Wie soll man über etwas reden, das man mehr fühlt als bewusst wahrnimmt? Der Künstler Stefan Faas sagt von sich, dass „die Zeichnungen von selbst aus der Feder fließen“. Die Zeichnungen wiederum sind die Basis für etwas, das dann aber nicht so leicht fließt. Der im baden-württembergischen Keltern ansässige Künstler arbeitet mit Stahl: mit Cortenstahl und Spiegelstahl. Erhitzen, Stauchen, Kneten, Schleifen – zart besaitet ist die Herangehensweise an das Material nicht. Stefan Faas hat das von der Pike auf gelernt als Sohn des im Kunstschmieden versierten Vaters Siegfried Faas, der die inzwischen nach Keltern umgesiedelte Firma mit Schwerpunkt Kunstschmiede und Kunstschlosserei 1963 in Pforzheim gründete.
Heute liegt der Schwerpunkt des Metallbauunternehmens auf der Verarbeitung von Edelstahl. Und dort nehmen auch die oft großformatigen Faas-Skulpturen ihren Anfang. Denn mit dem handwerklichen Bearbeiten von Stahl und der damit einhergehenden Ausbildung bis hin zum Kunstschmiedemeister war es für den 1963 in Pforzheim Geborenen nicht ausgeschöpft, das Thema Stahl. Allein der Titel des über die Werbeagentur „raumkontakt“ und mithilfe der Kunsthistorikerin Regina M. Fischer veröffentlichten Buches über Stefan Faas und seine Kunst spricht schon Bände: „Die Seele des Stahls“ heißt es. Denn der Künstler empfindet es so, dass das Material fast schon eine Art Eigenleben hat, dass „etwas Tiefsinniges“ in ihm steckt. „Stahl geht zu einem gewissen Grad mit“, sagt er über dessen Bearbeitung. Aber wenn man es zu sehr biegen, verbiegen wolle, sperre es sich irgendwann und gehe kaputt. Und wenn es kaputtgeht, kann es sich heilen – noch so ein Phänomen. Stefan Faas weiß, dass durch einen Kratzer beschädigter Cortenstahl – der bis zu einem gewissen Grad roste und dann abrupt damit aufhöre – diese „Verletzung“ selbst heilen könne. Das sei dann wie beim Menschen, bei dem eine Narbe von einer tiefen Verletzung zeuge. Ohne dem Stahl allzu menschliche Züge überstülpen zu wollen, aber es klingt respektvoll, wenn er sagt: „Da muss noch was drin sein.“ Und dem nähert er sich oft auch im Schweiße seines Angesichts, denn Stahl zu bearbeiten ist kein Zuckerschlecken.
Metall wird Kunst
Stahl in die Kunst zu bringen ist aber auch kein Kinderspiel. Das war zumindest vor einigen Jahren noch so. Das dauert. Stefan Faas hat sich inzwischen über die Region hinaus einen Namen gemacht und sich ein Netzwerk von Galeristen von Lichtenstein bis Sylt aufgebaut. Selten macht es jemand so wie er, dass sich an die handwerkliche Herangehensweise ein Kunststudium anschließt. Er tastete sich mit einem Studium der Kunstgeschichte, Designwissenschaft, Ästhetik, Semiotik in Pforzheim auf das Terrain der Kunst vor. Zwei Mentoren haben sich dabei in sein Gedächtnis eingebrannt: Professor Hermann Stark und dessen Aussage, dass „eine Linie Kraft haben muss“, und Professor Manfred Schmalriede mit seiner Zeichentheorie. Seine künstlerische Handschrift mit oft „sagen-haftem“ Hintergrund aus der griechischen Mythologie etwa ist eindeutig und grenzt sich klar ab. Man weiß beim Betrachten – etwa der Cortenstahl-Skulptur „Antrhopocor Anthroposoph“ am Pforzheimer Seehaus Richtung Tiefenbronn –, „das ist ein Faas“.
Dessen ist sich der Künstler freilich bewusst: dass manche Betrachter sich erst in seine reduzierte Formensprache einfinden müssen. Dass diese zunächst nur Stahl sehen und Linien wahrnehmen – dann irgendwann trotz dieser minimalistischen Reduktion auf das absolut Notwendige erkennen müssen, dass in dem harten Material jede Menge Emotionen stecken. Der Kelterner Künstler hat sich die griechischen Mythologien durch den Kopf gehen lassen und die wiederum spiegeln sich – teilweise im wahrsten Sinn des Wortes in glänzend poliertem Spiegelstahl – jetzt in seinen skulpturalen Köpfen wider. Und in den im äußersten Fall bis auf sieben Meter lang gestreckten Körpern. (Anmerk. d. Red.: Hochglänzende Edelstahlskulpturen finden Sie auf www.stefan-faas.de.)
Auf die Perspektive kommt es an
Nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließt sich, dass der Mensch samt seinem Kopf voller Gedanken – das mit Gehirn versehene Körperteil steht im Mittelpunkt seines Interesses – im Fokus des künstlerischen Schaffens von Stefan Faas steht, so sehr reduziert er die Form. Aber dann macht es Plopp: Da spiegelt sich doch die eine etwa 50 Zentimeter hohe Skulptur im „Nachbarn“, und das sieht aus wie ein Profil mit ausgeprägter Nase. Und ja, eine weitere wirkt, als ob ein Frauenkopf die langen, nassen Haare über dem Kopf nach unten hängend austropfen lässt.
