Um es vorwegzunehmen: Dies ist keine Rostlaube, sondern ein Referenzobjekt der André Taubert Metallverarbeitung/Dachklempnerei aus Greiz. Immer wieder sorgen die Projekte des hoch spezialisierten Klempnerfachbetriebes für Gesprächsstoff – der hier vorgestellte Büroanbau stellt also keine Ausnahme dar. Außerdem veranschaulicht dieser mit wetterfestem Baustahl bekleidete Anbau, dass der Werkstoff Corten-Stahl durchaus auch vom Klempner verarbeitet werden kann. Die Fassadenbekleidung des neuen Bürobereiches besteht aus 2-mm-Corten-Stahl. Das Team um André Taubert fertigte daraus passgenaue Kassetten mit einer Tiefe von 10 mm. Die Abkantungen sind an den Stoßbereichen ausnahmslos verschweißt – die Befestigung erfolgte direkt auf einer ebenfalls aus Corten-Stahl hergestellten Unterkonstruktion. Unterschiedliche Hut- und T-Profile sorgen für konstruktive Sicherheit sowie den nötigen Hinterlüftungsquerschnitt. Um die schweren Stahlkassetten dauerhaft und sicher an der Wand zu halten, müssen speziell beim Werkstoff Corten-Stahl eine ganze Reihe unterschiedlicher Maßnahmen berücksichtigt werden. Wichtig ist beispielsweise die Bestimmung der Bauteil-Nutzungsdauer unter Berücksichtigung der zu erwartenden Korrosionsbelastung. Diese Maßnahme ist speziell bei der Unterkonstruktion unverzichtbar. Als Faustregel wird hier der Dickenzuschlag laut DASt-Richtlinie 007 angewandt. Die nebenstehende Tabelle zeigt die erforderlichen Abrostungszuschläge für die Korrosionsbelastungszonen „schwer“, „mittel“ und „leicht“. Da vielerorts nur geringe Unterschiede zwischen den Umweltbelastungszonen auftreten, ist es zudem ratsam, Faktoren wie Kleinstklima oder Salzbeaufschlagung zu berücksichtigen.
Aus Rost wird Edelrost
Die Bezeichnung Corten-Stahl setzt sich aus der Silbe COR für den Rostwiderstand (CORrosion resistance) und der Silbe TEN für die Zugfestigkeit (TENsile strength) zusammen. Das entsprechende Patent wurde 1932 durch Byramji D. Saklatwalla in den USA angemeldet. Die mit Legierungszusätzen wie Silizium, Kupfer, Nickel, Phosphor und Chrom hergestellte Stahllegierung wurde in der United States Steel Corporation weiter entwickelt. Der neue Werkstoff erhielt den Namen Cor-Ten-Stahl und zeichnete sich durch seine hohe Witterungsbeständigkeit aus. Heute ist wetterfester Baustahl, so die korrekte Bezeichnung, in zahlreichen Werkstoff-Qualitäten und mit verschiedenen Eigenschaften lieferbar. Neben verschiedenen Mindeststreckgrenzen unterscheiden sich diese Stähle vor allem durch die ihnen zugesetzten Legierungsanteile wie Kupfer, Phosphor, Silizium, Nickel oder Chrom. Entsprechend unterschiedlich sind die Werkstoffeigenschaften dieser Stahlsorten. Als Faustregel gilt: Nicht-phosphorlegierte Stähle weisen eine gute Schweißeignung und eine gute Kalt- und Warmumformbarkeit auf. Solche Stähle können zum Beispiel für geschweißte oder geschraubte Konstruktionen eingesetzt werden. Die Streckgrenze und Bruchdehnung wetterfester Stähle ist abhängig von der Materialdicke. Vergleichbar sind diese Werte mit solchen unlegierter Baustähle.
