Anlässlich des 1. Welt-Metall-BAUMETALL-Fassadentages in Karlstadt im November letzten Jahres drehte sich alles um zukünftige Metallfassaden und deren Anforderungen. Zum Auftakt der Veranstaltung „Zukunftswerkstatt Metallfassade“ wurde als Ausgangspunkt für Metallfassaden eine ca. 75 Jahre alte, mit geprägten Blechplatten bekleidete Wand betrachtet. Das Bildbeispiel sollte den Weg zu heutigen, modernen Metallfassadenschönheiten aufzeigen.
Der Zufall wollte es, dass der Verfasser während eines Besuches in Costa Rica am letzten Reisetag ein interessantes Gebäude in San José entdeckte. Dessen Fassade gab sich aus der Distanz jedoch nicht gleich als ein Juwel der Metallfassadentechnik aus dem 19. Jahrhundert zu erkennen. Zumal es sich um eine im neoklassizistischen Stil errichtete Fassade handelte und im Giebel über dem Eingang die Zahl 1890 mit der Ergänzung „Escuela“ (Schule) prangte. Ähnliche Schulen aus dieser Zeit wurden vorwiegend mit massiven, gehauenen Quadersteinen errichtet.
Gab es 1890 bereits aus Metall konstruierte Gebäude?
Zu meiner großen Verwunderung hat mir beim Begutachten der Fassade gefühlt jede zweite Person erklärt, dass es sich hier um eine „Fachada Metálica“ handelt. Obwohl ich kein Spanisch verstehe, versuchten sie wortreich und gestikulierend etwas über das Gebäude zu erzählen. Der Besuch im Nationalhistorischen Museum sollte Licht ins Dunkel bringen: Hier erhalten Besucher Informationen über die Geschichte und Entwicklung Costa Ricas. Das mit Metall bekleidete Gebäude wurde in der Abteilung Baukultur vorgestellt. In der Zeit nach der Unabhängigkeit von Spanien wird das Gebäude den fünf kulturhistorisch bedeutendsten Bauwerken Costa Ricas zugeordnet. Doch wie kam es dazu, dass sehr viele Costa Ricaner dieses mit Metall bekleidete Gebäude als „Escuela Metálica“ kennen?
Die Schule Buenaventura Corrales
Obwohl am Giebel die Zahl 1890 steht, wurde die Schule erst 1896 eingeweiht. Sie war das erste Metallgebäude in Mittelamerika. 1890 wurde das Bauprojekt vom Präsidenten des Bildungsamtes und Namensgeber Don Buenaventura Corrales genehmigt und dem belgischen Architekten Charles Thirion (1838 bis 1920) in Verviers (B) zur Planung und Ausführung anvertraut. Die Idee war, San José mit einem „Palast der Bildung“ auszustatten. San José, seit 1823 Hauptstadt von Costa Rica, erlebte Mitte des 19. Jahrhunderts eine demografische Explosion, was auch auf den Profit aus dem Kaffeehandel zurückzuführen ist.
Der Bau der Escuela Buenaventura Corrales war damit auch ein Teil dieser Dynamik. Das Gebäude erstreckt sich über zwei Ebenen auf einem u-förmigen Grundriss um einen zentralen Innenhof. Das formale Design bietet eine neoklassizistische Ästhetik ganz im Sinne der damaligen Zeit.
Erdbebensicher aus Metall
Im Jahr 1888 verursachte ein Erdbeben große Zerstörungen an gemauerten Gebäuden in der Stadt. Architekt Thirion zeigte planerischen Mut und hat sich aus verschiedensten Gründen für die Verwendung von Eisen und Metall für das gesamte Gebäude entschieden. Sein Hauptgrund war jedoch, dass Stahlkonstruktionen gegen Erdbeben standhalten können. Sie gleichen seismische horizontale Bewegungen, welche bei Erdbeben gegeben sind, sehr viel besser aus als starre, unnachgiebige Konstruktionen. Ideen für entsprechend erdbebensichere Metallbauweisen entstanden anlässlich der innovativen Weltausstellungen in Antwerpen 1885 und Paris 1889. Dort wurden Ausstellungspavillons in Leichtbauweise errichtet. Als tragende Elemente dienten Stahlgussstützen – die Flächen dazwischen wurden mit vorgefertigten Elementen aus Glas oder Blechen ausgestattet.
