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Restaurierung der Zinkornamente des „Grand Magasins du Printemps“

Teamarbeit mit starker Leistung

Fünf kreisrunde und reich verzierte Ochsenaugen begrüßen Mitarbeiter und Besucher der Münchner Ornamentenspenglerei Lorenz Sporer. Auf den Abtransport nach Paris wartend, stehen die imposanten Zinkornamente vor dem Eingangsbereich des alteingesessenen Unternehmens. Der erste Eindruck ist außergewöhnlich. Nachdem ich die wie Türwächter wirkenden Zinkornamente passiert habe, drücke ich die eiserne Klinke der hölzernen Eingangstüre nieder. Geräuschvoll schiebe ich den schweren Türflügel auf und stehe urplötzlich in einer anderen Spenglerwelt. Überall stehen hölzerne Schablonen, verschiedenartige uralte sowie nagelneue Ornamente, Dachaufsätze oder Rosetten. Irgendwo zischt leise ein propangasbetriebener Lötbrenner. Der Geruch von verbranntem Lötwasser steigt mir in die Nase. An einer Werkbank sitzt ein junger Spengler mit einem Lötkolben in der Hand. Fast goldschmiedegleich fertigt er kleinste schneckenförmige Zierelemente an und ist dabei derart vertieft in seine Arbeit, dass er mich kaum beachtet. Ich sehe mich weiter um, höre das Summen eines Bandschleifers und folge dem vertrauten Geräusch in dieser doch so fremd wirkenden Umgebung. Ein anderer Ornamentenspengler ist gerade mit dem Entgraten weiterer Bauteile beschäftigt, wo ihm ein Zink-Löwenkopf neugierig über die Schulter schaut: „Dieser Löwenkopf ist etwa 100 Jahre alt, strahlbehandelt und aus Zink getrieben“, erklärt mir Helmut Becher, der plötzlich neben mir steht. Der Spenglermeister schildert, dass nach dem schonenden Glasperlen strahlen durch Korrosion verursachte kleine Poren und Löcher sichtbar werden und einige Elemente des Löwenkopfes aus etwa 0,8 mm starkem Zink bestehen, das Schild über dem Kopf ist aus Zinkguss hergestellt. Inzwischen ist auch Firmeninhaber Albert Sporer in der Werkstatt eingetroffen und fügt hinzu: „Schon früher wurde gespart. Weil die Akroterien, Zwischenfriese und das Schild über dem Löwenkopf sehr tief und scharfkantig sind, hatten sich unsere Vorgänger an diesem Löwen-Fries für eine kostengünstige Zinkgusslösung entschieden. Wir werden die gegossenen Teile restaurieren oder, falls nicht mehr möglich, nachgießen. Für die Löwenköpfe treiben wir neue Einzelteile aus 1,00-mm-Ornamentenzink und werden diese später so zusammensetzen, dass die Nahtstellen möglichst verborgen bleiben.“

Sanierung einer Pariser Bauschönheit

In der Ornamentenspenglerei Sporer stehen weitere Ochsenaugen, Löwenköpfe und Girlanden aus Zink. Die Ornamente gehören zu einem von acht Türmen des altehrwürdigen Pariser Kaufhauses „Au Printemps“ am Boulevard Haussmann, unweit der Galerie Lafayette, einem ebenfalls bekannten Pariser Warenhaus. Aktuell wird das 1865 erbaute Printemps aufwendig restauriert. Vor allem die Gauben und Turmbekrönungen samt prunkvoller Zinkornamente haben im Laufe der Zeit starke Schäden erlitten. Einige Zierstücke drohten gar in die Tiefe zu stürzen, weshalb zum Schutz der Passanten unschöne Netze über die Gauben gespannt wurden. Bekannt ist das Printemps auch für seine 1923 errichtete Jugendstil-Glaskuppel, unter der sich heute das Café Flo befindet. Seit 1975 gelten Fassade und Kuppel des Kaufhauses offiziell als historisches Monument. Den umfangreichen Auftrag zur Sanierung der Turmhaube erhielt die Lorenz Sporer GmbH, welche die Firma Kaufmann aus Neu-Ulm als Subunternehmer ins Boot holte, um eine termingerechte Lieferung bei dieser umfangreichen Arbeit zu erreichen. Schon öfter wickelte das eingespielte Firmenduo Aufträge wie diesen ab – beispielsweise bei der Rettung des Thermengebäudes im französischen Evian (siehe BAUMETALL 3/2007) – doch keiner dieser Aufträge gleicht dem anderen.»

