Als Marvin Bellmann 2020 seine Gesellenprüfung ablegte, war schon klar, dass sein Weg ihn einmal von zu Hause wegführen sollte. Der Plan: in die Fußstapfen des Urgroßvaters treten und auf die traditionelle Walz gehen. „Ich habe mich intensiv mit der Walz auseinandergesetzt, habe Veranstaltungen besucht, Gespräche mit Wandergesellen geführt und mich in die Geschichte dieser alten Tradition vertieft. Drei Jahre und ein Tag – das ist keine Entscheidung, die man leichtfertig trifft“, erklärt der junge Handwerker nachdenklich.
Abenteuer Handwerk
Im Sommer 2024 sollte seine Reise beginnen. Er hatte einen Losziehbruder gefunden, der Job war gekündigt, alle Vorbereitungen waren getroffen. Doch als die Abreise näher rückte, wurden die Bedenken immer größer. Mit einer Mischung aus Zweifeln und Mut traf Marvin Bellmann schließlich eine Entscheidung, die ihm nicht leichtfiel: Er brach die Mission Walz ab. Nun stand der Klempner aus Sachsen vor einer neuen Herausforderung. Der alte Traum von der Walz hatte sich aufgelöst und es galt, einen neuen Weg zu finden. „Es wurde mir klar, dass es nicht um die Form der Reise ging, sondern darum, dass ich unheimlich gerne neue Erfahrungen machen wollte und darum, Handwerkstechniken zu entdecken“, erklärt er im Gespräch.
Auf nach Rumänien!
Durch Bekannte kam schließlich der Kontakt zu einem Tischler aus Rumänien zustande. Im Herbst 2024 packte der junge Mann seine Sachen und nahm den Flixbus von Dresden nach Rumänien.
Vor Ort angekommen, arbeitete Marvin Bellmann zunächst für eine Kirchgemeinde, doch es war der Kontakt zu den Kalderasch Roma in Brateiu, der seine Reise auf eine ganz neue Ebene hob. Diese Roma-Gruppe hat sich schon seit dem Mittelalter dem Handwerk der Kupferschmiede verschrieben. Einst waren sie als reisende Kesselschmiede entlang der Straßen unterwegs, heute leben sie sesshaft. „Es war ein unglaublicher Glücksfall, dass ich über mehrere Wochen mit Traian, einem Roma-Kupferschmied, arbeiten konnte. Ich bekam nicht nur einen tiefen Einblick in das Handwerk, sondern auch in die Kultur. Die Menschen dort sind unglaublich gastfreundlich, und von Anfang an war ich willkommen“, erinnert er sich.
Dabei ist das Leben in Brateiu anders als daheim. „Es ist viel ruhiger. Viele Dinge werden mit einfachsten Mitteln gemacht, und das Handwerk ist in vielen Bereichen noch genauso traditionell wie vor Jahrhunderten. Ein Akkuschrauber und ein Winkelschleifer sind die aktuellen Neuanschaffungen.“ Die Arbeit begann dabei mit drei Kupfertöpfen, die der Klempnergeselle unter der Anleitung seines rumänischen Lehrers anfertigte. Die Kommunikation? Kein Problem! „Wir sprechen beide ein bisschen Englisch und für den Rest hatten wir ja unsere Hände und Füße“, erklärt Bellmann mit einem Lachen. Vieles wird noch genauso gemacht, wie es die Vorfahren der Kalderasch Roma praktiziert haben – Kupfer wird am offenen Feuer ausgeglüht und das Werkzeug hat zum Teil einen musealen Charakter. „Es war surreal, in einer Werkstatt zu arbeiten, die so wenig von der modernen Welt berührt wurde. Vieles hatte ich bis dahin nur im Klempnermuseum gesehen“, erzählt er, „Gleichzeitig ist es faszinierend, wie der Wunsch nach mehr Technologie dort so gar nicht vorhanden ist.
Roma-Palast dank TikTok
Dem entgegen steht übrigens der Umgang mit den modernen Medien. Traian ist auf TikTok nämlich ziemlich erfolgreich und generiert so mittlerweile seine Aufträge. Das hat ihm nicht nur Anerkennung gebracht, sondern auch Wohlstand. Dank des Erfolgs konnte er sich einen sogenannten Roma-Palast bauen – ein prächtiges Haus, das von außen wie ein Schloss wirkt. Die Dachflächen sind verspielt, die Verzierungen opulent. Es ist eine Art Statussymbol, das den Wohlstand der Familie zum Ausdruck bringt.“
Neben Kupfergeschirr stellt der rumänische Handwerker vorrangig Destillen in allen Größen her. „Einige der Arbeitsschritte waren eine echte Herausforderung, besonders das Herstellen von Drahteinlagen mit einem einfachen Schlosserhammer und nur auf einer Platte“, erinnert sich Marvin Bellmann lachend. „Insgesamt war es eine tolle Erfahrung, und ich bin sehr dankbar, dass ich das Leben dort kennenlernen durfte.“
Aktuell befindet sich der junge Berufskollege wieder im heimischen Sachsen und möchte dringend weitere Handwerksabenteuer erleben. „Ich würde sehr gerne weiter reisen und Erfahrungen sammeln. Dabei lege ich den Fokus nicht nur auf alte Handwerkstechniken. Ich möchte vorrangig erfahren, wie andere Berufskollegen arbeiten und wo die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind.“
Voneinander lernen
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