Seit 60 Jahren ist die Galeria Kaufhof am Heilbronner Wollhaus ein lokaler Einkaufsmagnet. Seit Kurzem begeistert das traditionsreiche Kaufhaus Kunden und Passanten mit einer hinterleuchteten Aluminium-Lochtafelfassade. Kostenpunkt: zwei Millionen Euro. Das zukunftsweisende Fassadensystem setzt dabei weithin sichtbare Akzente. Während das moderne Fassadendesign tagsüber mit eleganter Schlichtheit punktet, wird die Szenerie rund um das Warenhaus mit Einbruch der Dunkelheit durch tausende LED-Leuchtpunkte in das typische Karstadt-Grün getaucht. Auf Knopfdruck lassen sich weitere Farben zuschalten, wodurch sogar die Darstellung bestimmter Leuchtmuster oder spezieller Werbebotschaften möglich ist. Entsprechend beeindruckt sind nicht nur die Galeria-Geschäftsführer Karl Pommée und Harald Steller. Auch die Lokalpresse lobt den Wurf des Architektenteams Metro Properties in höchsten Tönen und schreibt: „Architektonisch bewanderte Passanten sehen sich an das De Young Museum in San Francisco, an den Dior-Flagship-Store in Tokio oder an Sfera in Kyoto erinnert.“
Doch damit nicht genug: Mit dem Design der Aluminiumfassade schaffen die kreativen Planer aus Düsseldorf einen optischen Bezug zur Stadt Heilbronn sowie zur umliegenden und vom Weinanbau geprägten Region. Sie wählten ein Weinblatt als Grundmotiv und brachen dessen Blattform und die Verästelungen immer weiter auf, bis durch unterschiedlich große Lochungen ein filigranes Fassadenmuster entstand. Dieses Muster setzt sich auf etwa 850 Aluminiumplatten fort und umspannt das Warenhaus auf einer Fläche von etwa 1900 m2. Damit die weinblattähnliche Struktur der Aluminiumhülle vor Ort fehlerfrei zusammengesetzt werden konnte, wurde jedes einzelne der 1,51 mal 1,51m großen Fassadenelemente nummeriert. Bei der Montage der etwa 20kg schweren Aluminiumplatten hielten sich die Mitarbeiter des Fachbetriebes Hölscher aus Kleve exakt an einen zuvor erstellten Montageplan.
Markant, dominierend und nach wie vor stadtbildprägend
Die Heilbronner Kaufhof-Filiale wurde 1951 eröffnet und musste bereits 1968 einem Neubau weichen. Wie vielerorts in Deutschland wurde auch der nur ein Jahr später eröffnete Kaufhaus-Neubau mit der typischen Merkur-Fassade ausgestattet. Bis heute gilt diese als Egon-Eiermann-Fassade berühmt gewordene Wabenfassade als eines der bekanntesten Beispiele für Corporate-Identity-Architektur. Die in ihren Abständen variierenden keramischen Waben verleihen den Fassaden der Warenhäuser eine homogene Wellenstruktur – dahinter angeordnete Fenster ermöglichen dennoch eine Sichtbeziehung zwischen innen und außen. Doch nichts bleibt, wie es war – auch nicht die aus unzähligen Keramikbaguettes zusammengesetzte Merkur-Fassade in Heilbronn. Durch Tauben hervorgerufene Verschmutzung beeinträchtigte das Erscheinungsbild der einst weißen Fassade ebenso wie der unbarmherzig an der Substanz der Keramikwaben nagende Zahn der Zeit. Einige Fassadenwaben drohten zuletzt sogar, sich aus dem Verbund zu lösen und in die Tiefe zu stürzen. Was also war zu tun?
In einer aufwendigen Machbarkeitsstudie wurden zunächst alle zur Fassadensanierung erforderlichen Schritte geprüft und dokumentiert. Aktuelle Anforderungen wie die von Kaufhof bevorzugte und großflächig geschlossene Fassadengestaltung wurden dabei ebenso berücksichtigt, wie der Wunsch, vorhandene Fensterflächen und die damit verbundene Durchsicht zu vergrößern. Außerdem sollte sich das vierstöckige Gebäude durch die neue Fassade ständig „verwandeln“ können. Die Lösung: eine gelochte und vorgehängte Kassettenfassade aus Aluminium einschließlich entsprechender Hinterleuchtung. Die Herausforderung: Die Sanierungsarbeiten sollten während des laufenden Verkaufsbetriebes und ohne Sperrung der Straßen erfolgen. Dabei galt es, die Zugänglichkeit der Schaufensterfassaden ebenso wie die der Eingänge zu garantieren. Überhaupt erforderte die Entwicklung der Sanierungsmaßnahmen viel Fingerspitzengefühl, da sie lediglich auf der Grundlage der Ortskenntnis sowie der Vermessungsergebnisse der Grundkonstruktion basierte und ohne Bestandsdokumentation erfolgte.
