Die Grenzen des Machbaren sind für Spengler in Australien kein Limit, sondern Meilensteine, die sich verschieben lassen. Der Fachbetrieb Architectural Roofing and Wall Cladding (ARC) aus Sydney eroberte bereits mit verschiedenen Projekten Neuland. Im Jahr 2017 konstruierte Gründer und Inhaber Juerg Wilk das nächste Novum in der 28-jährigen Firmengeschichte. Die Deckenbekleidung für die komfortable Residenz One Wingadal Place setzt Standards, was derzeit im Spenglerhandwerk technisch ausführbar ist. Insbesondere die Planung und Fertigung erforderten sehr sorgfältige Arbeitsschritte.
Planung des Außergewöhnlichen
Die Vorgaben übertrafen alle bisher bekannten Dimensionen. Der Bauherr wünschte sich ein Metallgewebe für seine großzügige Familienküche mit kombinierter Lounge, die das Dachstockwerk der Residenz einnimmt. Diese Decke umfasst ungefähr 230 m² Fläche, wobei die Bekleidung auch die leichte Wölbung aufweisen sollte, die durch das Dach vorgegeben wird. Zur Vorbereitung erarbeitete das Team verschiedene Modelle mit gepressten, gebogenen und gewebten Varianten. Nach mehreren Entwürfen fiel die Wahl auf eine modulare Bauweise mit einer Unterkonstruktion aus Holz. Bereits früh in der Vorbereitung stand der Werkstoff fest, walzblankes Kupfer der Marke Aurubis mit geschliffener Oberfläche. „Die größte Herausforderung lag darin, die gesamte Decke nahtlos zu gestalten. Die Breite der Streifen war die nächste Herausforderung, da diese so schmal wie möglich gehalten werden sollten. „Der Bauherr setzte uns die Messlatte immer ein wenig höher, als er spürte, dass wir ideen- und einfallsreich sind“, kommentiert der Geschäftsführer im Rückblick die schwierigsten Punkte der Planung. Das Team entwarf zunächst einen Prototyp mit 25 mm breiten Streifen, erhöhte dann aber die Breite auf 40 mm, weil sich dadurch die Zahl der zu fertigenden Teile deutlich reduzieren ließ.
9360 Streifen auf 360 Modulen
Nachdem die Breite der Profile gefunden war, begann die Fertigung des eigentlichen Gewebes. Die Länge der Metallprofile orientierte sich an der Größe eines Moduls von 1110 mm x 557 mm. Die Spengler positionierten die Querstreifen, die einheitlich 1110 mm messen, auf Stoß nebeneinander. Im rechten Winkel dazu wurden die Längsstreifen in Abständen zwischengeschoben, sodass alle Streifen abwechselnd verdeckt werden und sichtbar bleiben. Das Team fertigte die längs eingeschobenen Exemplare in verschiedenen Größen (478 mm und 557 mm). Geschäftsführer Juerg Wilk: „Anstatt die Streifen mit der Schlagschere zu schneiden, entschieden wir uns, die Bauteile zu stanzen. Alle Kanten wurden danach noch von Hand entgratet, um ein Verkratzen der Oberfläche während des Webens zu vermeiden. Die Profile mussten spannungs- und verwindungsfrei befestigt werden, da dies sonst zu Problemen mit der Unterkonstruktion geführt hätte.“
Für jedes Modul stellte das Team 26 Streifen her. In der Summe befinden sich 9360 Profile auf allen 360 Modulen. Diese hohe Anzahl entspricht ungefähr einem Gewicht von 2,5 t Kupfer. „In akribischer Kleinarbeit hat ein Team von fünf Mitarbeitern die Streifen in einem ausgeklügelten System gewebt. Das Tragen leichter Wollhandschuhe war Pflicht, um Fingerabdrücke und Verfärbungen auf der Oberfläche zu vermeiden. Die Schutzfolie auf dem Werkstoff musste vor dem Weben entfernt werden, da dies nach dem Weben nicht mehr möglich gewesen wäre“, so der Unternehmer. Die unsichtbare Befestigung der Streifen auf der Holzunterkonstruktion betont den interessanten optischen Effekt, dass auf der Kupferoberfläche weder Nähte noch die Montagetechnik selbst erkennbar sind. Die Spengler platzierten sämtliche Befestigungspunkte an ausgewählten Stellen, die von den übrigen Streifen verdeckt werden. Diese arbeitsintensiven Abläufe führten dazu, dass sich die Fertigung über einen Zeitraum von sechs Wochen ausdehnte.
