertvoller Rohstoff, der derzeit auf dem Weltmarkt rund fünfmal so teuer wie Rohstahl gehandelt wird. Ein Grund, warum sich die Wiederverwertung des Altmetalls rechnet. Was andere Werkstoffe durch aufwändige Prozesse und Kontrollen anstreben, ist bei Blei längst eine Selbstverständlichkeit. Der Werkstoff Blei ist das Metall mit dem höchsten Rückgewinnungsanteil. Der Produktkreislauf lässt sich theoretisch unbegrenzt wiederholen. Es entstehen keine Qualitätsverluste, unabhängig davon wie oft und wie lange das Metall vorher verwendet wurde.
Geschlossener Recycling-Kreislauf
Noch ein weiteres gewichtiges Argument spricht für die Wiederverwertung von Bleischrott. Die Gewinnung von Rohblei aus Erz ist extrem aufwändig und teuer. Allein der Transport des Schwermetalls, meist aus Übersee nach Deutschland schlägt mit hohen Kosten zu Buche. Zudem erfordert die Herstellung von Blei durch Röst- oder Direktschmelzverfahren viel Primärenergie. Ganz anders dagegen die Produktion aus Bleischrott zu so genanntem Sekundärblei: Sie schont die natürlichen Erzvorkommen, spart Transportkosten und kommt mit erheblich weniger Energie bei der Verhüttung aus. Zudem hat sie ein geringes CO2-Aufkommen. Zudem erfüllt die Wiederverwertung von altem Walzblei optimal die Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Das Gesetz schreibt vor, Altmaterialien möglichst zu verwerten, anstatt sie auf der Mülldeponie zu entsorgen. Der Recycling-Prozess von alten Bleiblechen demonstriert eine enges Zusammenspiel aller Stufen: die Demontage der Bleche auf Dächern, das Sammeln und Verwerten im Schrottbetrieb, die „Wieder“-Herstellung in der Bleihütte und schließlich die Weiterverarbeitung zu neuen Walzblei-Produkten.
Die Gütegemeinschaft Saturnblei e.V., führende Interessensvertretung der Walzbleiproduzenten für den deutschen Markt, unterstützt die Entwicklung eines geschlossenen Materialkreislaufes für Blei. Schon seit Jahren haben die Mitglieder Walzblei-Schrott und Sekundärblei bei ihren Rohmaterialeinkäufen priorisiert. Jetzt gehen die angeschlossenen Walzbleihersteller noch einen Schritt weiter: Jeder Nutzer des Gütezeichens „Saturnblei“ ist verpflichtet, für die Herstellung von Saturnblei ausschließlich recyceltes Blei einzusetzen.
Neben einem vorbildlichen Recycling-Prozess sorgt vor allem auch die Langlebigkeit für eine günstige Ökobilanz des Baustoffes Walzblei. Fachgerechte Ausführung vorausgesetzt, trotzen Abdeckungen und Anschlüsse über viele Jahrzehnte hinweg selbst extremen Witterungsbedingungen. Im Normalfall überdauert Walzblei ohne zusätzlichen Wartungs- und Renovierungsaufwand sogar die Nutzungsdauer des Wohngebäudes von etwa 80 Jahren. Zum Vergleich: Laut Studie des renommierten Forschungsinstituts TNO haben Baumaterialien aus Kunststoff nur eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren.
Abriss in luftiger Höhe
Doch nichts ist für die Ewigkeit gebaut. Extreme Temperaturunterschiede dehnen Walzblei aus und ziehen es zusammen. Hohe Windsoglasten strapazieren das Material tagtäglich und machen, wenn auch erst nach vielen Jahrzehnten, einen Austausch erforderlich. Doch dann ist die Demontage von Walzbleiteilen schnell und kostengünstig möglich. Es müssen ja nicht immer so viele Mengen Altmaterial anfallen wie beim Kölner Dom. Auf seinem Dach lasten 520 Tonnen des silbrig-grauen Metalls in Form von Abdeckungen, Anschlüssen und kunstvollen Details, die regelmäßig erneuert werden müssen. „2008 fielen rund elf Tonnen abgerissenes Walzblei und etwa eine Tonne Verschnitt bei Klempnerarbeiten an“, sagt Hans Tanzyna, Kolonnenführer der Dachspezialisten bei der Kölner Dombauhütte (siehe auch Interview „Blei aus Altmetall – so gut wie das aus Erz gewonnene“).