Logistische Glanzleistung
Ein Gebäude mit hohen ästhetischen Ansprüchen in einem Land ohne heimische Fachkräfte, unabhängig von den Baumaterialien, zu realisieren, ist fast unmöglich. Daher entschied sich der Architekt für einen Metallbau, der im „Danly-Metallvorfertigungssystem“ erstellt wird. Das Gebäude wurde dann auch in Belgien erworben bzw. dort von der Firma S.A. Forges d’Aiseau hergestellt. Die verschiedenen Bauteile wurden in Belgien produziert und dabei sogar ganze Fassadenteile vormontiert, wieder demontiert und jedes Einzelteil nummeriert und in einem Montageplan vermerkt. Entsprechend verpackt erfolgte der Transport von Antwerpen per Schiff nach Costa Rica, um dann in der Hauptstadt montiert zu werden. Auch nach über 130 Jahren sind die kompletten Eisen- und Blechteile am Gebäude immer noch die Originalteile! Ausgenommen vermutlich das Dach über dem Giebel des Haupteinganges. Typisch für nicht vorhandene Professionalität wurde dieser Dachbereich, wie so oft in Ländern dieser Breiten, irgendwann einmal mit Wellblechtafeln neu eingedeckt.
Historische Fassade unter der Lupe
Die Fassaden und auch das Gebäude selbst wurden im Laufe der Zeit mehrmals restauriert, meistens mittels eines neuen Farbauftrags. Das eiserne Schulgebäude wurde 2008 zum Weltkulturerbe erklärt. Damit es seiner Bedeutung als historisch bedeutsames Monument gerecht werden kann, erfolgte 2009 ein umfangreicher Restaurationsprozess. Ziel war es, die Bedeutung des Gebäudes bei der Bildung künftiger Generationen von Costa Rica zu unterstreichen. Um den Zerfall nachhaltig zu stoppen, war das Mittel der Wahl: viel, viel Farbe. Die Blechfassaden wurden in einem hellen lila Ton angestrichen, in Anlehnung an die blühenden Bäume im Park Morazán, an den das Gebäude angrenzt. Leider ist die lila Oberfläche inzwischen ziemlich ausgebleicht und die Fassade müsste bald wieder einer Renovation unterzogen werden. Dabei sollten die jetzt wieder sichtbaren Roststellen ebenfalls beseitigt werden.
Das Danly-System
Joseph Danly (1839 bis 1899) kaufte 1863 eine Schmiede in Aiseau. Er nutzte dort vorhandene Stanz- und Verzinkungsanlagen, um mit der Herstellung vorgefertigter Eisengebäude zu experimentieren. 1887 erhielt er ein (Verbesserungs-)Patent für eine schmiedeeiserne Konstruktion mit gusseisernen Verbindungsstücken und dünnen verzinkten Blechverkleidungen. Charakteristisch dabei waren Paneele mit um 90 Grad gefalteten Kanten und dort positionierten Löchern zur direkten Schraubbefestigung. Die Paneele wiesen konvexe geometrische Designs auf, die sowohl dekorative als auch strukturelle Funktionen erfüllten. Der eiserne Strukturrahmen (zumeist H-Stützen und Träger) ermöglichte die Errichtung aufwendiger und komplexer Gebäude, die oft zwei Stockwerke hoch waren. In den Innenhöfen wurden gusseiserne strukturierte Rundstützen verwendet, die auch als Ablaufrohre für das Regenwasser dienten.