Seit einigen Jahren wird das gegenüber Witterungseinflüssen unempfindliche Material von modernen Architekten wiederentdeckt. Diese setzen den Werkstoff immer häufiger zur Betonung architektonischer Akzente oder aber zur Bekleidung kompletter Fassaden ein. Doch wie entsteht die charakteristische Corten-Stahl-Patina und worauf müssen Anwender achten? Speziell zur Herstellung von Fassadenbekleidungen wird Corten-Stahl in Form kaltgewalzter Feinbleche verarbeitet. Die in unterschiedlichen Dimensionen erhältlichen Tafeln werden walzblank geliefert und weisen in der Regel zum Zeitpunkt der Montage eine für walzblanken Stahl typische anthrazitfarbene Oberfläche auf. Corten-Stahl-Bauteile mit ständigem Kontakt zur Außenluft werden von Fachleuten in direkt und indirekt benetzte Flächen eingeteilt. Flächen, die direkt mit Wasser beaufschlagt werden, weisen eine relativ dunkle Braunfärbung auf – die Oberfläche indirekt benetzter Bereiche, etwa an Untersichten oder unter Vorsprüngen, ist heller und meist gleichmäßig gefärbt. Bedingt durch ständigen Feucht-Trocken-Wechsel bildet wetterfester Baustahl im Freien nach ein bis zwei Jahren eine relativ dichte und gut haftende Rostdeckschicht aus. Der Bewitterungsprozess verlangsamt sich im Laufe der Zeit ebenso deutlich wie der damit verbundene Korrosionsabtrag. Beide Effekte kommen aber niemals zum Stillstand, sondern begünstigen im Laufe der Zeit das Entstehen der für wetterfesten Baustahl charakteristischen Oberflächenmulden oder -narben.
Werkstoffgerechte Bedingungen
Um den Korrosionswiderstand von wetterfestem Baustahl zu erhöhen, ist es wichtig, Dauerfeuchtigkeit konstruktiv zu vermeiden. Generell gilt, dass der regelmäßige Wechsel vom feuchten in den trockenen Zustand die Lebenserwartung deutlich erhöht. Die Belastung der Oberfläche durch Salze und Chlorid ist ebenso zu vermeiden wie der Einsatz in Küstennähe. Je nach Standort, Dauer der Feucht-Trocken-Zyklen und sonstiger Oberflächenbelastungen ergeben sich somit unterschiedliche Abrostungsraten. Diese variieren stark und können je nach Standort und Konstruktion im Laufe von 100 Jahren Werte von 0,11 mm oder mehreren Millimetern erreichen. Spezielle Berechnungstabellen und weitere Informationen sind im Merkblatt 434 „Wetterfester Baustahl“ des Stahl-Informations-Zentrums nachzulesen.
Lieferformen und Bearbeitung
Wetterfester Baustahl ist als Tafelwahre ebenso erhältlich wie in Profilform, beispielsweise als I- oder L-Profil. Weitere Lieferformen sind Breitflachstahl, Stäbe oder Walzdraht. Zur Bearbeitung der genannten Materialien kommen alle gängigen Techniken zum Einsatz. Corten-Stahl kann ebenso wie andere unlegierte Baustähle durch Biegen, Schweißen, Fräsen, Brennen, Flammrichten, Bohren u.v.m bearbeitet werden. Interessant ist, dass wetterfeste Stähle mit unlegierten sowie hochlegierten schweißgeeigneten Stählen verschweißbar sind. Speziell bei ungeschützter Anwendung ist jedoch der Einsatz wetterfesten Schweißgutes überaus wichtig. Neben dem Schweißen eignen sich auch Schrauben zur Verbindung einzelner Bauteile. Da Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben aus wetterfestem Baustahl im Handel nur schwer erhältlich sind, weichen zahlreiche Anwender auf solche aus hochlegierten Stählen aus. Für Klempner ist vorwiegend die Verarbeitung von Tafel-material interessant. Beispielsweise kann die klassische Tafelgröße 1000 x 2000 mm über das Handelshaus Gustav Barth GmbH & Co. KG in Stärken von 1,0 bis 2,5 mm bezogen werden. Darüber hinaus sind weitere Formate in unterschiedlicher Materialstärke lieferbar.
Architekturpreis für rostende Fassade
Weltweit begeistern Prestigeobjekte des Fachbetriebs Lummel GmbH & Co.KG aus Karlstadt die Fachwelt – auch das im hessischen Glauburg errichtete Keltenmuseum am Glauberg macht dabei keine Ausnahme. Die hinterlüftete Gebäudehülle des kubischen Baukörpers besteht aus massiven 4-mm-Corten-Stahl-Tafeln im Format 6,00 x 2,00m. Zuverlässig schützt die homogene rostrote Fassade historische und sehr lichtempfindliche Fundstücke im Innern des Museums. Lediglich ein großformatiges, in dunklem Glas ausgeführtes Panoramafenster gibt den Blick auf den nahe gelegenen Grabhügel frei, der somit zum eigentlichen Ausstellungsstück wird. Der geschlossene, monolithische Baukörper verfügt unterhalb der Fensterfront über eine weit auskragende und ebenfalls mit massiven Tafeln aus wetterfestem Baustahl bekleidete Decke. Bereits 2011 gewann das Keltenmuseum am Glauberg (Wetteraukreis) den Architekturpreis „Auszeichnung vorbildlicher Bauten im Land Hessen“. Der als Teil des Dezentralen Archäologischen Landesmuseums errichtete Neubau fasziniert seither Freunde keltischer Kultur ebenso wie metallbegeisterte Architekturtouristen.
