Interessanterweise sprechen unzufriedene Kunden doppelt so häufig über Reklamationen als zufriedene Auftraggeber über die gelungene Auftragsabwicklung. Eines der besten Instrumente zur dauerhaften Kundenbindung ist zweifelsfrei die erstklassige Reklamationsbearbeitung. Wer reklamiert, gibt dem Fachbetriebsinhaber und seinem Team eine Nachbesserungsmöglichkeit und damit verbunden eine Chance, besser zu werden.
Die innere Einstellung des Auftragnehmers zählt
Kritische Äußerungen des Kunden werden nicht als Beschwerde definiert, vor allem wenn sie nur am Telefon vorgetragen werden. Mitarbeiter leiten kritische Bemerkungen nicht weiter, sodass der Chef nicht reagieren kann. Wer sich aber massiv beschwert, wird häufig sofort negativ eingestuft. Er gilt als schwierig, als Nörgler. Deshalb nimmt das Personal eine Verteidigungshaltung an, es stellt sich auf Abwehr ein: „Es handelt sich doch um einen Kleinkunden“, „Die Kunden werden immer schwieriger“, „Es gibt wirklich Schlimmeres“.
Eine Reklamation ist eine Chance, bisher verborgene Fehler zu erkennen und auszuschalten. Weitere Vorfälle können dadurch vermieden werden. Reklamationen haben positive Aspekte, sie öffnen den Blick für spezielle Probleme, die bisher unbekannt waren, und führen zu Lösungen. Die erstklassige Erledigung zeigt dem Reklamierer die Bemühungen des Handwerkers. Er erlebt die verantwortungsbewusste Einstellung, mit der er vielleicht gar nicht gerechnet hat. Kunden, die sich kritisch äußern, sind „kostenlose Qualitätsbeauftragte“, weil sie Anregungen liefern, daher müsste man sich eigentlich bei ihnen bedanken. Auch wenn Beschwerden meist übertrieben dargestellt werden, müssen sie ernst genommen werden. Oft sind es nicht nur die technischen Mängel, über die sich der Reklamierende ärgert, sondern die Terminverzögerung. Bei der Erledigung darf nicht zwischen wichtigen Kunden und weniger wichtigen Kunden unterschieden werden. “Kleinkunden“ wollen bei der Erledigung einer Beschwerde genauso behandelt werden wie ein langjähriger Großkunde.
Professionelle Annahme und korrekte Erfassung
Sendet der Kunde eine Mail, sollte der Empfang schriftlich bestätigt werden, am besten innerhalb von 60 Minuten. Aber die meisten rufen an, sodass der Tatbestand am Telefon erfasst wird. Der Kunde fühlt sich ernst genommen, wenn man Notizen ankündigt und damit transparent macht. Neu ist die Idee, ein Onlineformular zu mailen, sodass er den
Vorfall dort dokumentieren kann. Ist der zuständige Partner nicht erreichbar, wird ein Rückruf vereinbart. Keinesfalls darf man den Kunden auffordern, nochmals selbst anzurufen. Die Initiative für einen Rückruf behält man selbst, außer der Kunde erklärt, er möchte selbst anrufen. Manche Kunden erwarten die Erreichbarkeit des Ansprechpartners übers Handy.
Die erste Reaktion ist die Anteilnahme am Ärger des Kunden: „Ja, das kann ich gut verstehen“ oder „Ich kann mir vorstellen, dass Sie verärgert sind“, Verständnis entgegenbringen ist für Kunden so viel wie Wertschätzung und bedeutet kein Schuldeingeständnis. Auf das übliche und wirkungsschwache „Tut mir leid“ muss verzichtet werden. Statt der Anteilnahme am Ärger kann man den Reklamierenden auch mit der „Zielformulierung“ beeinflussen: „Jetzt kommt es auf eine schnelle Lösung an“ oder „Wir legen Wert darauf, dass Sie zufriedengestellt werden“. Reklamationen können bei der Weiterentwicklung des Services oder der Abwicklung neuer Aufträge Chancen sein. Daher ist die Beachtung folgender Punkte bei der Reklamationsbearbeitung wichtig:
Unberechtigte Reklamationen bearbeiten
In bestimmten Fällen kann eine Reklamation nicht anerkannt werden, wenn z. B. Kundenverschulden vorliegt. Entscheidend ist die Rechtslage: Was ist rechtsverbindlich vereinbart? Wo steht man als Auftraggeber/Lieferant in der Pflicht? Man muss sich nicht erpressen lassen, nur weil der Kunde mit dem Geschäftsabbruch droht. Wer nicht „Nein“ sagen kann, wird ausgenutzt. In besonderen Streitfällen hat es sich bewährt, einen Sachverständigen zu beauftragen, die Kosten hierfür trägt meistens der Unterlegene. Im Übrigen ist der Reklamierende beweispflichtig, wenn er Behauptungen aufstellt und dem Anbieter die Schuld zuschiebt. Manche Kunden wollen für sich einen Vorteil herausholen.