Schlagkräftiges Firmenduo

In der Bauornamentenabteilung des Handelshauses Kaufmann beschreibt Harald Szimeth, Geschäftsführer der Kaufmann-Baumetalle GmbH Arbeitsschritte, die nahezu in Vergessenheit geraten sind: „In mühevoller Kleinarbeit erstellen wir in Ulm und bei Sporer in München aufwendige Schablonen, fertigen Abdrücke von den Originalen an und gießen entsprechende Muster. Ferner müssen hunderte, der Rundung angepasste Zinkschindeln hergestellt werden, die zur Eindeckung der Turmhaube vorgesehen sind. Dort werden fünf riesige Ochsenaugen eingepasst, die ringsherum reiche Verzierungen aufweisen. Unzählige Schnecken, Girlanden und Zierschilder sind herzustellen. Alleine die Girlanden unterhalb der umlaufenden Eisengitter-Brüstung müssen mit jeweils 160 Zinkblumen besetzt werden – ein unvorstellbar hoher Aufwand. Und weil die französische Denkmalschutzbehörde außergewöhnlich streng ist, werden auch die nicht einsehbaren Girlanden-Rückseiten originalgetreu rekonstruiert und entsprechend verziert. Doch damit nicht genug: Oberhalb der gewundenen Eisensäulen beginnt unsere Arbeit erneut und zwar mit getriebenen Zinkrundbögen, um schließlich nach weiteren Verzierungen am Sockel der Windfahne zu enden“.

Weil diese Leistungen innerhalb der geforderten Lieferzeit von einem Unternehmen nicht zu schaffen sind, schließen sich die Ornamentenspezialisten aus München und Neu-Ulm zu einem starken Team zusammen. Um alle Bauteile originalgetreu rekonstruieren zu können, demontierten die Ornamentenspengler aus Deutschland zunächst vorhandene Ochsenaugen, Girlanden, Löwenköpfe und mehr. Diese Originale dienen später als Vorlage bei der Herstellung zahlreicher Formen und Abdrücke. Die Herstellung der Hilfsmittel sowie der neuen Ornamente und Bauteile erfolgt zeitgleich in den Werkstätten bei Sporer und Kaufmann. Nach einer Einweisung durch die deutschen Spezialisten werden dann die neuen beziehungsweise restaurierten Bauteile von UTB aus Paris-Pantin vor Ort montiert.

Hintergrundwissen Fallwerk

Fallwerke stammen aus einer Zeit, in der es noch keine motor- oder hydraulisch betriebenen Pressen gab. Ein Fallwerk ist eine Erfindung aus der frühen Zeit der Industrialisierung des Maschinenbaus. Seinerzeit wurden alle Maschinen, von der Ständerbohrmaschine bis zur Balkensäge, über Riemengetriebe angetrieben. Die konstruktiven Wurzeln solcher als Transmissionen bezeichneten Antriebe reichen bis in die Antike zurück und manch bis heute erhaltene Transmissionsanlage gilt als wichtiges Dokument der Industriegeschichte.

Fast so wie früher

Ornamente ohne Fallwerk anzufertigen ist fast so wie Klempnertechnik ohne Blechschere. Und obwohl bei Kaufmann in Neu-Ulm sowie bei Sporer in München moderne Technik eingesetzt wird, schätzen die Dachschmuckspezialisten beider Häuser das gute alte Fallwerk, welches sie noch immer einsetzen.

