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Kann Handwerk Kunst?

Giebelzauber in Badenweiler

In einer Welt, die zunehmend von industrieller Fertigung und Massenkonsum geprägt ist, stellt sich die Frage: Kann Handwerk Kunst sein? Traditionell wird unter Kunst die freie und schöpferische Gestaltung von Werken verstanden, die der ästhetischen Befriedigung oder dem Ausdruck von Ideen oder Inhalten dienen. Handwerk hingegen gilt als praktische Anwendung von Fähigkeiten und Techniken zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen oder zur Erbringung von Dienstleistungen. Doch diese scheinbar klare Grenze zwischen Kunst und Handwerk ist längst nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Wer etwa einen erfahrenen Schmied beobachtet, wie mit meisterhaftem Geschick glühendes Eisen in kunstvolle Formen gebracht wird, könnte sich durchaus folgende Fragen stellen: Ist hier mehr als nur handwerkliches Können am Werk? Und steckt in solchen Schmiedearbeiten nicht auch ein großes Maß an Kreativität, Ausdruckskraft und individuellem Gestaltungswillen? Mit Sicherheit! Die Definition von Kunst ist jedoch nicht statisch, sondern unterliegt einem ständigen Wandel. Was früher als reines Handwerk galt, kann heute als Kunstform anerkannt sein. Die vielfältigen Art-déco-Verzierungen, die man an Möbeln und Häusern findet, verdeutlichen dies eindrucksvoll. Weitere Beispiele sind Arbeiten von Fotografen oder Designern, die lange Zeit nicht als Kunst wahrgenommen wurden. Tatsächlich haben sich in Szene gesetzte Fotografien und Designunikate erst im Laufe des 20. Jahrhunderts als eigenständige Kunstformen etabliert.

Vor diesem Hintergrund ist es also durchaus legitim, handwerkliche Fähigkeiten auch für die Erschaffung von Kunst miteinzubeziehen. Mehrere Argumente sprechen dafür:

  • Handwerkliche Arbeit erfordert ein hohes Maß an Geschicklichkeit und Können, das durch jahrelange Übung und Erfahrung erworben wird.
  • Ein Kunstwerk erhält mehr gestalterische Tiefe durch eine gekonnte Ausführung.
  • Handwerkliche Produkte sind oft Unikate, die in ihrer individuellen Gestaltung und Ausführung einen besonderen Wert besitzen und dadurch auch einen ganz eigenen Ausdruck erhalten.
  • Handwerk kann Ausdruck von kultureller Identität und Tradition sein, die ein Könner/eine Könnerin auch so hervorbringen kann, wie er/sie es will. Durch eine gekonnte Ausführung kann das Kunstwerk auch eine authentische Sprache erhalten, die den Betrachter überzeugt.
  • Handwerkliche Arbeit kann einen hohen ästhetischen Wert besitzen und zur emotionalen Ansprache beitragen.
  • Und wie so oft gibt es bei diesen Überlegungen auch Argumente, die gegen die Gleichsetzung von Handwerk und Kunst sprechen:

  • Handwerkliche Produkte sind in der Regel funktionalen Zwecken unterworfen, während Kunstwerke frei von solchen Zwängen sein sollen.
  • Der Herstellungsprozess von handwerklichen Produkten ist oft standardisiert, während der künstlerische Schaffensprozess als individuell und einzigartig und nicht vollständig vorhersehbar gilt.
  • Der Wert handwerklicher Produkte wird in erster Linie durch ihre Gebrauchstauglichkeit bestimmt, während der Wert von Kunstwerken vor allem in ihrer ästhetischen Qualität und ihrem ideellen Gehalt liegt.
  • Kunst trifft Dachhandwerk