Ob für ein Riesendach, wie das der rheinischen Kathedrale oder für ein Einfamilienhaus – „Die erforderlichen Arbeitsschritte bei der Demontage sind im Prinzip auf jedem Dach gleich“, weiß Kolonnenführer Tanzyna. Befestigungen und Verbindungen werden behutsam gelöst, so dass der Untergrund nicht beschädigt wird. Dabei kommt den Dachdeckern die hohe Flexibilität des Materials zugute: Das Blech lässt sich einfach biegen und schneiden und je nach Gegebenheit kleinteilig oder in größeren Stücken loslösen. Genagelte Befestigungen werden mit einem Stemmeisen gelöst, Falze mit Gummihammer und Setzholz aufgebogen. Mit der Deckzange werden fest sitzende Blechstücke abgezogen. Schließlich landet der Bleischrott auf einer Holzpalette, wird mit Haltegurten gesichert und zum nächsten Rohstoff-Sammelbetrieb, dem Altblei-Abnehmer Theo Steil GmbH in Köln, transportiert.
Allein im Jahr 2008 lieferten Fachbetriebe und Abrissfirmen hier rund 380 Tonnen Walzblei-Schrott an. Nach Eingang des Materials wird es per Hand sortiert und in drei Kategorien unterteilt: reines Blei, Blei mit Anhaftungen oder Farbbeschichtung sowie Blei mit Zinnbeschichtung. „Angeliefertes Bleiblech sollte möglichst frei von Verunreinigungen wie etwa Bitumen oder Mörtel sein“, rät Domenico Galeri, NE-Metall-Einkaufsleiter bei der Theo Steil GmbH. „Je nach Reinigungsaufwand kann die Vergütung für angelieferten Bleischrott entsprechend niedriger ausfallen.“ Zu Steils Abnehmern zählen Hüttenwerke, die Schrott aufbereiten und zu Rohblei oder Bleilegierungen verarbeiten. Auch Kupferhütten werden mit Altblei beliefert, die es als Zuschlag für Legierungen wie etwa Blei-bronze verwenden. Je nach Kundenwunsch schreddert Steil das Blei in etwa gleich große Stücke. Anschließend geht es per LKW, Bahn oder Lastschiff zu den Bleihütten, der nächsten Verarbeitungsstufe im Recycling-Prozess.
Verjüngungskur im Schmelzofen
Dort wird der Metallschrott meist in loser Schüttung, in Containern oder auf Paletten angeliefert und ohne vorherige Sortierung oder erneute Reinigung in einen mit Brenngas und Sauerstoff beheizten Kurztrommelofen befördert. Hier verflüssigt sich das Metall bereits ab einer Temperatur von etwa 330 Grad Celsius. Optimale Verarbeitungsbedingungen herrschen allerdings erst bei einer Temperatur von etwa 800 Grad Celsius.
Der gesamte Schmelzvorgang ist ein komplexer Prozess. Zunächst einmal gilt es, strenge Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen penibel einzuhalten. Doch damit ist es noch längst nicht getan. „Die größte Herausforderung liegt darin, trotz verschiedener Zusammensetzung und Verunreinigung des Bleiabfalls eine gleichbleibend hohe Qualität beim Endprodukt zu sichern“, weiß Diplom-Ingenieur Gerhard Martin, Geschäftsführer der BSB Recycling GmbH. Die Sekundärbleihütte in Braubach am Mittelrhein hat im Jahr 2008 rund 1500 Tonnen Walzblei-Schrott recycelt.
Nach dem Schmelzvorgang erfolgt die Reinigung. Dazu wird die rotglühende Schmelze in Kessel gefüllt und obenauf schwimmende mineralische Schlacke entfernt. Beim anschließenden Raffinationsprozess wird es in Kesseln mit einem Fassungsvermögen von bis zu 120 Tonnen von metallischen Verunreinigungen gereinigt. Abschließend wird das Blei je nach Kundenwunsch legiert und zu Barren von 35 bis 50 kg gegossen. Für Walzblei-Produkte mit dem Gütesiegel Saturnblei gelten besonders hohe Qualitätsanforderungen. Sie zeichnen sich durch einen hohen Reinheitsgrad und spezielle Zulegierungen aus Kupfer aus.