Ortswechsel: Aus dem Keller der Münchner Rothmundstraße 6 dringen dumpfe rhythmisch stampfende Geräusche. Hier am Firmensitz der Lorenz Sporer GmbH donnert, wie so oft, das etwa 300 kg schwere Gewicht des Fallwerkes auf metallische Werkstücke nieder. „Die Arbeit am Fallwerk muss einem in Fleisch und Blut übergehen“, sagt Detlef Rheinwein, als er mit seinem Teamkollegen Helmut Becher einen gebogenen Zierstab aus Zink anfertigt. Überhaupt ist Teamgeist am Fallwerk die Grundvoraussetzung für brauchbare Ergebnisse. Helmut Becher ist dabei für die nötige Einstellung verantwortlich. An einer gurtähnlichen Vorrichtung hebt er das Fallgewicht samt unterseitig angebrachtem Stempel auf eine bestimmte Höhe und lässt es in rhythmischen Abständen auf und nieder rauschen. Sobald das Gewicht des aufgeschlagenen Stempels das Werkstück freigibt, führt Detlef Rheinwein selbiges in akkuraten Bewegungen der Länge nach über die untere Matrize.

Er begutachtet das Ergebnis des ersten Durchganges, kontrolliert die Maßhaltigkeit per Schmiege und Lineal, prüft kritisch die Form und verschwindet mitsamt Werkstück im Nebenraum, um es dort mit einem Aufschweißbrenner anzuwärmen. Die Prozedur beginnt erneut, wobei die Fallhöhe und somit das Gewicht des Prägevorganges erhöht werden. Auch die Arbeitsgeschwindigkeit wird gesteigert, um das erhitzte Bauteil vor frühzeitiger Auskühlung zu bewahren. Deutlich ist jetzt die Struktur erkennbar. Kugelförmige Vertiefungen zieren das ebenmäßige, leicht gebogene Profil. Detlef Rheinwein lächelt. Er ist zufrieden, wieder eines der zahlreichen Bauteile für das alterwürdige Pariser Kaufhaus hergestellt zu haben.

Kaufmann-Ornamente

Bereits seit 1848 fertigt Kaufmann in Ulm erstklassige Bauornamente. Weltweit tragen zahlreiche renommierte Gebäude den Dachschmuck der als Metalldrückerei gegründeten Ornamenten-Manufaktur. Mit dem Beginn der 1980-er Jahre erlebt der Bauornamenten-Markt eine deutliche Wiederbelebung und nach dem Mauerfall nimmt die Nachfrage derart zu, dass Kaufmann eine eigenständige Ornamenten-Abteilung mit 14 Mitarbeitern gründet. Im In- und Ausland schmücken Kaufmann-Ornamente denkmalgeschützte Bauwerke, wobei Harald Szimeth das Kurhaus in Baden-Baden sowie den Zoologischen Garten in Berlin zu seinen Lieblingsreferenzen zählt.

Heute haben sich einige Arbeitsschritte grundlegend geändert. Moderne Hilfsmittel, wie der Einsatz von Kunstharz oder der Zink-Alu-Legierung Zamak zum Formenbau sind ein Beispiel. Um Radiusmodelle anzufertigen, wird Uriol verwendet. Dabei handelt es sich um einen schaumartigen, bräunlich-violetten Werkstoff aus Epoxidharz, der sich ganz ähnlich wie Holz bearbeiten lässt. Überall dort, wo es auf hohe Maßhaltigkeit ankommt, spielt das verhältnismäßig teuere Material seine Stärken als Holzersatz aus. Doch auch der Maschinenpark bei der Kaufmann Ulm - Bauornamente GmbH ist moderner geworden. Wo früher Fallwerke eingesetzt wurden, vollrichten heute moderne Spindelpressen mit 160-t-Druckkraft ihre Arbeit. Einen entscheidenden Vorteil bieten Spindelpressen vor allem dann, wenn gleiche Teile in hoher Stückzahl hergestellt werden müssen. Übrigens ist die Ständerbreite dieser Pressen mit 950 mm nahezu doppelt so breit wie die früherer Fallwerke.