    Die Frage nach der Verbindung von Handwerk und Kunst beflügelt die Fantasie und lädt zu neuen Entdeckungen und Herangehensweisen ein. Unbestritten ist, dass handwerkliches Fertigungsgeschick das Werk in eine neue Welt befördern kann. Die entsprechenden Übergänge sind fließend. Was weiterhelfen könnte, ist ein Gespräch mit Bildhauerin Manuela Geugelin. Aufmerksame BAUMETALL-Leser kennen die aus Freiburg stammende Künstlerin von der Berichterstattung rund um das Workshopangebot „Kreative Kupferwerkstatt“ sowie von ihrer Liveperformance im Rahmen der Fachmesse Dach + Holz. Auf dem BAUMETALL-Messestand präsentierte die Künstlerin, wie sie aus glatten Kupfertafeln dreidimensionale Kupferobjekte formt. Ihr dazu eingesetztes Werkzeug: der Hammer. Ihre Sicht der Dinge: skulptural und ausdrucksstark!

    BAUMETALL: Frau Geugelin, Sie haben kürzlich die Giebeldreiecke eines klassizistischen Hauses in Badenweiler mit Ihren Arbeiten bekleidet. Was war die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

    Manuela Geugelin: Die größte Herausforderung war es, dass die bildhauerisch gearbeiteten Metalldreiecke am Ende genau in die Dreiecke über den Fenstern passen. Außerdem waren die Größen der Dreiecksflächen unterschiedlich. Damit die Flächen-Reliefs perfekt abschließen, musste der Blechnermeister die gefalteten Gebilde vor Ort genau einpassen.

    Wie sind Sie bei der Gestaltung vorgegangen?

    Zuerst habe ich die Reliefs von Hand aus Titanzink geformt. Um die Oberfläche zu strukturieren, wurde das Metall zuerst vielfach gefaltet. Dadurch wurde die Gesamtlänge der zugeschnittenen Tafeln um die Hälfte reduziert. Im nächsten Schritt erfolgte die künstlerische Bearbeitung. Ziel war es, die Dreiecke perfekt auszufüllen und gleichzeitig eine plastische Oberfläche mit Höhlungen und Wölbungen zu schaffen.

    Welche Techniken haben Sie verwendet?

    Ich habe mit verschiedenen Kugel-, Treib- und Schonhämmern sowie mit anderen Spenglerwerkzeugen gearbeitet. Die Formungen entstehen durch das Stauchen und Verdichten des Titanzinks unter zahlreichen Hammerschlägen, was im Zusammenhang mit dem Einhalten der Dreieckform eine echte Herausforderung war. Es ist mir gelungen, verschiedene Strukturen und Oberflächenformen entstehen zu lassen.

    Welches Ziel verfolgte der Architekt mit den künstlerischen Gestaltungen der Giebeldreiecke?

    Der Architekt wollte die strikte Form der Bauelemente weiterführen und zusätzlich die strenge Linienführung durch Verzierungen in den Giebeldreiecken ergänzen. Die bildhauerisch gearbeiteten Metalldreiecke sollten außerdem den klassizistischen Baustil mit Vorbildern aus der Antike unterstreichen.

    Inwieweit spiegeln ihre Arbeiten an den Giebeln eigene künstlerische Visionen wider?

    Meine Arbeiten sind immer von der Suche nach neuen Formen und Strukturen geprägt. Ich experimentiere gerne mit Materialien und Techniken, um einzigartige Oberflächen und haptische Erlebnisse zu schaffen. In diesem Projekt konnte ich meine Leidenschaft für Metallgestaltung mit der Herausforderung der Giebeldreiecke verbinden. Besonders reizvoll war dabei das direkte Aufeinandertreffen meiner künstlerischen Visionen mit in klassischer Spenglertechnik hergestellten Titanzinkarbeiten.