Nahtlos bekleidet
Bei der Montage in der Residenz, die Spenglermeister Bodo Hinz koordinierte, verschmolzen die einzelnen Module zum einheitlichen Gewebe. Der Kunstgriff, dass die 1110 mm langen Streifen versetzt auf der Holzkonstruktion angeordnet wurden, sorgt dafür, dass die Fugen zwischen den Modulen verschwinden. Auf der linken Seite ragen die Profile 76 mm, rechts 156 mm über jedes Modul hinaus. Während der Montage schoben die Spengler die versetzten Streifen benachbarter Module ineinander. Spezielle Verbindungsstücke vervollständigen den Nahtlos-Effekt. Die breiten Vordächer, die weit über die tragenden Wände und die Glasfassade hinauskragen, wurden ebenfalls mit dem Gewebe bekleidet. Das Team positionierte und befestigte die Module millimetergenau, damit der Innen- und Außenbereich optisch ineinander übergehen. Die Profilgeometrie und Linienführung bleiben entlang der Glasfassade und Wände erhalten. „Nach drei Wochen Montagezeit war das Werk fast vollbracht. Anschließend wurde eine Spezialfirma beauftragt, das Kupfergewebe mit Klarlack zu versiegeln“, erklärt der Inhaber. Durch diese Versiegelung behält die Oberfläche für viele Jahre ihren walzblanken Glanz, ohne dass eine Oxidschicht oder Patina entsteht. Verdeckte Beleuchtungsmodule in den Glasrahmen, die das Licht zur Decke strahlen, bringen die gewebte Struktur und den Glanz aufregend zur Geltung.
Eine Landschaft aus Kupfer
Am Rande erwähnt der Geschäftsführer, dass ARC für eine Reihe weiterer Arbeiten an der Residenz verantwortlich ist: „Die glücklichen Eigentümer und Architekten waren hochzufrieden mit der gelieferten Arbeit, dass das gerundete Kupferdach schon fast zur Nebensache wurde.“ Das Team deckte das leicht gewölbte Dach in Stehfalztechnik mit walzblankem Kupfer von Aurubis ein. Die gefalzten Scharen wurden ungekürzt über die gesamte Breite hinweg verlegt und betonen so das klassische Rechteckformat der Dachfläche. Das Team klinkte die Stehfalze über den Traufkanten aus und installierte 200 mm breite maßgefertigte Regenrinnen an den langen Dachseiten. Außerdem verlegten die Spengler ein zweites, deutlich kleineres Kupferdach auf einem Gebäudeteil weit unterhalb der Lounge. Diese Stehfalzdeckung, die breiten Vordächer und Regenrinnen ähneln dem größeren Dach auf der Lounge bis ins Detail, sodass die Spenglerarbeiten deutlich den architektonischen Stil der Residenz prägen. Weiterer Glanzpunkt: Die Finnen vor der Glasfassade auf der Seeseite des Gebäudes tragen auch die Handschrift von ARC. Diese weit auskragenden Vorsprünge erfüllen keine statische Funktion, sondern dienen als Sonnenschutz und wurden aus ästhetischen Gründen vor den Glasrahmen montiert. Farblich kontrastieren die dunklen Profile zudem die helle Steinfassade. Insgesamt montierte das Team rund 6 t Kupfer im Innen- und Außenbereich der Residenz.
„Stoked with the result“
„Stoked“ (aufgeheizt), dieser Begriff bringt in Australien echte Begeisterung zum Ausdruck. Nach der intensiven Arbeit freute sich der ARC-Geschäftsführer deshalb landestypisch über das Resultat: „We are stoked with the result.“ Dass die Fertigstellung des Neubaus noch zwei Jahre dauerte, nachdem die Spengler 2017 ihren Einsatz erfolgreich beendet hatten, tat der Freude keinen Abbruch. Die Residenz wurde in Pipers Point, dem exklusivsten Viertel der australischen Metropole, errichtet. Die Wohnfläche verteilt sich über drei Etagen, weitere (Wirtschafts-)Räume befinden sich auf zusätzlichen Ebenen. Das Grundstück mit Zugang zum Wasser grenzt direkt ans Ufer und liegt in einer äußerst steilen Hanglage auf Felsgestein. Diese Lage eröffnet den Bewohnern einen spektakulären Blick über die Bucht, der bis zum Opernhaus und zur Hafenbrücke (Harbour Bridge) reicht. Die Wohnqualität rangiert auf höchstem Niveau und lässt nichts zu wünschen übrig, wie übrigens auch die in solider Klempnertechnik handgewebte Kupferdecke. 
Bautafel
Projekt: Handgewebte Kupferdecke, Stehfalzdächer und Finnen für die Residenz „One Wingadal Place“
in Sydney, Australien
Bauherr: privat
Architektur: Collins and Turner, Sydney
www.collinsandturner.com
Fachbetrieb: Architectural Roofing and Wall Cladding (ARC), Sydney
https://arcroofing.com.au
Material: walzblankes geschliffenes Kupfer
0,6 mm bis 1,0 mm
Hersteller: Aurubis Finland Oy, Pori
Bauzeit: 2014–2019