Teilnehmer der BAUMETALL-Workshopreihe, genauer gesagt des Workshops Ziselieren, werden es bestätigen: Gürtler- und Klempnermeister Manfred Schulze versteht sein Geschäft. Der im thüringischen Ronneburg ansässige Ausnahmehandwerker führt seinen Fachbetrieb in fünfter Generation. Seit jeher entstehen dort Ornamente, Zierelemente, Treibarbeiten und verschiedenste Ziselierungen in höchster Qualität. Zu Schulzes begeisterten Kunden gehören Kirchenbauämter, Gemeinden, Privatkunden und immer öfter auch Klempnerkollegen, die entsprechende Bauteile zukaufen und montieren.
Fast immer sind es Einzelteile. Fast immer entstehen sie nach Originalvorlagen. Und fast immer sind sie extrem aufwendig herzustellen. „Genau das zeichnet uns aus“, sagt Schulze stolz. Dass er einer der letzten seines Standes ist, legitimiert seine Aussage. Dass sein Sohn Steffen unlängst den Spengler-Meistertitel erhalten hat und die Korpusgürtlerei weiterführen wird, ist ein Glücksfall.
BAUMETALL-Besuch
Als ich Schulzes Refugium betrete, fällt mir vor allem eines auf: Jedes Werkzeug befindet sich an seinem Platz und jede Maschine ist in einem tadellosen Zustand. Vermutlich über 100 Jahre alte Dreh- und Drückbänke glänzen wie neu. Die daneben stehende Schlagschere ebenso. Und nur weil die blaue Lackierung der nagelneuen segmentierten Schwenkbiegemaschine von Schechtl nicht so recht ins hammerschlaggrüne Umfeld passt, sticht sie besonders hervor. Eine Augenweide der besonderen Art sind die in Reih und Glied aufgehängten Blechscheren, Zangen und Hämmer. In polierten Hammerfinnen, Bahnen und Kugelköpfen reflektiert sich das Neonlicht. An den teilweise extrem abgegriffenen Stielen erkenne ich, dass vermutlich jeder zweite Hammer manche Geschichte erzählen könnte, wenn er könnte. Muss er aber nicht, denn zum Glück ist Manfred Schulze da: „Einige dieser Schlagwerkzeuge hatten Gesellen in der Hand, die ich nicht mehr kennenlernen durfte. Lange vor meiner Zeit arbeiteten sie bei meinem Vater und davor bei meinem Großvater.“ Insgesamt 16 Gesellen hat er ausgebildet, sagt Schulze. Keiner von ihnen wollte bleiben. Wachdienstmitarbeiter, Fabrikangestellte oder Taxifahrer werden eben auch gebraucht. Vielleicht sogar öfter als Ziseleure. Dann nimmt Schulze einen besonders charismatischen Hammer in die Hand und erklärt, warum nur Ziselierhämmer diesen typischen, markanten Griff haben: „Jeder einzelne Hammerschlag muss punktgenau und mit exakter Schlagkraft platziert werden.“ Offensichtlich bedarf es dazu jahrelanger Erfahrung.
Rhythmische Hammerschläge
Schulze greift nach einem kreisrunden Zinnblech (kein Zinkblech!). Das Ausgangsmaterial für diverse Zinnkrüge oder Zinnteller stellt er selbst her – schmilzt die Legierungsbestandteile ein und walzt die selbstgegossenen Brammen so lange, bis Zinnbleche in der benötigten Stärke entstehen. In diesem Fall sind es 1,5 mm. Über einer Hohlform treibt er das Metall mit exakten Hammerschlägen, bis daraus ein segmentförmiger Kugelabschnitt entsteht. Dann dreht er das Werkstück um und legt es auf eine polierte Eisenfaust. Kreisförmig, von der Mitte nach außen arbeitend, setzt er einen Hammerschlag neben den anderen. Der Meister arbeitet überaus präzise und erstaunlich leise, aber dafür außerordentlich rhythmisch. Als Schulze wenige Augenblick später fertig ist, weist die Metalloberfläche eine sehr gleichmäßige, an Bienenwaben erinnernde Facettenstruktur auf. Jetzt weiß ich, was der Ziseleur unter punktgenauer Platzierung und exakter Schlagkraft versteht. Erfahrung ist eben durch nichts zu ersetzen!
Spaß am Lernen in der Destille
Wir gehen nach oben und betreten Schulzes Destille. Ich bin überrascht. Anstatt selbst gebauten kupfernen Destillations-Gerätschaften gegenüberzustehen, befinde ich mich in einer urig eingerichteten Wirtsstube. Kupferne Lampenschirme und ein Sammelsurium an kuriosen Einrichtungsgegenständen überfordern das Auge. Nach und nach sortiere ich mein Umfeld und denke: So etwas ist mindestens ebenso selten zu finden wie Schulzes Handwerkskunst. Auf den Fenstersimsen stehen Zinn- und Kupferkrüge – an den Wänden hängen Treibarbeiten. Besonderes Augenmerk verdienen der kupferne Tresen und ein direkt daneben stehender Kupfer-Badeofen. Schulze hält ein Glas unter den Kaltwasserauslauf und dreht den Hahn auf, aber anstatt kühlem Wasser kommt bläulich gefärbtes Hochprozentiges aus der Leitung. Dann wird der linke Hahn geöffnet und siehe da: Das nächste Glas füllt sich mit rot schimmerndem Feuerwasser. Prost!
Wie ein Klempner zum Gastronomen wird, möchte ich wissen. „Ich gebe mein Fachwissen gerne weiter“, sagt der Vollblut-Handwerker und weil zu seinen Ziselier- und Kunsthandwerk-Kursen mitunter mehrere wissensdurstige Kollegen auf einmal kommen, müssen diese ordentlich bewirtet werden. Das leuchtet ein! Ich sehe mich nochmals um, zähle die Tische und beschließe, einen der nächsten BAUMETALL-Treffs genau hier in Ronneburg zu planen.
Der 8. November 2018 …
… ist definitiv fixiert. Dann unterweisen Manfred und Steffen Schulze im Europäischen Klempner- und Kupferschmiedemuseum erneut begeisterte Teilnehmer in der Kunst des Ziselierens. Anmeldungen können per E-Mail an service@baumetall oder telefonisch unter (07 11) 63 67 24 04 vorgenommen werden. Wann der BAUMETALL-Treff in der Kunsthandwerker-Werkstatt mit angeschlossener Destille tagen wird und ob beziehungsweise wie viele Gäste zu diesem Treffen eingeladen werden, erfahren BAUMETALL-Leser natürlich zuerst!
Ziselieren – eine fast vergessene Kunst
Ziselieren ist eine der ältesten Techniken zur Verzierung metallischer Oberflächen. Ob auf Ritterrüstungen, Vasen, Tabletts oder Wandbildern – Ziselierungen machen aus jedem Metall etwas Besonderes. Bei der Bearbeitung wird das Ausgangsmaterial weder geschnitten noch spanabhebend bearbeitet. Stattdessen wird das Metall vorsichtig über eine weiche Unterlage mit Hammer und Punzen getrieben oder gedrückt. Workshopteilnehmer erfahren von Manfred Schulze, wie es geht.
8. November 2018 ab 10:00 Uhr im Klempnermuseum Karlstadt: 250,00 Euro inkl. MwSt. service@baumetall.de
Tel. (07 11) 63 67 24 04