Berichte von Baustellen mit Seeblick können durchaus Fernweh verursachen. Erst recht, wenn farbenprächtige Fotos eine romantische Abendstimmung zeigen und Klempnerarbeiten im lichtgefärbten Wasser widerspiegeln. Um solche Augenblicke zu erleben, müssen Klempner aus Württemberg nicht unbedingt in die Südsee auswandern. Auch im Wasser des schwäbischen Meeres spiegelt sich so manche gelungene Klempnerarbeit. Beispielsweise der kupferne Turm einer kleinen aber feinen Villa in Langenargen. Sozusagen nur einen Schaleisenwurf vom Bodenseeufer entfernt, befindet sich das Dach des um 1915 erbauten Schmuckstückes. Die Villa war in die Jahre gekommen und musste komplett saniert werden. Ursprünglich wurde in der Ausschreibung für die neue Kupferbedachung des achtseitigen Turmes eine Querbanddeckung gefordert. Allein der Gedanke an diese handwerklich zwar einfach herzustellende, jedoch von Klempnerästhetik weit entfernte Lösung, verursachte bei Klempnermeister Martin Fiederer aus Ravensburg mehr als nur Kopfzerbrechen. Nach einigen Diskussionen mit dem Landesdenkmalamt führten die Klempner der Fiederer GbR schließlich in Anlehnung an die Originaleindeckung eine vertikal verlaufende Stehfalzeindeckung aus.
Vorbeugende Bohrung
Bei den Abrissarbeiten der alten Turmdeckung aus verzinktem Stahl zeigten sich massive Durchrostungen an den Querfalzen. Diese Durchrostungen entstanden durchweg auf der Materialinnenseite und wiesen somit auf Feuchtigkeitseinzug, bedingt durch Kapillarwirkung, hin. Bei einem Beratungsgespräch mit KME-Kundenberater Berthold Zürn, erhielten die Klempner um Klempnermeister Guido Huber einen wertvollen Hinweis. Durch die Herstellung einer etwa 6 mm messenden Bohrung an der Querfalzunterseite entsteht eine Auslaufebene. Eingetriebenes Wasser kann somit leicht wieder aus der Falzung entweichen, ohne dass die Konstruktion Schaden dabei nimmt. Nachdem die Dachrinne mit freiem Auslauf gegen die Hauptdachfläche angebracht war, konnten die entsprechend vorbereiteten Scharen montiert werden. Zur Befestigung auf der Vollholzschalung entschieden sich die Dachprofis aus Ravensburg für den Einsatz von Hosenhaften aus Edelstahl. Bei der klassischen und örtlich hergestellten Stehfalzausführung eine gute Wahl. Um Materialverspannungen zu vermeiden, wurden die einzelnen Scharen entsprechend sorgfältig gestreckt und gestaucht. Dazu kamen die bewährten Streckwerkzeuge von Eckhold ebenso zum Einsatz wie diverse Schweifhämmer und Schaleisen. Besondere Sorgfalt war am Anschluss an die bibergedeckte Hauptdachfläche gefordert. Die mehrteilige Kehle wurde ohne Vertiefung, jedoch in der nötigen Zuschnittbreite und mit verlöteter Nahtausbildung eingebaut. Besonders die Schnittstelle von Rinne, Kehlprofil und Ziegeldeckung ist in diesem Zusammenhang zu nennen. An diesem Punkt sorgt die durchgehende Dachdeckung für Sicherheit und die fachgerechte Einbindung des Kehlauslaufs sowie der schräg angeschnittene Rinnenauslauf für eine ansprechende Optik.
Ein Wermutstropfen
Nach Fertigstellung dieser besonderen Arbeit an einem besonderen Platz sorgte ausgerechnet das Abschlussdetail für einen bitteren Beigeschmack. Über der neuen Kupfereindeckung sollte die alte, verzinkte Dachspitze wieder montiert werden. Das Klempnerteam, dem auch Sascha Scholpp, Guido Huber und Azubi Alexander Widowski angehörte, schluckte die Entscheidung der Auftraggeber jedoch nicht ohne weiteres hinunter. Auch Martin Fiederer wollte sich mit der verzinkten Dachspitze auf dem neuen Kupferturm nicht anfreunden und erstellte kurzerhand ein Nachtragsangebot über eine kupferne Dachspitze mit vergoldeter Kugel. Leuchtend schön würde sich diese im Wasser des nahegelegenen Sees spiegeln und ganz nebenbei ein schönes Foto für die Referenzliste liefern. Leider leuchtete am Schluss nur der Rotstift der Auftraggeber und für das Farbenspiel auf dem See ist nach wie vor allein die Abendsonne zuständig.
Martin Fiederer ist Klempnermeister und Geschäftsführer der Fiederer GbR Dach + Wand, Ravensburg