Turkmenistan ist das Land der Wüsten und Oasen. Die Bauwirtschaft in diesem Wüstenstaat, der östlich vom Kaspischen Meer, nördlich vom Iran und südlich von Kasachstan liegt, gilt mit einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von rund einem Sechstel als eine der Hauptsäulen der Wirtschaft des Landes. Deutsche Baustoffe, Bau- und Gebäudetechniken und vor allen Dingen auch bauingenieurtechnische Dienstleistungen stoßen auf wachsendes Interesse.
Das Land Turkmenistan baut seine Infrastruktur weiter planmäßig aus. Und dies mit viel Mut, Konsequenz und hohem Engagement. Diese rasante Entwicklung ist nicht aufzuhalten und mit einem ebenso rasant wachsenden nationalen und internationalen Personenverkehr verbunden. Dazu gehört auch ein neuer international ausgerichteter Flughafen. So entschloss sich die Regierung 2013, auf einer geschlossenen Fläche von ca. 350 000 m2, direkt vor den Toren der Landeshauptstadt Ashgabat, den bestehenden Flughafen mit modernsten Terminals auszustatten. Die Baugesellschaft Polimeks Insaat mit Sitz in Istanbul gewann die Ausschreibung und zeichnet als Generalunternehmer für die Planung und Errichtung, deren Gesamtkosten auf mehr als 2,2 Mrd. USD geschätzt werden.
Ein Projekt mit gigantischen Dimensionen
Das komplette Flughafenprojekt umfasst den Bau von insgesamt 30 Gebäuden, darunter zwei Terminals für Passagiere (VIP und PTB), Frachthallen, den Flughafen-tower mit Leitzentrale und mehreren Verwaltungsgebäuden sowie den Air Traffic Control-Tower, ein Cargo-Terminal, eine Flugzeug-Wartungshalle mit einer Kapazität für drei Ebenen, ein Catering-Gebäude, neue Kraftstoff-Versorgungseinrichtungen, Gebäude für die Brandbekämpfung, Wartung, Reparatur und Lager-Einrichtungen sowie Gebäude für die Unterbringung der zivilen Luftfahrt-Schule und für Flug- und Kabinentraining und Flugsimulation und last but not least auch ein Krankenhaus, ein Schlafsaal, eine Sporthalle und mehrere Gebäude für administrative und technische Service-Einrichtungen. Im Außenbereich werden eine 7840 m lange CAT-III-Start- und Landebahn mit Code-F-Kapazität und eine neue, 3800 m lange Landebahn, Parkplätze für Flugzeuge sowie Indoor- und Outdoor-Parkplätze mit einer Gesamtkapazität für 3000 Fahrzeuge neu angelegt. Die Landebahn kann den Airbus A380 und die Boeing B747-8, die größten bestehenden Passagierflugzeuge, sowie parallel Rollwege und Abstellflächen unterbringen. Einschließlich der vorhandenen Start- und Landebahn und Rollwege, die weiterhin nach Modifikation verwendet werden, wird eine Gesamtverkehrsfläche von 2 428 344 m2 im Rahmen dieses Projektes entstehen. Die Kapazität des Flughafens soll bei 1600 Passagieren pro Stunde (über 15 Gates) und 200 000 t Fracht pro Jahr liegen.
Form und Gestaltung
In dem Planungsentwurf und der äußeren Gestaltung des Flughafenbereichs wurden unter anderem auch nationale Symbole und Werte Turkmenistans in das Projekt einbezogen. So symbolisiert die Silhouette des Terminalgebäudes einen riesigen Falken, der seine Schwingen hebt, um in die Lüfte zu steigen. Unmittelbar davor deutet eine kreisrunde Parkanlage auf das Wappen des Landes. Die geometrisch komplexe Form des Terminals konnte nur unter Zuhilfenahme komplexer Computertechnik entwickelt werden. Im Zusammenhang mit dem Großprojekt ergab sich erheblicher Bedarf an modernen Baumaterialien und Anwendungsmöglichkeiten. Zahlreiche Bauaufträge gingen an renommierte Hersteller und Bauzulieferfirmen aus dem Ausland. So auch der Auftrag für die Erstellung der Gebäudehülle, bei der die Firma Zambelli das Metalldachsystem Rib-Roof projektierte und lieferte. Nachfolgend wird der Verlauf des Großprojektes mit digital erzeugter Architektur und Gebäudehülle für das Terminalgebäude geschildert. Es wurde als komplette Einheit konzipiert, mittels 3D-Aufmaß vermessen und vor Ort passgenau zusammengefügt.
