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Villa Europa

Funktion trifft Ästhetik

Die Villa Europa ist ein imposanter Gebäudekomplex im Saarbrücker Ortsteil Rotenbühl. Das herrschaftliche Gebäudeensemble auf dem parkähnlichen Grundstück wird vorrangig durch die Verwaltung der Deutsch-Französischen Hochschule genutzt. Das zweigeschossige Hauptgebäude schmückt ein abgewalmtes Mansardendach mit Schieferdeckung. Die Fronseite prägt ein Mittelrisalit, die Rückseite eine runde Auslucht mit Turmdach. Rund zwei Dutzend Dachgauben zieren das Mansardendach und verleihen der Villa Europa einen stilvollen Charakter. Die facettenreiche Dachlandschaft bietet Wind und Wetter viele Angriffspunkte. Der Zahn der Zeit nagt immer stärker an der Dacheindeckung. Vereinzelte Nachbesserungsarbeiten sind nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt. Die Folge: Durch undichte Stellen dringt teilweise bereits Feuchtigkeit in das Gebäude ein. Eine grundlegende Sanierung der bestehenden Schiefer- und Metalleindeckung ist unausweichlich.

Im Herbst 2012 wird der Saarbrücker Fachbetrieb Güth mit der Dachsanierung der Villa Europa beauftragt. Das Familienunternehmen verfügt über langjährige Erfahrungen in der Denkmalpflege und hat schon viele Baudenkmäler fachgerecht saniert. Die zentrale Herausforderung beim Bauvorhaben Villa Europa: Die Dachsanierung soll nach anerkannten Regeln der modernen Technik erfolgen und gleichzeitig alle Aspekte des Denkmalschutzes berücksichtigen. Daher wird die Schiefereindeckung in altdeutscher Deckart ausgeführt. Die Metallanschlüsse werden hauptsächlich aus Walzblei mit einer Materialstärke von 2,5 mm angefertigt. Gerade die An- und Abschlüsse der einzelnen Teildachflächen erfordern eine besonders hohe handwerkliche Ausführungsqualität. Deshalb erneuern die Handwerker von Güth zum einen vorhandene Walzblei-Eindeckungen und decken darüber hinaus weitere sensible Dach- und Kehlbereiche mit dem Traditionswerkstoff ein. Die Bleiarbeiten werden im Zeitraum April bis August 2013 ausgeführt. Insgesamt werden rund 3t Walzblei verarbeitet.

Turmdach rundum erneuert

Besonders anspruchsvoll ist die Neueindeckung des helmartig geformten Turms auf der Rückseite des Hauptgebäudes. Ursprünglich war der rund 20 m2 große Traufbereich mit Schiefer eingedeckt. Aufgrund der geringen Dachneigung von unter 15º schlägt der Dachdeckerbetrieb Güth vor, den Traufbereich mit 2,5-mm-Walzblei einzudecken. „Bei flachen Dachpartien hat sich die Bleiholzwulstdeckung als langlebige Verwahrung bewährt“, betont Bauleiter Peter Letzel. Handwerklich herausfordernd ist die runde und konkave Wölbung des Turmdaches. Konsequenz: Jede Walzbleischar muss in der Länge und Breite individuell angefertigt werden.

Aufgaben vor Ort

Zunächst werden die alte Schieferdeckung und die bestehende Trennlage und Holzschalung abgetragen. Die Dachschalung wird komplett mit Nadelholz in einer Dicke von 30 mm erneuert. Dann wird als Vordeckung eine 4mm starke Bitumenbahn mit Glasgewebeeinlage aufgetragen. Für die Holzwulstdeckung verwenden die Handwerker etwa 30 gerundete Hartholzleisten mit einer äußeren Abmessung von 40 x 40 mm. Der Holz­wulst ist in der oberen Hälfte halbrund geformt und verjüngt sich in der unteren Hälfte, um thermische Längenänderungen der Bleibleche aufzunehmen. Die Leisten werden jeweils alle 30 mm eingeschnitten und vorgebohrt. Dann werden sie radial im Abstand von rund 75 cm angeordnet und mit Edelstahlschrauben auf der Unterkonstruktion befestigt. Als Traufabschluss werden segmentweise Vorstoßbleche aus Edelstahl montiert, um die Bleibleche darin einzuhängen.