Und manchmal raucht es sogar ganz schön in den Köpfen: „Das ist ganz neu, dass ich den Stahl so lange erhitze, bis sich die Oberfläche verändert.“ Verbrannt, geschwärzt ist er. Eine vollkommen andere Wirkung haben diese Arbeiten, vor allem im direkten Vergleich zum Cortenstahl mit der natürlichen Patina und dem polierten Spiegelstahl. In Letzterem bringt sich vor allem der Betrachter ein, spielt der umgebende Raum eine Rolle, weil alles mit der Fläche kommuniziert.
Aber am besten kann man die Mythologien, die Geschichten von Pyramus und Thisbe, die „ihre Beziehung nur über einen Mauerspalt aufrechterhalten“, wie Stefan Faas sagt, in den meterhohen Skulpturen aus naturbelassenem Cortenstahl erkennen. Zuvor als Skizze festgehalten und mit Schablonen und Papierschnitten ausgearbeitet, schließlich Element für Element verschweißt und die Naht wieder unsichtbar gemacht, führen die Linien des Skulptur-Paares mal näher zusammen, mal wölben sie sich auseinander. Kanten (die Schultern sein können) umspielen sich. Laut der Pforzheimer Kunsthistorikerin Regina M. Fischer, die Stefan Faas schon lange kennt, ihm beratend sowie Kontakte knüpfend zur Seite steht, kann aufgrund der Linienführung sehr gut echte Paarbeziehungen mit der sich ständig verändernden Nähe nachvollziehen. Liebe, Hass und das alles – das sind Themen, die es von Anbeginn der Menschheit gab und die es immer geben wird.
Vom Entwurf zur Skulptur zur Ausstellung
Wenn Stefan Faas die Bleche und Platten aneinanderfügt, dann ist er eigentlich „gedanklich schon fertig mit dem Werk“, denn die intellektuelle Auseinandersetzung damit hat bereits mit dem Stift beziehungsweise der Skizze stattgefunden. Sein künstlerischer Weg funktioniert auf jeden Fall. 2018 hatte Stefan Faas so viele Ausstellungen wie noch nie auf seiner Agenda: die „NordArt“ Anfang Juni; in Wien in der für geometrische Formen bekannten Galerie „Artmark“ Ende Juni und im Landratsamt Enzkreis im September. 2017 hat er mit der Einladung zur 57. Biennale in Venedig seiner Meinung nach den „Ritterschlag“ erhalten. Corona hat auch in der Gruppe der Sammler für Zurückhaltung gesorgt, Ausstellungen stehen auf der Kippe – auch bekannte Künstler wie Stefan Faas wissen nicht, ob große anstehende Dinge im nächsten Jahr funktionieren werden.
Aber es ist auch mit viel Arbeit und anstrengenden Stunden verbunden. Wer mit Stahl arbeitet, muss mit dem harten Material klarkommen. Und dessen „Dagegenhalten“ beim Verformen akzeptieren sowie eine professionelle Genauigkeit an den Tag legen, wenn man nicht gießen, sondern „unsichtbar“ schweißen will. Stefan Faas hat keinen Liebling, schätzt die Arbeit mit dem auf Hochglanz polierten Spiegelstahl – bei dem ihn der Kontrast der „Flüchtigkeit des Spiegelbildes und die Dauerhaftigkeit des Materials“ faszinieren – ebenso wie die mit Cortenstahl. Letzterer hat aus seiner Sicht von der Selbstheilung abgesehen weitere interessante Eigenschaften. Dass sich der Cortenstahl in Rost-Tönen verfärbt, ist gewollt. „Warum das aber so unterschiedlich aussieht, kann ich nicht erklären“, sagt der Künstler und weist auf die Skulpturen hinter seiner Werkstatt im Gewerbegebiet Dietlingen. In der Tat: Das eine Cortenstahl-Paar ist mit einem getupften Muster überzogen, das andere erinnert eher an elegant sich aneinanderschmiegende Giraffenhälse. Da ist es wieder, das Unbewusste, dieses Mal beim Betrachter. Und beim Künstler das nächste Mal, wenn er den Zeichenstift ansetzt. Die Kraft des Unterbewusstseins, die Auswirkung des Unbewussten auf das künstlerische Schaffen wurde Stefan Faas erst so richtig bewusst bei der Arbeit an dem neuen Buch. Zum Beispiel die riesige Statue des „Vierkopfes“ in der Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha. Dieser unglaublich beeindruckende Anblick, wie Stefan Faas sagt, blieb in seinem Gedächtnis und floss dann irgendwann aufs Papier – heute in der Skulptur „Anthropomir Tesserakt CI“ in Spiegelstahl zu sehen. Die Moai-Skulpturen auf der Osterinsel wiederum hat er nicht selbst angeschaut, aber sie sind dennoch in seinem Kopf und nun in den neuesten Arbeiten mit überzeichneten Köpfen – dieses Mal in Cortenstahl gefertigt – zu sehen. „Das wiederum könnte ich mir als Gruppe im Grünen vorstellen“, sagt er. Auch wenn das Unbewusste immer wieder Neues ans Tageslicht spült: Es bleibt immer der Mensch und das Menschliche, was den Künstler umtreibt. 
Info
Stefan Faas
Zielstrebig hat der 1963 in Pforzheim geborene und in Keltern lebende Stefan Faas auch seine künstlerische Laufbahn gestaltet – er ließ sich erst zum Kunstschlosser und Kunstschmied ausbilden, machte seine Meisterprüfung, hängte dann ein Studium an der Fakultät für Gestaltung in Pforzheim an und kniete sich in Themen wie Designwissenschaft, Kunstgeschichte, Schmuck- und Gerätedesign. Seit 1991 arbeitet Stefan Faas als freischaffender Künstler und hat sich hier ebenfalls konsequent der schmiedetechnischen Verformung von Stahl in glühendem Zustand verschrieben.