Tragwerk, Primärkonstruktion und Sekundärstruktur
In dem Raum zwischen äußerer und innerer Hüllschicht wurden Tragwerk und Haustechnik untergebracht. Unter Zuhilfenahme von digitaler Technik ließen sich die Gebäudekonturen insgesamt verschlanken, wobei die Tragwerksdimensionen und der Verschnitt der Fassadenkonstruktion auf ein Minimum reduziert wurden. Auf diese Weise gelang es, die unterschiedlich gebogenen Geometrien der Gebäude visuell als eine Einheit zusammenzufassen. So wie die einzelnen Körper individuell und doch ähnlich erscheinen, so wirkten die Platten jeweils gleich und anders. Diese aufwendige Gebäudehülle war nur mit digitaler Planung umzusetzen. Gewählt wurde eine zum Stabwerk aufgelöste Schalenkonstruktion, die in einer Serie von digitalen Gittermodellen entwickelt und durch ständiges Abgleichen mit den parallel durchgeführten, statischen Berechnungen und den Randbedingungen der verwendeten Materialien optimiert wurde. Hülle und Raum blieben dabei formal getrennt.
Parallel zur geometrischen Formfindung planten die Konstrukteure von Zambelli in 3D die strukturelle Gliederung der geschwungenen Oberfläche. Um die Fertigung des Tragwerkes zu vereinfachen, zerlegten die Ingenieure bei Zambelli die komplex gekrümmte Oberfläche in gekrümmte Polygonalkurven und unterschieden zwischen einer konstruktiven Primärstruktur und einer aussteifenden Sekundärstruktur. Das Primärtragwerk besteht aus bogenförmigen, polygonal geschweißten und im Querschnitt rechteckigen Stahlkastenträgern, die parallel angeordnet wurden. Zwischen den Trägern befanden sich quadratische Rohre als Sekundärtragwerk in Dreiecksteilung, welche die Trägerschicht in eine selbsttragende Schale verwandelten. Nach außen wurde die Schale aus Aluminiumprofilen Rib-Roof Speed 500 und einer Fassade aus Pohl-Kassetten im Farbton RAL 9016 geschlossen. Alle 250 km Rib-Roof-Dachprofile der doppelt gekrümmten Hülle wurden vor Ort profiliert, bombiert und mittels Richtclips und Richtprofilen in exakte Position gebracht. So konnten die Baukosten im Griff gehalten werden.
Rib-Roof-Metalldachsysteme
Materialien haben einen symbolischen Gehalt und verkörpern unterschiedliche Charaktere. Ihre Bedeutungen verändern sich mit Technologie und Kultur. Doch ihre Grundeigenschaften und ihre Festigkeit bleiben dauerhaft unverändert. Danach richteten sich auch die Kriterien für das Großprojekt Flughafenterminal Ashgabat. So wurden das Bekleidungsmaterial und die Dachabdichtung für die Gebäudehülle des Terminals nach Leichtigkeit, Verformbarkeit, Stabilität und Wärmeleitfähigkeit ausgewählt. Für die Dacheindeckung des Terminals entschieden sich die Projektverantwortlichen deshalb für ein Aluminiumprofil, das nicht nur leicht und elegant anmutet, sondern auf jeden Fall strapazierfähig, diffusionsoffen, regendicht, frostbeständig, umweltverträglich und recyclingfähig ist. Hier konnte das Rib-Roof-Aluminiumprofil von Zambelli seine Trümpfe voll ausspielen. Die technische Herausforderung der Gebäudehülle meisterte der Hersteller mit dem Rib-Roof Speed 500, dessen Dachlast trotz aufwändiger Unterkonstruktion in diesem Projekt nur 2 – 5 kg je Quadratmeter beträgt. Das ist sehr gering. Durch die gute Verformbarkeit des Profils und die harmonische und effiziente Moderation einzelner Bauprozesse der Gewerke der Gebäudehülle mit den Projektverantwortlichen erreichte man eine wirtschaftliche, ökologische und gestalterisch hochwertige Lösung der Bauaufgabe.