Lorenz Sporer Ornamente

Seit 1882 fertigt die Lorenz Sporer GmbH Bauornamente an. Albert Sporer führt das als Metallornamenten- und Blitzableiter-Artikel-Fabrik gegründete Familienunternehmen bereits in dritter Generation und wird von seiner Tochter Caroline » (die vierte Generation) im Büro unterstützt. Er erlernte das Spenglerhandwerk 1949 im elterlichen Betrieb und dem damaligen bereits 60 Jahre alten Werkmeister Karl Unterberger, der 1905 als Lehrling in die Firma eintrat und noch einen Teil der Blütezeit der Metallornamente miterlebte. Zahlreiche Informationen über die Herstellung von Ornamenten wurden so erhalten und finden noch heute bei Sporer Verwendung. Auch wurden ab den fünfziger Jahren immer wieder, wenn auch selten, Metallornamente hergestellt, so dass diese Arbeiten bei Sporer nicht in Vergessenheit gerieten. Anschließend trat Albert Sporer in eine Dachdeckerlehre ein und legte 1961 die Dachdecker-Meisterprüfung ab. Im Folgejahr absolvierte er die Spenglermeisterprüfung. Heute ist Albert Sporer froh darüber, dass seine Vorfahren und er sich von den alten Maschinen und Matrizen aus der Gründerzeit nicht getrennt haben. Nur deshalb war er in der Lage, der plötzlich wieder ansteigenden Nachfrage nach Ornamenten zu entsprechen. So manch verziertes Profil konnte seither originalgetreu rekonstruiert und sogar auf den Originalmatrizen gefertigt beziehungsweise „nachgeliefert“ werden. Mit diesen alten Maschinen wie Fallwerk, Zugbank und Abbiegemaschinen mit einem Biegeradius bis 50 mm kann jedes Ornament des Historismus originalgetreu nach alter Handwerkskunst angefertigt werden. Die Prägeschärfe des alten Fallwerkes ist durch keine andere Maschine zu ersetzen. Heute stellt die Ornamentenherstellung die Haupteinnahmequelle des Unternehmens dar, das mit einem Auszubildenden und drei Spenglermeistern eine besonders hohe Meisterdichte aufweist.

Überzeugendes Ergebnis

„Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Ornamenten-Spezialisten aus München, Neu-Ulm und Paris war überaus erfolgreich“, berichtet Albert Sporer nach seiner Baustellenvisite vor ein paar Tagen. „Unser Turm wird derzeit abgerüstet. Endlich, nach über einem Jahr Bauzeit sind die anthrazitfarben lackierten beziehungsweise vergoldeten Ornamente weithin sichtbar. Bis es allerdings soweit war, vergingen zahllose Arbeitsstunden.“ An beiden Fertigungsorten wurden zahllose Holzmodelle, Gussformen und Matrizen hergestellt. Allein zum Bau eines der fünf Ochsenaugen wurden bei Sporer über 140 Stunden benötigt und etwa 230 Einzelteile angefertigt sowie zusammengefügt, verlötet und verputzt.

Ob die zuvor veranschlagten 6000 Sporer-Stunden sowie die 4000 Kaufmann-Stunden ausreichend waren, verrät der Münchner Ornamentenprofi Albert Sporer nicht. Doch wer erlebt, mit wie viel Herzblut der Spenglermeister von seiner Arbeit berichtet, spürt: Hier lebt und liebt ein Spenglermeister seinen Beruf und nichts in der Welt könnte das ändern.

*Albert Sporer ist Inhaber und Geschäftsführer der Ornamentspenglerei Lorenz Sporer in München. Er spendet sein Autoren-Honorar dem Europäischen Klempner- und Kupferschmiede-Museum in Karlstadt. BAUMETALL bedankt sich dafür

Albert Sporer* und Andreas Buck

Bautafel

Architektur: Gabor Mester De Parajd, Paris, Frankreich

Auftragnehmer: Lorenz Sporer GmbH, München

Auftraggeber und Montage: UTB, Paris-Pantin, Frankreich

Bauleitung: Gilbert Lenfant und Julien Soccard von UTB

Ornament-Herstellung:

Lorenz Sporer GmbH, München

Kaufmann Bauornamente, Neu-Ulm

Material: Rheinzink-walzblank sowie Rheinzink MD in 0,8 und 1,0 mm

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