Folgendes Konstruktionsprinzip kann als Vorgänger heute üblicher, beidseitig geschlossener Metallkassetten betrachtet werden: Die Blechplatten wurden sowohl an der Innen- als auch an der Außenseite des Rahmens angebracht, wodurch ein freier Innenraum entstand und somit eine Luftzirkulation innerhalb der Außenwände ermöglicht wurde. Die Innenbelüftung wurde zusätzlich durch Löcher in den Innenplatten in der Nähe der Decken und Böden sowie durch zahlreiche Fenster gewährleistet. Konstruktionen nach dem Danly-System wurden als schnell zu montieren und zu demontieren beworben, ohne dass dazu spezialisierte Arbeiter erforderlich wären. Lediglich ein oder zwei beaufsichtigende Techniker seien bereitzustellen.
Blick auf das Dach und Zusammenfassung
Nach dem Danly-System errichtete Gebäude verfügten über ein aufwendig gestaltetes Metalldach. Es bestand aus Blechelementen, die mit den Eisenrahmen verschraubt waren. Leider enthalten die noch einsehbaren Patente keine näheren Beschreibungen darüber.
Das Danly-System galt im Vergleich zu anderen Eisenbausystemen jener Zeit als sehr ausgeklügelt. Mehrere Faktoren trugen dazu bei, dass das Interesse an vorgefertigten Metallbauten in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wuchs. Im Zuge der kolonialen Expansion in Afrika und Asien sowie der Neuausrichtung Lateinamerikas wuchs die Nachfrage nach Baumaterialien, die sich problemlos über weite Strecken und durch schwieriges Gelände transportieren ließen. Darüber hinaus erforderte das tropische Klima Baumaterialien, die Fäulnis, Insekten sowie Bränden standhalten konnten. Eisen und Bleche wurden bald wegen der feuerhemmenden und feuchtigkeitsbeständigen Eigenschaften, ihrer Festigkeit und damit verbundenen Haltbarkeit geschätzt.
So wurden mit dem Danly-System der Firma S.A. Forges d’Aiseau Projekte in afrikanischen Kolonien, hier vor allem im Kongo (belgische Kolonie – Kirche von Boma), sowie in Lateinamerika (Chile, Peru, Brasilien, El Salvador und Costa Rica) realisiert. Einige der Bauwerke oder Teilbereiche davon existieren noch heute. Im Gegensatz dazu hörte die Firma S.A. Forges d’Aiseau im Jahre 1906, bedingt durch finanzielle Schwierigkeiten der Nachkommen von Joseph Danly, auf zu existieren.
Die Escuela Buenaventura Corrales war ein Geschenk des Landes Belgien an Costa Rica. Transport und Aufbau wurden von der Regierung von Costa Rica übernommen. Die damaligen Materialkosten würden heute nicht einmal mehr für den Transport von ca. 1000 t Eisen und Blech ausreichen.
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: Herbert Mock
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Bild: BAUMETALL
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Bild: Herbert Mock
INFO
Costa Rica (reiche Küste) ist ein mittelamerikanischer Staat mit rund 5,5 Millionen Einwohnern. Als Vorreiter in Lateinamerika zeichnet sich das Land durch eine stabile Demokratie, strikte Neutralität und einen bemerkenswerten Fokus auf Nachhaltigkeit aus. Die Abschaffung des Militärs im Jahr 1948 zugunsten von Bildungsinvestitionen ist ein Paradebeispiel dafür.
Mit nahezu 100 % erneuerbaren Energien im Strommix und einem beachtlichen Anteil von 27 % geschützter Landfläche ist Costa Rica ein Vorbild im Umweltschutz. Die außergewöhnliche Artenvielfalt, die auf nur 0,03 % der globalen Landfläche rund 6 % aller bekannten Arten beheimatet, unterstreicht die biologische Vielfalt dieses mittelamerikanischen Juwels.
Als weltweit erstes Land hat Costa Rica eine ausgeglichene CO₂-Bilanz erreicht und setzt damit Maßstäbe für nachhaltige Entwicklung.