Zeitgenössische Architekturavantgarde mit 3D-Scan umgesetzt
Angesichts der zunehmenden Digitalisierung von Entwurfs- und Planungsprozessen der Architekten erweist es sich auch für Hersteller als notwendig, sich verfügbare Technologien für ihre Fertigungsprozesse anzueignen, um die Gestaltungsideen optimal und wirtschaftlich in die Realität umzusetzen. Die Integration von CAD (Computer Aided Design) und CAM (Computer Aided Manufacturing) ist heute aus der virtuellen Gestaltungswelt nicht mehr wegzudenken. Erst durch die Anwendung der digitalen Technik wird die Vorstellung und Umsetzung geometrisch komplexer Bauformen – wie die der Flughafenarchitektur des International Airport in Ashgabat/Turkmenistan – erst möglich und wirtschaftlich interessant. Ungeachtet dessen gehört das Objekt zu den wenigen gebauten Architekturen, die sichtbar computergeformt sind und im Gegensatz zu herkömmlich erstellten Baukomplexen eine einzige, mehrfach gekrümmte Großform in Szene setzen. Hierbei wird deutlich, wie handwerkliche, technische, künstlerische und wissenschaftliche Entwurfsmethoden Hand in Hand abgewickelt werden können. Das Ergebnis steht beispielhaft für die gegenseitige Bedingung von digitaler Entwurfsidee und handwerklichem Können.
Digitale Technik und handwerkliches Können
Für die gestiegenen Anforderungen an die virtuelle dreidimensionale Planung der Gebäudehülle hat Zambelli Rib-Roof die notwendige 3D-Kompetenz im gesamten CAD-Bereich bzw. Rib-Roof-Team weiter ausgebaut. Zambelli erarbeitete mittels Tachymeter, 3D-Scanner und 3D-Software die Werkplanung, berechnete und detaillierte die Flächen und lieferte für die komplette Gebäudehülle die Vorgaben für die passgenaue Montage der Dachhaut. Die mit dem Computer erzeugte Bauform ist wesentlich durch ihr Verhältnis zu Materie und Stoff charakterisiert, weshalb das Zusammenspiel von Digitalem und Analogem in der baulichen Ausführung eines rechnergestützten Entwurfes offenkundig wird. Das Materielle setzt das Digitale voraus, da sich die geometrisch komplexen Bauformen nur unter Einsatz des Rechners imaginieren und konstruieren lassen. Und das Materielle behauptet sich in der Form des Digitalen, indem die bedingenden Faktoren des Geländes, der Statik und der Mittel auf die Gestalterzeugung einwirken. Als Vorlage diente ein digitales 3D-Gebäudemodell, das mit einem flexiblen Plattenraster umschlossen wurde und das sich dem Kurvenverlauf der Form anpasste. Die geometrisch komplexe Modulation des Rasters und des Baukörpers ging aus einem computergestützten Formprozess hervor. So war es möglich, die mit eigenem 3D-Scanner erstellten 3D-Baustellenaufmaße der vorhandenen 3D-Planung für die Produktion der Rib-Roof-Profilbahnen zu überprüfen, notwendige Höhenausgleiche in der bauseitigen Unterkonstruktion positionsweise zu vermaßen sowie Montagetoleranzen zu überprüfen.
Mit Präzision und ohne größere Kompromisse
Die Anwendung der hochmodernen 3D-Software garantierte den Projektverantwortlichen, dass auch bei dem größten Bauwerk, wie dem Personal Terminal, Fehler und Mängel minimiert und gleichzeitig Überschreitungen des Budgets und der Zeitpläne vermieden werden konnten, ohne dass die Projektverantwortlichen schwerwiegende Kompromisse im Hinblick auf ihre künstlerischen Absichten eingehen mussten.