Fassadenkonstruktion
Der umfangreiche Auftrag zur Erstellung der Fassade beinhaltete neben der Montage auch die Werkplanung einschließlich aller Bauabläufe, Nachweise zur Statik, der Bauphysik sowie entsprechender Zulassungen. Aufgrund erster Vermessungsergebnisse fertigten die Fassadenplaner zunächst Fertigungs- und Orientierungspläne an. Bevor die Fassadenarbeiten beginnen konnten, wurden die maroden Keramikwaben des viergeschossigen Kaufhof-Gebäudes abgetragen und die dahinterliegenden Wandflächen saniert. Im nächsten Schritt erfolgte der plangenaue Einbau aller erforderlichen Unterkonstruktions- und Befestigungselemente. Vor Ort waren die Hölscher-Fassadenprofis zudem mit dem Anpassen diverser Bekleidungen an Lüftungslamellen sowie der Montage von Attikaabdeckungen und Vordachelementen beschäftigt. Zahlreiche Baugruppen wurden speziell angefertigt und mit angrenzenden Bauteilen, Unterkonstruktionen großformatiger Werbeträger sowie den Tragseilen der Straßenbeleuchtungen verbunden. Den Großteil des Auftrags bestimmte jedoch die wichtigste Komponente des bauaufsichtlich zugelassenen Systems – die Montage der gelochten Fassadenkassetten. Bei allen Arbeiten wurde der Stand der Technik ebenso berücksichtigt wie zahlreiche Anforderungen, Mindestqualitäten und Normen wie:
- DIN EN 13830 Produktnorm
- DIN 18335 Stahlbauarbeiten
- DIN 18351 Fassadenarbeiten
- DIN 18360 Metallbauarbeiten
- DIN 18363 Maler- und Lackierarbeiten
- DIN 18364 Korrosionsschutzarbeiten an Stahl- und Aluminiumbauten
Natürlich erfüllen das für den Wiederaufbau der Fassade eingesetzte System sowie dessen aufeinander abgestimmte Leitprodukte die hier genannten Vorgaben. Die Fassade wurde aus statischen Gründen als hängende Fassade konzipiert. Tragendes Element für die Vertikallasten ist dabei die Betonauskragung im Attikabereich – die Horizontallasten werden an die mittlere Betonauskragung beziehungsweise im unteren Bereich direkt an die Rohbauwand übergeben.
Ein Fall für die MN Metallverarbeitung Neustadt GmbH
Die Fassadenprofis von MN sind nicht nur auf die Herstellung ausgefallener Fassadenkonstruktionen spezialisiert, sondern auch in der Lage, komplexe und maßgeschneiderte Bauteile anzufertigen und zu liefern. Über die Herausforderung, ein bildhaftes Lochmuster nach den Vorstellungen der Architekten herzustellen und dieses Muster elementübergreifend an das entsprechende Fassadenraster anzupassen, gibt Thorsten Evenkamp (Prokurist und Vertriebsleiter bei MN) im BAUMETALL-Gespräch folgende Auskunft:
BAUMETALL: MN ist in Fachkreisen als zuverlässiger Partner für hochwertige Profile, Bauteile und Elemente aus unterschiedlichen Metallen bekannt. In welcher Weise war MN in die Planung der neuen Kaufhof-Fassade eingebunden?
Thorsten Evenkamp: Das Charakteristische an MN ist nicht nur die Zuverlässigkeit bei Terminen und Service. Es ist mehr noch unser Ehrgeiz und Spaß daran, immer etwas besser zu sein – auch oder besonders bei schwierigen Aufgaben. Wir produzieren System- und Sonderlösungen in Serien- und Einzelfertigung, nicht nur für Design-Projekte. Natürlich beraten wir Architekten und Ingenieurbüros und bringen unser Know-how oft schon bei der Entstehung einer Projektidee mit ein. Die anspruchsvollen Aufgaben rund um die Fassade der Galeria Kaufhof begannen für uns etwa zwei Jahre vor dem Montagetermin. Dabei markierten umfangreiche Gespräche mit Architekten der Metro-Group, Statikern und Fassadenplanern den Beginn einer überaus anspruchsvollen Projektierungsaufgabe.
Heißt das, MN war nicht „nur“ mit der Lieferung der Fassadenelemente beauftragt?
Exakt. Einmal mehr war unser MN-Spezialistenteam auf ganzer Linie gefordert. Unsere Leistung begann wie gesagt bereits bei der Projektierung und der Beratung zur Zusammenstellung der erforderlichen Komponenten für das Bolzeneinhangsystem der Unterkonstruktion. Wir produzierten alle erforderlichen Montage- und Befestigungsprofile und erbrachten in Zusammenarbeit mit einem Statikbüro den statischen Nachweis. Ferner sprachen wir exakte Komponentenempfehlungen zur Optimierung des Montageablaufs aus. Natürlich wurden auch die von außen sichtbaren gelochten Fassadenelemente bei MN gestanzt, gekantet und kommissioniert.
