Manche haben die besten Ideen unter der Dusche. Andere beim Autofahren. Zu Letzteren gehört der Pforzheimer Künstler René Dantes (58). „Bei einer Autofahrt habe ich über die Zukunft nachgedacht und darüber, was ich die nächsten fünf bis zehn Jahre machen möchte.“ Da wurde ihm klar: „Solange ich noch die Kraft habe, möchte ich wieder Großskulpturen machen.“ Auf gut Deutsch: über das normale Maß (von maximal 2,50 m) hinauswachsen. Sozusagen. Ein Ansporn, eine Herausforderung, etwas, das Maximales fordert vom Künstler. Und natürlich auch die Möglichkeit bietet, sozusagen den ganzen Teppich auszurollen, ein Thema ohne räumliche Beschränkung auszuloten, auszuleben, zu Ende zu denken. Und genau das tut er nun im Kurpark der Glücksgemeinde Schömberg. Die Gemeinde war schon einmal vor zwölf Jahren Partner für eine Ausstellung. Seit Mitte Juli und auf jeden Fall noch mindestens bis in den Herbst hinein ist sie das nun erneut, und so hat René Dantes dort die Möglichkeit genutzt, um einen „Secret Garden“ zu gestalten – die Dauerleihgabe „Calla“ am Eingang neben dem Kurhaus mit eingerechnet sind es 17 Skulpturen.
Wo Metall mit dem Umfeld kommuniziert
Es ist, als ob der Pforzheimer Künstler eine große Tüte mit Skulpturen-Samen über dem Kurpark ausgeschüttet hätte. Freilich nicht willkürlich. Seine überwiegend neuen Arbeiten mit Titeln wie „Cascade“, „Arbre“ (Baum) oder auch „Loop“ scheinen mit den alten Bäumen des Parks nach oben zu streben. Es ist fast, als könnte man das Knistern und Knarzen des Edelstahls und Cortenstahls beim ausdehnenden Wachstum hören. Andere wie die „Loop“-Skulpturen greifen die kugeligen Formen der Zierhecken auf, „Calla“ ist gerade erst dabei, ihre Blütenblätter zu entfalten, während die Blumen am Beet beim Springbrunnen bereits einen Vorsprung haben.
Als René Dantes gebeten wurde, in der „KF“ (wo er auch sein Atelier und den Showroom hat) Skulpturen einzubringen, habe man angedeutet, dass es ja sicher kein Problem sei, dafür aus seinem Repertoire flugs etwas zu übernehmen. Das geht natürlich nicht, wie er erläutert. Die Kunst muss mit dem Raum kommunizieren, sie darf nicht aufgesetzt wirken oder gar falsche Proportionen aufweisen. So verhält es sich auch mit dem Kurpark in Schömberg. Da war die Fantasie des Künstlers gefragt, denn „ich musste mir ja vorstellen, wo welche Skulptur stehen könnte“. Aus dem Kopf und mit der reinen Vorstellungskraft, wie im Miniatur-Modellbau, das ist nicht seine Art, an so etwas heranzugehen. Von der Idee bis zur Realisierung hat der Künstler sich einen Zeitraum von gut zwei Jahren ausbedungen. Bis zu diesem Ausstellungsprojekt stand der Mensch im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens von René Dantes.
Beobachten zum „Zuhören“
Dass Bäume untereinander kommunizieren, ist spätestens seit den Veröffentlichungen eines Peter Wohlleben bekannt. Offenbar haben sie aber auch mit René Dantes gesprochen, der vor ein paar Jahren begann, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und „meinen eigenen Kosmos“ hinzuzufügen. Sprich: sie zu interpretieren, ihnen eine abstrahierte Form zu geben. Auch bei seinen „Menschen“ ist es nicht so, dass sie auch menschliche Züge tragen müssen. Die Bäume sind in ihrer Form lediglich ein Ausgangspunkt für das künstlerische Wachsen in und an diesem Projekt. Das Interesse an „vegetabilen Formen“ hat René Dantes aber auch einiges Kopfzerbrechen bereitet. „Zwischendurch bin ich fast verzweifelt“, erzählt er lachend. Einen Stamm und Äste zu kreieren, das wäre aus seiner Sicht „ein toter Baum“ gewesen. Die ersten Entwürfe, verrät er, waren „entseelt“. Er habe sich dann besonnen, was eigentlich einem Baum und einem Grashalm zugrunde liege, was sie vereine. Und kam zu dem Schluss, dass es das Wachstumsprinzip sei, dass alles aus etwas anderem hervorgehe. In die Breite, in die Höhe wachse, Raum einnehme. Und so wuchsen seine Cortenstahl-Bäume „Arbre“ in die Höhe, wie ineinander verschachtelte Pflanzenteile. Eine „innere Kraft“ ausstrahlend, wie der Künstler nun zufrieden feststellt. Da bewegen sich Linien, verschiedene Corpusse aufeinander zu, lassen innere Dynamik spürbar werden. Ein paar abstrakte „Köpfe“ drängen den Eindruck auf, als Wächter mit Visier das Geschehen im Blick zu haben.
Zudem hat er seine „Loop“-Serie weiterentwickelt. Die Skulpturen sind „keinen Pflanzen zuzuordnen, aber sie haben organische Formen“. Formen, die guttun, findet René Dantes. Und das empfinden offenbar auch die Besucher, die mit dem Künstler ins Gespräch kommen, wenn er „seine Kinder“ besucht. Und dabei auch gern mal Blütenstaub oder Schmutz von den Skulpturen wischt. Der Dialog mit Betrachtern ist etwas, das René Dantes schätzt. „Dabei kommen immer mal wieder neue Fragen“, sagt er. Und natürlich auch oft ähnliche. Die nach der Dauer von der Idee bis zur Realisierung zum Beispiel. Oder nach dem Material. Das übrigens, so sagt er, sei im zweiten Jahr der Pandemie immer schwerer zu beschaffen. Das hat seinen „Secret Garden“ nicht tangiert. Nun freuen sich der Künstler und andere über „die Bereicherung für den Ort“ und über eine Ausstellung, von der er hofft, dass sie auch Besucher von außen anlockt. Er zumindest habe sich, so Dantes, „einen Traum erfüllt“. 
Info
Secret Garden
Die Formenwelt des Bildhauers René Dantes kann seit dem 16. Juli und bis zum 30. November 2021 im Kurpark Schömberg, Schwarzwaldstraße, 75328 Schömberg, besichtigt werden.