Die Bleischaren werden in der Werkstatt vorgefertigt und in den meisten Fällen auf der Baustelle final angepasst. So lassen sich die Scharen exakt auf die konische Einbausituation hin zuschneiden und kanten. Danach werden die einzelnen Bleischaren auf dem konkaven Untergrund angeformt. Anschließend erfolgt die eigentliche Stoßausbildung. Die seitlichen Aufkantungen der Bleischaren werden unter Einarbeitung von Haften über die Holzleisten getrieben. Setz- und Klopfhölzer erlauben präzise Treibarbeiten und reduzieren die Gefahr von Materialbeschädigungen. Unmittelbar nach der Verlegung wird die komplette Bleieindeckung mit Patinieröl behandelt. Kommt die metallisch blanke Oberfläche mit Wasser in Kontakt, kann sich Bleiweiß bilden, was in Form von unschönen Schlieren auf unterliegenden Deckmaterialien sichtbar wird. „Der einmalige Einsatz von Patinieröl wirkt diesem Effekt entgegen und schützt das Material bis zur Bildung der natürlichen Patina“, erläutert Letzel.

Ebenso wie das Hauptdach wird auch das Turmdach mit Schiefer in altdeutscher Deckung eingedeckt. Zum Einsatz kommen insgesamt rund 24000 kg Decksteine von normalem Hieb. Aufgrund der Sonderform des Turmdaches wählen die Handwerker eine höhere Überdeckung. Die Höhen- und vor allem Seitenüberdeckung beträgt rund 40 % der Steinhöhe. Den Abschluss zur Turmspitze aus Kupfer hin bildet wiederum Walzblei. Die Blei­bleche werden sorgfältig an jeden einzelnen Deckstein angepasst.

Fledermausgauben in Blei gehüllt

Die Holzverschalung des Hauptdaches ist weitgehend intakt und wird punktuell ausgebessert. Als Unterdeckung wird eine diffusionsoffene Schalungsbahn gewählt. Bevor die Schiefereindeckung der rund 430 m2 großen Hauptdachfläche vonstattengeht, werden die Kehlen der aufstehenden Fledermausgauben hergestellt. Wie der Traufbereich des Turmdaches verfügen sie nur über eine sehr geringe Neigung. Eine Schiefereindeckung bietet bei einer Unterschreitung der ­Regeldachneigung keinen verlässlichen Witterungs- und Feuchtigkeitsschutz. Folgerichtig werden die vier Fledermausgauben komplett mit Walzblei in der Falztechnik eingedeckt. Die Kehlsegmente werden mit Überdeckung von 200mm und Vorstoßblechen hergestellt.

Im nahezu ebenen Firstbereich werden die Nähte der Segmente vor Ort geschweißt. Hierbei werden die Verbindungen mit Bleistreifen als Lot ausgeführt. Die geschweißte Bleinaht erhält die gleiche Patina wie das Blech, wodurch eine optisch homogene Lösung erzielt wird. Zudem hat die geschweißte Verbindung dieselbe Längendehnung und Festigkeit wie das Bleiblech. Ein Flussmittel ist nicht erforderlich. Beim Bleischweißen ist keine Überlappung der einzelnen Verbindungsteile erforderlich. Die Bleibleche werden durch eine gestoßene Naht sicher miteinander verbunden. Zur Vorbereitung werden die Bleibleche und der Schweißdraht durch Schaben von allen Schmutz-, Fett- und Oxidschichten befreit. Danach werden die zu verbindenden Bleche ähnlich dem Löten punktgeheftet. Anschließend erfolgt das Durchschweißen der Naht.

Im nächsten Arbeitsgang wird das gesamte Hauptdach mit Schiefer in altdeutscher Deckung eingedeckt. Dann werden die Brustbleche der ca. 2,0m breiten Fledermausgauben montiert. Die Handwerker wählen eine zweiteilige Ausführung mit einer Querverbindung als seitliche Überlappung. So wird das maximal zulässige Maß der Bleischare eingehalten. Die Wangen und Dächer der Gauben werden in einer dreiteiligen Konstruktion eingedeckt. Dadurch sind Kanthölzer am Firstpunkt der Fledermausgauben entbehrlich. Die Bleibleche werden im vorderen Bereich in eine Wulst eingefalzt. Die seitlichen Schare befestigen die Dachdecker an der jeweils oberen Blechkante, und zwar durch Hafte, die direkt auf der Deckunterlage fixiert werden. Die obere Schar wird durch ca. 50mm breite Hafte in den Längsverbindungen befestigt.

Fazit

Neben der Fachkunde und Erfahrung des ausführenden Betriebs diente das Handbuch für die Verarbeitung von Saturnblei als zusätzliche Orientierungshilfe. Der Leitfaden erläutert anschaulich die Grundlagen und Ausführungstechniken beim Einsatz von Walzblei. Das Handbuch ergänzt die gültigen Fachregeln und gibt detaillierte Verarbeitungstipps, die einen sicheren Materialeinsatz gewährleisten. Nach insgesamt rund 5400 Arbeitsstunden mit durchschnittlich fünf bis sechs Facharbeitern ist die Sanierung vollbracht. Das Ergebnis ist ein technisch und optisch ausgereiftes Gesamtwerk. Viele anspruchsvolle Ausführungsdetails sichern den Fortbestand der Villa Europa für die kommenden Jahrzehnte.