Wer Kundenforderungen schriftlich ablehnt, muss erreichbar sein, denn der Kunde ruft nach Erhalt der Absage an. Eine Absage wird im Idealfall mit einem neuen Vorschlag, mit einem Entgegenkommen, einem Kompromiss verbunden. Der Reklamierende will genaue Hintergrundinformationen über die Absage. Bei einer Ablehnung reicht die übliche Formulierung „Wir bitten Sie um Verständnis“ bei Weitem nicht aus, der Kunde will genau wissen, warum seine Reklamation nicht anerkannt wird. Man kann sich dabei auch auf Branchenüblichkeiten berufen. Eine Absage ist eine Absage, da darf es am nächsten Tag keinen Rückzieher geben.
Preisnachlass als Kulanzangebot
Mit Kulanz betreibt man Kundenbindung und verhindert im Härtefall eine rechtliche Auseinandersetzung. Wenn es um einen kleineren optischen Oberflächenschaden geht, ist ein Austausch sehr aufwendig, man einigt sich dann auf einen Nachlass. Diese Schäden werden meist erst bei der Abnahme ermittelt und protokolliert. Der Reklamierende setzt beim Nachlass seine Forderung meist hoch an, der Handwerker wird einen Kompromiss vorschlagen. Ist ein Schaden nicht exakt in Geldwert berechenbar, kommt der Schätzwert infrage, oft über einen Gutachter. Meist wird auf- und abgerundet, eine Methode, die an den Teppichkauf im Basar erinnert.
Das Ergebnis wird schriftlich festgehalten mit dem Zusatz „Weitere Rechtsansprüche sind ausgeschlossen“. Kunden sind sehr gut übers Internet informiert, wenn es um Kulanzangebote im Bauwesen geht. Bei langjähriger und guter Zusammenarbeit mit dem Kunden erhält der Lieferant bei einer Reklamation nicht gleich die „rote Karte“.
Nach der Bauabnahme müssen „offene Mängel“ nicht ohne Weiteres nachträglich anerkannt werden. Hier gelten vor allem die juristischen Grundsätze. Eine Kulanzregelung muss ausdrücklich betont und als Ausnahme bezeichnet werden. Dadurch wird sie vom Kunden wertgeschätzt.
Pannen positiv erklären
Auch wenn Kunden nach Ursachen und Hintergrund fragen – über interne Pannen muss man nicht reden, das schadet dem eigenen Image. Kunden sind neugierig, sie wollen die Ursache der Reklamation wissen und stellen Fragen: „Kann das beim nächsten Auftrag wieder passieren?“, „Warum dauert die Lieferung so lange?“, „Hat die Qualitätskontrolle das nicht bemerkt?“, „Haben Sie denn keinen Lagerbestand?“.
Wer einen Fehler zugibt, ist zwar ehrlich, macht den Kunden aber misstrauisch, dieser befürchtet, dass das beim nächsten Mal wieder passieren wird. Er wird einen Vermerk in seiner Lieferantenbeurteilung machen. Spricht man über Personalmangel, meint der Kunde, der Arbeitsplatz des Lieferanten sei nicht attraktiv genug. Auch Personalprobleme können zum Verlust des Vertrauens führen. Muss man denn auf alle Fragen des Kunden eine Antwort geben? 
Tipp zum Thema: https://www.baumetall.de/baumetall-live/pfusch-macht-kunst