    Fazit und einzigartige Weiterbildungsmöglichkeit im Geugelin-Workshop

    Das Ergebnis der Zusammenarbeit von Manuela Geugelin, dem ausführenden Fachbetrieb Blechnerei Mai und Architekt Stefan Klöber ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Kunst, moderne Metallgestaltung und klassische Architektur harmonieren können. Die Giebeldreiecke des Hauses in Badenweiler sind nun nicht nur ein optisches Highlight, sondern zeugen auch von Handwerkskunst sowie handwerklicher Kunst. Weithin sichtbar veranschaulicht das Projekt: Ausnahme-Bildhauerin Geugelin legt größten Wert darauf, dass Grenzen zwischen Kunst und Handwerk nicht als starr und unüberwindbar betrachtet werden. Wesentlich besser sei es, offen für neue Perspektiven und Definitionen zu sein. Nur dann könnten die Vielfalt und der Reichtum menschlicher Kreativität in all ihren Facetten entdeckt und gewürdigt werden, ist Manuela Geugelin überzeugt.

    Sie möchten sich selbst davon überzeugen? Dann melden Sie sich jetzt zum nächsten BAUMETALL-Workshop mit Manuela Geugelin an. Für den Termin am 11. Oktober 2024 sind noch wenige Plätze frei.

     Dachgaube mit Seitenbekleidungen aus Schiefer und bekleideter Titanzink-Giebelfläche

    Bild: Geugelin

     Dachgaube mit Seitenbekleidungen aus Schiefer und bekleideter Titanzink-Giebelfläche
     Fachleute der Blechnerei Mai bei der Montage bildhauerisch gearbeiteter Metalldreiecke

    Bild: Geugelin

     Fachleute der Blechnerei Mai bei der Montage bildhauerisch gearbeiteter Metalldreiecke
      Befestigung der künstlerisch gestalteten Giebelbekleidung aus Titanzink

    Bild: Geugelin

      Befestigung der künstlerisch gestalteten Giebelbekleidung aus Titanzink
     Kontrastreich: vorbewitterte Titanzink-Giebelbekleidung mit aufgesetzter Titanzinkkunst

    Bild: Geugelin

     Kontrastreich: vorbewitterte Titanzink-Giebelbekleidung mit aufgesetzter Titanzinkkunst
     Nachschub: Ein weiteres von Manuela Geugelin vorgefertigtes Metall-element wird positioniert

    Bild: Geugelin

     Nachschub: Ein weiteres von Manuela Geugelin vorgefertigtes Metall-element wird positioniert
     Perfekt: Die künstlerisch gestaltete Titanzinkarbeit passt optimal in die dafür vorgefertigte Aussparung

    Bild: Geugelin

     Perfekt: Die künstlerisch gestaltete Titanzinkarbeit passt optimal in die dafür vorgefertigte Aussparung
    Endspurt: finale Anpassungsarbeiten am auslaufenden Giebeldreieck und das fertige Ergebnis

    Bild: Geugelin

    Endspurt: finale Anpassungsarbeiten am auslaufenden Giebeldreieck und das fertige Ergebnis
    Endspurt: finale Anpassungsarbeiten am auslaufenden Giebeldreieck und das fertige Ergebnis

    Bild: Geugelin

    Endspurt: finale Anpassungsarbeiten am auslaufenden Giebeldreieck und das fertige Ergebnis
      Titanzinkkunst und Titanzink-Giebelbekleidung können sich sehen lassen

    Bild: Geugelin

      Titanzinkkunst und Titanzink-Giebelbekleidung können sich sehen lassen
      Gute Laune: Bildhauerin Manuela Geugelin mit Architekt Stefan Klöber

    Bild: Geugelin

      Gute Laune: Bildhauerin Manuela Geugelin mit Architekt Stefan Klöber

    Info

    Kunst am Giebel

    Material: 0,6- und 0,4-mm-Titanzink von El-Zinc

    Architektur: Stefan Klöber, Klöber Planen, Badenweiler, D.

    Dachgauben: Blechnerei Mai, Bad Krozingen, D.

    Gestaltung: ManuG Metallkunst, Manuela Geugelin, Freiburg I. Br., D

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