Die Herstellung eines elementübergreifenden Fassadenmusters stellt eine nicht alltägliche Herausforderung dar. Mussten die gelochten Fassaden-Bauteile spezielle Ansprüche erfüllen?
Das Zauberwort vor und während der Montage lautete „Planebenheit“. Natürlich war es zwingend erforderlich, die Unterkonstruktion absolut fluchtgerecht zu befestigen. Besonders die aus 4-mm-Aluminium gefertigten und ca. 150 x 150cm großen Fassadenkassetten sollten trotz oder gerade wegen ihrer Lochung möglichst verspannungsfrei und eben sein. Bei etwa 2000 Löchern in 20 unterschiedlichen Durchmessern pro Kassette war das eine große Herausforderung. Dank modernster Feinrichtanlagen konnten wir aber den zuvor vereinbarten und geringen Toleranzbereich verbindlich einhalten. Zur Anhängung der quadratischen Fassadenelemente wurde ein zugelassenes Bolzeneinhangsystem verwendet. Insgesamt sechs unterschiedlich gelochte Kassetten wurden in abwechselnden Orientierungen an entsprechenden Agraffeneinhängungen montiert. Randelemente mit ähnlichem Lochmuster wurden zur Anpassung an die tatsächliche Fassadenkontur ebenfalls im Vorfeld projektiert und nicht wie oftmals üblich nach Aufmaß gefertigt. Dies war nur dank 3D-CAD-Konstruktion möglich.
Interessant – MN ist demnach weit mehr als „nur“ Halbzeug-Zulieferer hochwertiger Produkte.
In der Tat. Und nicht nur Fassadenbauunternehmen, die ohnehin im Projektgeschäft zuhause sind, profitieren seit Langem von unserem Portfolio. In jüngster Zeit machen zunehmend auch Klempnerfachbetriebe von unserem Leistungsspektrum Gebrauch. Anstatt externe Planer oder Techniker zu beauftragen, nutzen diese Betriebe die gesamte MN-Bandbreite und beauftragen uns nicht nur mit der Herstellung einzelner Komponenten, sondern auch mit planerischen Aufgaben.
Themenwechsel: Welchen Eindruck haben Sie von der Dach und Holz International aus Stuttgart mit nach Neustadt genommen?
Nach der Messe hatte ich zahlreiche Impulse zu verarbeiten. Etwas erstaunt war ich darüber, dass gleich zwei namhafte und branchenbekannte Klempnerfachbetriebe die Ausschreibungsunterlagen zu den Fassadenarbeiten an der Heilbronner Kaufhof-Fassade nicht bearbeiteten. Den sonst überaus innovativen Unternehmern war schlicht und ergreifend nicht bekannt, dass MN neben projektbezogener Bauteilfertigung auch Hilfestellung bei der statischen Berechnung und dazugehörenden Planungsaufgaben leistet. Ich denke, auf der Dach und Holz ist es uns gelungen, das MN-Geschäftsmodell in der Klempnerbranche noch bekannter zu machen, und ich bin sicher, dass zukünftig mehr Klempnerfachbetriebe von unserem Leistungsangebot profitieren werden. Um beim Thema zu bleiben: Ich freu´ mich drauf!
Fit für die Zukunft
Seit die Fassadenarbeiten auf einer Fläche von 1900 m2 abgeschlossen sind, wird das renommierte Warenhaus auch im Innenbereich modernisiert. Auf 10000 m2 Fläche bietet das Kaufhaus seit 1951 ein großes Warensortiment – überhaupt schätzen viele Heilbronner die Filiale als attraktive Einkaufsstätte. Durch die umfangreichen Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten soll das Warenhaus rundum fit für die Einkaufszukunft werden. Ein Vorhaben, das auch dank des Einsatzes der Metallverarbeitungsprofis aus Neustadt und Kleve rundum gelungen ist.
