Flaschnermeister Stefan Sieber aus Stuttgart berichtet von einem pikanten Versicherungsfall. Großflächig und unübersehbar hatte ein Hagelereignis am Neubau eines Versicherungsgebäudes in der Stuttgarter City seine Spuren auf stehfalzgedeckten Dach-, Mansarden- und Fassadenflächen hinterlassen. Die mit 0,8 mm starkem Farb-aluminium bekleideten Flächen waren zum Zeitpunkt des Hagelschlages nahezu fertiggestellt, die Endabnahme hatte jedoch noch nicht stattgefunden. Somit musste zunächst die Frage der Haftung und der Regulierung des Schadens geklärt werden.
Unabhängig davon wurde von der Bauwesensversicherung eine Untersuchung der geschädigten Aluminiumbauteile beauftragt. Das Gutachten untersuchte einerseits aus den betroffenen Bereichen der Dach- und Fassadenflächen entnommene Aluminiumproben sowie fabrikneue Materialproben. Ein namhaftes, in München ansässiges Prüfinstitut stellte in seinem Bericht „keine Schädigungen sowie keine Einschränkungen der Lebensdauer“ fest.
Die Bauwesensversicherung stützt sich auf dieses Gutachten und erklärt: „An den untersuchten Metallproben liegt keine Schädigung sowie keine Einschränkung der Lebensdauer vor.“ Bemängelt wurde eine Abweichung im Härtebereich welche bedingt, dass es bei den eingesetzten Aluminiumscharen früher zu plastischen Verformungen kommt. Jedoch kann schwer eingeschätzt werden, in wieweit die durch Hagelschlag verursachte Einschlagtiefe- und dichte davon abhängig ist. Letztlich ergab sich für den Versicherer kein Substanzschadensereignis und somit auch keine Ersatzpflicht. »
Unbefriedigende Ergebnisse
Für Klempnerfachbetriebe sowie Planer und Bauherren sind solche Gutachten gleichermaßen unbefriedigend. Die sinngemäße Aussage: „Das verarbeitete Material ist zwar ordentlich verbeult, befindet sich aber dennoch in einwandfreiem Zustand“, hilft dabei auch nicht weiter. In vorliegendem Fall ist diese Äußerung besonders ärgerlich, da es sich um ein Referenzgebäude in bester Stadtlage handelt. Zwar akzeptierte der Auftraggeber nach einigem Hin und Her, dass die neue, aus 6 t bestehende Aluminium-Dacheindeckung lediglich einen optischen Mangel aufweisen solle – doch für Stefan Sieber ist die Einschätzung der Versicherung noch immer nicht nachvollziehbar. Er überträgt deren Argumentation auf den KFZ-Bereich:
Beulenmuster serienmäßig?
„Kein Mensch würde einen fabrikneuen Mercedes mit Hagelschaden akzeptieren, obwohl das Fahrzeug mit Sicherheit durch den nächsten TÜV käme und darüber hinaus absolut funktionstüchtig wäre. Ob die im Ausschreibungstext geforderte Legierung den Hagel schadlos überstanden hätte, ist ebenso hypothetisch. Der Ausschreibungswiderspruch (Nennung des Aluminium-Fabrikats und die nicht übereinstimmende Legierungsangabe) ist lediglich eine Formsache, die nichts daran ändert, dass die Metalleindeckung nun massiv verbeult ist. Mit der Nennung des Produktes sowie des Aluminium-Herstellers wurde indirekt auch eine Aussage zu den Werkstoffeigenschaften getroffen. Außerdem ist die in der Ausschreibung benannte Legierung weder vom Hersteller lieferbar, noch wäre sie im Sinne der Klempnertechnik falzbar. Vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen sollte ein weiterer Punkt genau betrachtet werden. Mit dem Ziel, die Aluminiumeindeckungentsprechend schallschutzoptimiert auszuführen, wurde seinerzeit auf zwingende Empfehlung des Bauphysikers und somit gegen unsere Ausführungsvorschläge eine strukturierte Trennlage eingebaut.“
Ein Trost bleibt bestehen: Metallbekleidete Flächen können Hagelereignisse überstehen, ohne dabei die Funktionstüchtigkeit zu verlieren. Verglichen mit zerstörten Faserzement-, Ton- oder Kunststoffprodukten sind Metallbedachungen selbst nach Hagelereignissen noch regensicher und verhindern weit schwerere Folgeschäden.
Untersuchungsbericht-Auszug
Untersuchungsziel: Die Untersuchung soll klären, ob das geschädigte Material der geforderten Spezifikation entspricht und inwieweit die durch den Hagel aufgetretenen Deformationen die Lebensdauer des Werkstoffes einschränkt. Laut Ausschreibung sollen die eingebauten Aluminiumscharen aus einer AlMn-Legierung der Stärke 0,8 mm bestehen und deren Farbbeschichtung 30 µ auf der Vorderseite sowie 5 µ am rückseitig aufgebrachten Schutzlack aufweisen.
Untersuchungsgegenstand:
Bei den untersuchten Bauteilen handelt es sich um farbbeschichtetes Aluminium (AlMn1-Mg-0,5) mit der Festigkeit H41 und einer Zugfestigkeit von 130 bis 170 MPa. Die äußere Beurteilung der Proben zeigt deutliche Deformationen. Schädigungen der Beschichtungen sind augenscheinlich nicht festzustellen.
Oberflächenmorphologie:
Die Untersuchungen unter dem Rasterelektronenmikroskop zeigen, dass in den verformten Bereichen keine Schädigungen der Farbbeschichtungen vorhanden sind.
Metallographie:
Die Metallproben zeigen weder an den durch Hagel verformten, noch an den zu Testzwecken herbeigeführten Deformationsbereichen Schädigungen. Es konnten keine Gefügeveränderungen am Metall und keinerlei Veränderung der Lackschichtstärken festgestellt werden.
Härteprüfung:
Mikrohärtemessungen ergaben einen durchschnittlichen Härtewert von 50,25 HV1. Die nach dem Brinellverfahren festgestellten Härtewerte ergaben einen Wert von 42 HB.
Zusammenfassung:
Die Untersuchungsergebnisse zeigen weder Gefügeveränderungen noch Schädigungen an den vorder- und rückseitigen Lackschichten. Von einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensdauer ist daher nicht auszugehen. Lediglich die Härtewerte entsprechen nicht den Anforderungen des Ausschreibungstextes. Hier wurde die Legierung AlMg in der Härtestufe „halbhart“ gefordert. Die geprüften Materialproben bestehen aus einer AlMn1-Mg-0,5-Legierung mit der Festigkeitsstufe „1/8-hart“.