Altes Blei in neuer Form
Im nächsten Recycling-Schritt werden die Bleibarren zu Walzblei verarbeitet. Dabei ist höchste Präzision von Mensch und Maschine gefragt. Die von der Bleihütte angelieferten Barren werden zunächst bei etwa 430 Grad Celsius in einem gasbetriebenen Bleikessel eingeschmolzen und in eine 3,2 Meter lange, 1,35 Meter breite und rund 13 Zentimeter hohe Form gegossen. Sie ergibt einen etwa vier Tonnen schweren Rohling („Bramme“). Da das Material sehr weich und flexibel ist, lässt es sich bei Raumtemperatur umformen. Diese Eigenschaft erlaubt es den Walzblei-Herstellern, ihre Produkte in einem speziellen Kaltwalzverfahren zu fertigen. Dafür ist erheblich weniger Energie notwendig, was wiederum die Ökobilanz von Blechen aus Sekundärblei verbessert. Beim Kaltwalzverfahren wird das Blei wieder und wieder durch verschiedene Walzstrassen gezogen. „Die massiven Stahlwalzen pressen das Material mit einem Druck von bis zu 200 Tonnen zusammen und reduzieren seine Dicke allmählich auf das gewünschte Maß“, erklärt Walzblei-Experte Jürgen Seifert von der Gütegemeinschaft Saturnblei e.V.. Nach jedem Durchgang wird das Blechband am Ende aufgerollt und für den nächsten Arbeitsschritt wieder abgerollt.
In der letzten Produktionsphase wird das Walzblei konfektioniert. Das Blech wird zu Rollen von 25 beziehungsweise 50 Kilogramm mit fünf marktüblichen Blechstärken zwischen 1,25 und 3,00 Millimetern zugeschnitten. Zur besseren Kennzeichnung werden dann gemäß einem Farbleitsystem nach EN-Norm Kunststoffbänder in unterschiedlichen Farben auf die Bleirollen geklebt. Nun ist das Walzblei aus recyceltem Material fertig für die Auslieferung an den Baufachhandel. Der neue-alte Baustoff kann wieder auf Dächern und Fassaden von Wohnhäusern, repräsentativen Bauten der Moderne und denkmalgeschützten Gebäuden vergangener Jahrhunderte verbaut werden.
Fazit
Der Sammel- und Recycling-Kreislauf für Walzblei hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Etablierte Standards und eingespielte Prozesse ermöglichen einen nahezu lückenlosen Wertstoffzyklus, der mit einem geringen Ressourcenverbrauch einhergeht. Walzblei ist ein ausgereifter Mehrweg-Werkstoff und beweist: Ökonomische und ökologische Aspekte müssen nicht im Widerspruch stehen – im Gegenteil.
Im Gespräch
„Blei aus Altmetall – so gut wie das aus Erz gewonnene“
In Sachen Recycling-Fähigkeit ist Walzblei den meisten Baustoffen überlegen. Davon ist Spengler Hans Tanzyna überzeugt. Seit über dreißig Jahren ist er Kolonnenführer der Dachabteilung am Kölner Dom und für die laufende Instandsetzung der Bedachung der Kathedrale verantwortlich. Drei Fragen an den erfahrenen Fachmann:
Wie lange dauert es, bis Walzblei reif für den Abriss ist?
Wenn Bleiblech fachgerecht verarbeitet ist, können da schon einige Jahrhunderte ins Land gehen. Hier am Dom gibt es Bleiarbeiten aus dem 19. Jahrhundert, die heute noch zuverlässig ihren Zweck erfüllen.
Wozu ist das Material nach so langer Zeit noch zu gebrauchen?
Aufbereitetes Blei aus Altmetall ist prinzipiell genauso hochwertig wie aus Bleierz gewonnenes Material. Spätestens seit 1320 wird Bleiblech am Kölner Dom eingesetzt, recycelt und erneut für Bedachungen verwendet.
Wie profitiert die Dombauhütte vom Walzblei-Recycling?
Der anfallende Bleischrott ist ein wertvoller Rohstoff, für den wir bares Geld bekommen. So können wir die Kosten für neues Walzblei zum Teil aus dem Verkaufswert des abgetragenen Materials bestreiten.