BAUTAFEL
Architektur und Baustellenlogistik: Metro Group Asset Management GmbH & Co.KG, Düsseldorf
Fassadenplanung: IGF Zimmermann GbR, Mülheim an der Ruhr
Fassadensystem: gelochte Aluminium-Kassettenfassade, 1900 m2
Fertigung: MN Metallverarbeitung Neustadt GmbH, Neustadt
Fachbetrieb: Dipl.-Ing. Hölscher Stahlbau Leichtmetallbau GmbH & Co. KG, Kleve
INFO
Hintergrund
Die Kaufhof-Geschichte reicht bis zum Jahr 1879 zurück, als Leonhard Tietz in Stralsund ein kleines Kurzwarengeschäft mit nur 25 m2 Verkaufsfläche eröffnete. Seine Geschäftsgrundsätze – Festpreise, Barzahlung und Rückgaberecht – waren damals ein Novum. Das erste reguläre Mehrabteilungskaufhaus Deutschlands nach französischem Vorbild eröffnete Tietz 1885 in Elberfeld. Sechs Jahre später öffnete ein kleines Filialkaufhaus in Köln. Zum 50-jährigen Firmenjubiläum im Jahr 1929 umfasste das Unternehmen neben eigenen Fabrikationsbetrieben 43 Waren- und Kaufhäuser. Um die durch die NSDAP angestrebte Auflösung des Unternehmens zu verhindern, erfolgten die Umbenennung in Westdeutsche Kaufhof AG und Veränderungen in den Führungsgremien. Die jüdische Familie Tietz emigrierte ins Ausland und wurde nach 1945 entschädigt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden 35 der Warenhäuser durch Bomben zerstört. In den folgenden Jahrzehnten wuchs das Unternehmen weiter, 1977 erwirtschaftete der Kaufhof-Konzern bereits einen Umsatz von 9,940 Milliarden DM.
INFO
Statik
Alle statisch beanspruchten Verschraubungen wie beispielsweise Anker- oder Befestigungsschrauben für Bekleidungselemente bestehen aus Edelstahl der Werkstoffnr. 1.4571 (V4A). Die statischen Eigenschaften der Systemverankerungen sind so ausgelegt, dass sie Windlasten und andere Kräfte sicher aufnehmen können und diese über die Unterkonstruktion sicher in die Grundkonstruktion einleiten. Alle baurechtlich und sicherheitstechnisch relevanten Bauteile und Korrosionsschutzbeschichtungen entsprechen der Bauregelliste. Die Fassadenelemente sind in der Lage, alle planmäßig auf sie einwirkenden Kräfte aufzunehmen und an die Tragwerke des Baukörpers abzugeben. Die Beanspruchungsannahme erfolgt dabei nach:
- vertikalen Lasten, resultierend aus dem Eigengewicht aller eingesetzten Bauteile
- horizontalen Lasten nach DIN 1055 Lastannahmen im Hochbau.
Alle Fassadenbauteile entsprechen den Anforderungen nach DIN 18055. Die Verankerungen und Befestigungsteile nehmen aus vertikaler und horizontaler Richtung auftretende Lasten kraftschlüssig auf und übertragen diese sicher an den Untergrund. Außerdem ist die Konstruktion in der Lage, aus thermischen Gründen auftretende Längenänderungen sowie Bauwerksbewegungen oder Lasten aus Sog und Druck geräuschlos und ohne sichtbare Verformungen der Fassade aufzunehmen.
Oberfläche
Sämtliche Aluminiumbauteile bestehen aus der Legierung Al Mg 3 oder Al Mg 1 nach DIN EN 485-1. Die Oberflächen der Fassadenbauteile sind pulverlackbeschichtet oder eloxiert. Die Mindestschichtdicke der Lackierung beträgt 50 mμ und entspricht den Qualitätsvorschriften der Qualicoat. Die Mindestschichtdicke der verdichteten Eloxalschicht beträgt 25 mμ. Beschichtete Bauteile wurden zuvor mit einer Mindestdicke von 10 mμ anodisiert.
Unterkonstruktion
Die Stahl-Unterkonstruktion für die Fassadenelemente besteht aus verzinkten Stahlprofilen und erfüllt den Korrosionsschutz gemäß ZTV. Die Stahlqualitäten, Werkstoffklassen und Materialstärken entsprechen der Bauantragsstatik wie folgt:
- 115 vertikale Stützen (Hängepfosten HEA 100) in Einzellängen von 10,5 m bis ca. 14,0 m
- Horizontale Abstrebungen (QR 40) in Längen von ca. 85 m
- Das Unterkonstruktionsraster ist auf das äußere Fassadenraster der Kassettenbekleidung abgestimmt – der Achsabstand beträgt in der Regel ca. 1,51 m
- Das obere Auflager ist zur Lastverteilung stückweise auf dem Stahlbetondach eingebaut. Es besteht aus senkrecht zum Pfosten angeordneten HEB 100
Die Ausbildung von Schiebestößen, Festlagern, Anschlusspunkten und Stahlbaudetails erfolgte nach statischen Vorgaben – Auflager- und Anschlussprofile, im Bereich der Eckbereiche usw., wurden geschraubt. Zur Herstellung, Lieferung und dem Einbau der Stahlunterkonstruktion wurde feuerverzinkter Stahl eingesetzt – alle Aufhängekonstruktionen und Verankerungen bestehen aus Edelstahl.