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Wo das Dach fast zur Fassade wird

Unikat im Hinterhof

In Zürich-Aussersihl entstand der Erweiterungsbau eines Alterszentrums. Er steht in der Tradition von Hofgebäuden, hat aber die Erscheinungsform eines edlen, kleinen Gartenpavillons, was der Nutzung für Gemeinschaftsanlässe gut entspricht. Das ungewöhnliche, mit seinen geschwungenen Formen textil anmutende Mansardendach ist eine Spenglerarbeit der Extraklasse und verleiht dem Kleinbau seinen exotischen Charakter.

Das Werdgässchen verläuft durch den einstigen Kern des Arbeiterquartiers Zürich-Aussersihl. Heute wird die nähere Umgebung dominiert vom Bürohochhaus der Stadtverwaltung, doch die alte Blockrandstruktur ist noch weitgehend erhalten. Typisch für diese Struktur sind kleinere, niedrige Gebäude im Inneren entsprechender Hofbereiche. Sie unterscheiden sich in Alter, Ausmaß und Baustil. Viele davon sind reine Zweckbauten und beherbergen Werkstätten oder Lagerräume.

Im hier vorgestellten Hof realisierte die katholische Pfarrkirchenstiftung St. Peter und Paul einen interessanten Neubau. Er gehört zu ihrem Alterszentrum, einem siebengeschossigen Bau aus den 1970er-Jahren. Das neue Hofgebäude ist eine Reaktion auf das immer knapper gewordene Raumangebot im Bestandsbau. Es soll all jenen Nutzungen einen Ort bieten, denen das Alterszentrum wegen der gestiegenen Ansprüche nicht mehr gerecht werden konnte, insbesondere dem Bedarf an Räumen für gemeinschaftliche Anlässe. Außerdem soll der Kleinbau dem etwas verschlafen wirkenden Innenhof neues Leben einhauchen und die gesamte Nachbarschaft mit in die Aufwertung einbeziehen. Dazu wurden u. a. Zäune entfernt und eine durchgehende Gestaltung der Bodenfläche vorgenommen.

Inspiriert vom Biergarten

Die unterkellerte pavillonartige Struktur steht in einer Reihe mit anderen Hofbauten. Sie ist an ihren nördlichen Nachbarn angebaut, nach Süden grenzt sie an eine kleine Freifläche. Das Potenzial des Hofraums mit seinem Baumbestand ließ die Architekten an das Gemälde „Biergarten in Brannenburg“ von Max Liebermann (1847–1935) denken. Nach diesem Vorbild sollte etwas Leichtes, Luftiges entstehen.

Diese Wirkung wurde durch ein weitgehend verglastes Erdgeschoss realisiert und das Mansardendach realisiert. Das besondere Dach aus vorpatiniertem Kupfer mit einer Nordic-Green-Oberfläche spielt mit dem Formenvokabular. Es stellt etwas Neues, Auffälliges und dennoch Vertrautes dar. Die großen kreisrunden Fenster in dem sanft nach außen schwingenden Mansardendach sind eine Mischform von Lukarnen und Gauben. Der Dachbruch zwischen Haupt- und Mansardendach aus rot lackierten Kupferprofilen verläuft in Wellenform um die je vier Fenster der Längsseiten herum. Die Hauptdachfläche vollzieht dieses Auf und Ab nach und hat eine Sinusform, die zum First hin ausläuft. Der bewegte Verlauf dieser Dachflächen gibt dem Dach einen textilen Charakter und erinnert entfernt an ein großes Gartenzelt. Die nach Süden orientierte Giebelseite mit einem zentralen Fenster im selben Format ist als Walmdach gestaltet und verstärkt diesen Eindruck. Um diese prägnante Form nicht zu stören, wurde die Entwässerung der Rinne hinter die Fassadenbekleidung verlegt.

Spezialaufgabe

Für alle beteiligten Fachkräfte war dieses im Inneren stützenfreie Dach eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Tragstruktur besteht in erster Linie aus Rahmen, die die Dachkonstruktion mit den Sparren und dem Dachaufbau tragen. Die Wände sind aus einer Rahmenbaukonstruktion, in welche die Fenster montiert werden konnten. Die Rundungen wurden architektonisch auch im Innenbereich weitergeführt und als Gipsdecke realisiert. Das Team des ausführenden Züricher Spenglerfachbetriebs H. Kreiner AG war schon vor der Ausschreibung in das Bauprojekt involviert. Gemeinsam mit der Bauleitung, dem Architekten und dem Holzbauingenieur wurden Angaben für die Planung und Ausschreibung geschaffen. Außerdem war es bedeutsam, Detailskizzen zu erstellen, um die ästhetischen Anforderungen des Architekten umsetzen zu können. Der außergewöhnliche Dach- und Mansard-Fassaden-Aufbau besteht aus:

  • Holzfaserdämmplatte 40 mm
  • Unterdachfolie mit erhöhter Beanspruchung
  • Hinterlüftungsebene 40–270 mm
  • Konische Konterlattungen 40–270 mm
  • Verlegehilfe aus Holz, 27-mm-Mehrschichtplatte
  • Bauzeitabdichtung mit strukturiertem Wirrgelege
  • Doppelstehfalzdeckung in vorpatiniertem Kupfer mit
    Nordic-Green-­Oberfläche
  • Kommentar Jury

    Der Neubau ist ein gelungenes Beispiel für die Aufwertung eines Hofraums. Die Verwendung von Glas, Beton und vorpatiniertem Kupfer verleiht dem Gebäude einen eleganten Charakter. Die zeltartige Dachlandschaft mit geschwungenen und gerundeten Flächen, die teilweise fast wie eine Fassade wirken, ist ansprechend. Die Doppelstehfalzdeckung aus vorpatiniertem Kupfer und rot akzentuierten Profilen unterstreicht den festlichen Charakter des Hauses. Besonders lobenswert ist die handwerkliche Umsetzung der geschwungenen Details. Die sorgfältige Ausführung zeigt das hohe Maß an Liebe zum Detail und die Wertschätzung für die traditionelle Handwerkskunst. 

    Der für zahlreiche Mansarden typische Schwung ist kaum wahrnehmbar

    Bild: VDSS / H. Kreiner AG

    Der für zahlreiche Mansarden typische Schwung ist kaum wahrnehmbar
    Aus der Vogelperspektive erscheint das wellenförmige Kupferdach über­raschend homogen und strukturiert

    Bild: VDSS / H. Kreiner AG

    Aus der Vogelperspektive erscheint das wellenförmige Kupferdach über­raschend homogen und strukturiert
    Geschwungene Stehfalzflächen an Dach und Mansarde

    Bild: VDSS / H. Kreiner AG

    Geschwungene Stehfalzflächen an Dach und Mansarde

    BAUTAFEL

    Objekt: Hofgebäude, Werdgässchen 26, Zürich

    Bauherrschaft: Katholische Pfarreistiftung St. Peter und Paul, Zürich

    Architektur: Knorr & Pürckhauer Architekten ETH, Zürich

    Fachbetrieb: H. Kreiner AG, Zürich

    Konstruktion: Vorpatiniertes Kupfer, Nordic Green 0,6 mm belüftetes Mansardendach

    Holzbauplaner: Pirmin Jung Ingenieure AG, Rain

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