Befestigungssystem im Härtetest
Die von außen nicht sichtbare Einhangbefestigung der Fassadenelemente erfolgt über rückseitig aufgeschweißte Edelstahlbolzen sowie daran befestigte Z-Profile. Das enorme Bauteilgewicht von etwa 380kg je Tafel wird durch eine Einhang-Unterkonstruktion getragen. Doch wie vertrauenswürdig ist eine Schweißverbindung an einem Werkstoff, der ständiger Korrosionsbelastung ausgesetzt ist? Um das herauszufinden, gaben die Metallprofis der Lummel GmbH & Co.KG eine Untersuchung zum „Korrosionsverhalten an geschweißten Edelstahlbolzen mit Corten-Stahl“ in Auftrag. In einer Salzsprühnebelprüfung wurden die Prüfstücke bei 35°C und für die Dauer von 120 Stunden kontinuierlich belastet. Ziel war es, die Probanden in möglichst kurzer Zeit massiv zu schädigen. Dazu wurden vier von fünf Proben in der Salzsprühkammer mit den Gewindebolzen senkrecht nach oben positioniert, wodurch eine maximale Betauung mit Chlor-Ionen stattfinden konnte. Die fünfte Probe wurde mit dem Bolzen senkrecht nach unten positioniert. Diese Position entspricht weitestgehend der Einbaulage an der Fassade. Während des Tests entstand an den Corten-Stahlblechen sowie an den Schweißnähten eine extreme Korrosionsentwicklung. Die Edelstahlgewindebolzen blieben während des Tests blank. Um festzustellen, ob die Schweißverbindung durch Korrosion geschädigt wurde, fand anschließend ein Scher- und Zugversuch statt. Natürlich entspricht ein Salzsprühtest nicht den realen Bedingungen in der Praxis. Die hier künstlich erzeugte Korrosionsbelastung an Bauteilen und Schweißverbindungen wird an hinterlüfteten Fassaden ohnehin nicht erwartet.
Zusammenfassung
Corten-Stahl eignet sich für Fassaden, Skulpturen oder kleinere Bauteile zur Betonung architektonischer Details. Klempnerfachbetriebe können Corten-Stahl in herkömmlicher Weise ver- und bearbeiten – der Werkstoff lässt sich dabei wie gewohnt schneiden, biegen, bohren oder schweißen. Zur Festlegung der benötigten Materialdicken empfiehlt sich der Blick in das Merkblatt 434 „Wetterfester Baustahl“, herausgegeben vom Stahl-Informations-Zentrum in Düsseldorf. Dort sind neben zahlreichen Anwenderbeispielen sehr detaillierte Angaben zur Planung und Verarbeitung von wetterfestem Baustahl aufgeführt.
BAUTAFEL
Projekt: Erweiterung Bürogebäude
Fachbetrieb: André Taubert, Metallverarbeitung – Dachklempnerei, Greiz
Fassade: Corten-Stahl 2 mm, als Kassette abgekantet und verschweißt
Unterkonstruktion: Corten-Stahl Wandhalter, Hut und T-Profile
INFO
Wissenswertes
Das Stahl-Informations-Zentrum klärt im Merkblatt 434 „Wetterfester Baustahl“ detailliert über die Anwendung und Verarbeitung von wetterfestem Baustahl auf.
www-stahl-info.de
BAUTAFEL
Projekt: Dezentrales Archäologisches Landesmuseum Hessen „Keltenwelt am Glauberg“
Bauherr: Land Hessen vertreten durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) und das Hessische Baumanagement (HBM)
Architektur: Kadawittfeldarchitektur, Aachen
Fachbetrieb: Lummel GmbH & Co.KG, Karlstadt
Fotos: Werner Huthmacher
Tipp
Ablaufspuren vermeiden
Wasser, das über Corten-Stahl-bekleidete Flächen auf darunter liegende Bauteile oder Bodenbeläge läuft, verursacht unschöne Ablaufspuren.
Das BAUMETALL-Online-Extra bietet eine Reportage zum Thema. Gezeigt wird die Edelrost-Fassade des Besucherzentrums der Gedenkstätte Berliner Mauer.