Das bedeutet enorme Einsparungen in Zeit und Euro, denn die Produktion der Rib-Roof-Profilbahnen auf der Basis der realen Baustelle (inkl. Erstellung des Verlegeplanes für die Monteure) ist nicht nur präziser, sondern wirkt sich auch günstiger auf Termine und Kosten aus, weil z. B. evtl. vorhandene Toleranzüberschreitungen aus den Vorgewerken rechtzeitig vor der eigentlichen Profilierung/Bombierung erkannt und ausgeglichen werden können. Nach Abschluss der Gestaltbildung des Personal Terminals (PTB) wurden die dreidimensionalen Geometrien der Arbeitsmodelle unter Zuhilfenahme eines 3D-Laserscanners in den Computer eingelesen und dort zur Erstellung von Werkplanungsunterlagen weiterbearbeitet. Diese Feature-basierten, parametrischen Modellierungssysteme in der Architektur dienten weniger der experimentellen Formfindung als der Vereinfachung und Automatisierung von Gebäudeplanung und Bauentwurf.
Fertigung und Konfektionierung vor Ort
Über 10 000 unterschiedliche Dachprofil-Geometrien galt es aufwendig zu vermaßen und als passgenaue Puzzleteile in die Gesamtstruktur einzufügen. Das Ergebnis ist perfekt inszeniert. Durch die sanfte Kurvung und sichtbare Schichtung der linearen Geschossvolumen fügt sich das Gebäude harmonisch in das umgebende Flughafenareal ein. Die von außen sichtbare Hülle aus Pohl-Aluminium-Paneelen erforderte nochmals handwerkliche Präzision des Verlegertrupps. Mit einer rundum laufenden Fuge um das Paneel von nur 15 mm als richtige Textur, die ein Muster ergibt, wirkt die insgesamt 32 000 m² große Außenhaut gleichmäßig und planeben gegliedert.
Für die Montage der Rib-Roof-Metalldachbahnen stellte der Hersteller vor Ort nicht nur eine mobile Fertigungseinrichtung (inkl. mobiler Bombieranlage) zur Verfügung, sondern auch für die gesamte Bauzeit den technischen Support für den Montagetrupp auf der Baustelle in Ashgabat sowie beim Projektentwickler in der Türkei. Die Zusammenarbeit erforderte von allen am Projekt Beteiligten eine gute Kameradschaft, die Bereitschaft, abstrakte Denkweisen nachzuvollziehen und sich mit neuen Vorgehensweisen vertraut zu machen. Wie ein riesiger Falke, der seine Schwingen ausbreitet, um in die Lüfte aufzusteigen, stets zum Aufbruch bereit, symbolisiert der neue International Airport Ashgabat mit seiner formexperimentierten zeitgenössischen Architekturavantgarde in neuem Gewand den Aufbruch in eine neue Zeit.
Autorin: S. Ruhrländer
Bautafel
Hochbauten Airport Turkmenistan
Bauherr: Landesregierung Turkmenistan
Generalunternehmer: Baugesellschaft Polimeks Insaat (Istanbul, Türkei), www.polimeks.com
Gebäudehülle Passagierterminals (VIP & PTB): Pohl-Gruppe, Köln, www.pohlnet.com
Tragwerk Dach, Planung und Herstellung:Zambelli Rib-Roof Metalldachsysteme,94569 Stephansposching, Deutschland, www.zambelli.de
Engineering, Supervising, Projektmanagement, Materiallieferung, Fachmontage: Baumetall Design Kft, Levente Barta, 1138 Budapest, Ungarn, www.baumetall.hu
Material: 250 000 lfdm Rib-Roof Speed 500 sowie Pohl-Fassadenkassetten RAL 9016 verschiedener Geometrien
Gebäudeeinheiten: Insgesamt 30 Gebäude, z. B.: Terminals für Passagiere, Frachthallen, Flughafentower mit Leitzentrale, mehrere Verwaltungsgebäude, Air Traffic Control-Tower, Cargo Terminal, Catering-Gebäude, Kraftstoff-Versorgungseinrichtungen, Gebäude für Brandbekämpfung, Wartung, Reparatur, Lager-Einrichtungen, zivile Luftfahrt-Schule, Flug- und Kabinentraining, Flugsimulation, Krankenhaus, Schlafsaal, Sporthalle, mehrere Gebäude für administrative und technische Service-Einrichtungen.
Flughafen-Kapazität: 1600 Passagiere pro Stunde, über 15 Gates, 200 000 t Fracht pro Jahr
Bauzeit: 2013 bis 2016
Fotos: Pohl-Gruppe, Zambelli, Baumetall Design Kft