AUTOR: Maximilian Hoh

BAUTAFEL

Projekt: Dachsanierung Villa Europa im Saarbrücker Ortsteil Rotenbühl

Bauherr: Landesamt für Zentrale Dienste, Amt für Bau- und Liegenschaften, Saarbrücken

Architekt: Dipl.-Ing. Rudolf Blatt, Saarbrücken

Fachbetrieb: Güth GmbH & Co. KG, Saarbrücken

Material: RAL-geschütztes Saturnblei in 2,0 und 2,5 mm Stärke, Patinieröl

Hersteller: Gütegemeinschaft Saturnblei e.V., Krefeld, https://saturnblei.de

Fotos: Gesamtansicht Villa Europa © AnRo0002 (CC0 1.0)/Wikimedia.org Alle weiteren Fotos © Güth GmbH & Co. KG

INFO

Warnsignale frühzeitig erkennen

Walzblei ist ein sehr robuster Werkstoff, der nur bei unplanmäßigen Ereignissen Schaden nehmen kann. Wer auf die ersten Anzeichen hin reagiert, kann viele Defekte verhindern oder vergleichsweise einfach reparieren. Unplanmäßige Fremdeinflüsse können aber auch Walzblei zu schaffen machen. Dazu zählen etwa eine starke Sturmsaison, ein nachträglicher Ausbau des Dachgeschosses oder eine veränderte Nutzung der Innenräume. Bauplaner und Verarbeiter sollten in diesen Fällen sicherheitshalber auf eine Kontrolle der Walzblei-Eindeckungen drängen. In vielen Fällen klärt schon eine kurze Dachbegehung, ob Defekte an den Bleiarbeiten zu befürchten sind. Kommt es zu Schäden, so kündigen sie sich in den meisten Fällen im Vorfeld an. Die Gütegemeinschaft Saturnblei e.V. hat drei typische Anzeichen für auftretende Schadensbilder zusammengestellt.

Aufwölbung: Walzblei haftet durch ein hohes Eigengewicht auch ohne Einsatz von Klebemitteln. Die traditionelle Falztechnik sichert passgenaue und stabile Befestigungen. Durch extreme Sturmböen und Fallwinde kann es zu Aufwölbungen kommen. Viele Aufwölbungen lassen sich im frühen Stadium leicht beheben. Praxistipp: Betroffene Überlappungen und Hafte mit einem Klopfwerkzeug nacharbeiten, sodass die Bleche wieder plan anliegen. Gegebenenfalls zur Verstärkung noch ein Zusatzblech verlegen.

Gelbliche Verfärbung: Walzblei läßt sich mit nahezu allen Baumaterialien gut kombinieren. Doch Niederschlagswasser von kalk-, zement- oder bitumenhaltigen Baustoffen darf nicht über Bleibleche geleitet werden. Es drohen Korrosionen, die sich durch eine gelbliche Färbung ankündigen. Praxistipp: Die gesamte Dachentwässerung überprüfen und Bleibleche gegebenenfalls durch einen zusätzlichen Anstrich schützen.

Weißliche Verfärbung: Der nachträgliche Ausbau des Dachstuhls oder neu beheizte Innenräume von Sakralbauten können ungeahnte Folgen haben. Bei einer veränderten Raumnutzung droht Feuchtigkeit unter den Bleiblechen und mittelfristig Korrosionen. Ein Indikator hierfür sind weißliche Ablaufspuren unterhalb der Bleibleche. Praxistipp: Es ist schnell für eine ausreichende Luftzirkulation zu sorgen. Gegebenenfalls Dampfsperre und Hinterlüftung nachbessern.

Die Warnsignale sind eine gute Orientierungshilfe. So können aufmerksame Bauplaner und Handwerker frühzeitig gegensteuern und oft größere Schäden an der Bausubstanz abwenden. Viele Defekte lassen sich in ihrer Frühphase vergleichsweise einfach reparieren. Doch tritt ein Warnsignal auf, sollten Handwerker die Dachpartien sicherheitshalber im Auge behalten und nach spätestens einem Jahr nachkontrollieren.

Autor

Maximilian Hoh

Fachautor der Agentur conovo ­media in Köln, zuständig für die ­Themen ­Immobilien, Bauen, Wohnen.

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