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Himmlischer Kupferhelm

Mit Handwerk vom Fach kämpfen die Spengler der Firma Leib gegen das Unwetter. Sturm, Hitze und Feuchtigkeit hatten den Turmhelm auf der Klosterkirche St. Ottilien so schwer angegriffen, dass eine Sanierung unausweichlich wurde. Der Fachbetrieb Leib Spenglerei und Bedachungen aus Moorenweis erneuerte die Kupferdeckung und setzte das Kreuz auf der Spitze instand. Die Arbeit in 75 m Höhe allerdings verlangte dem Unternehmen, dessen Geschäfte die Spenglermeister Hubert, Ulrich und Michael Leib führen, einiges ab. Denn die Erzabtei in St. Ottilien hatte parallel zur Neueindeckung eine Fülle von Sanierungsmaßnahmen beauftragt.

Letze Handgriffe am restaurierten Turmkreuz

Bild: Leib GmbH

Letze Handgriffe am restaurierten Turmkreuz
Übergang vom Turmdach auf Kehle und Giebeldach

Bild: Leib GmbH

Übergang vom Turmdach auf Kehle und Giebeldach
Der Grundriss ergibt von oben betrachtet ein regelmäßiges Achteck

Bild: Rasch

Der Grundriss ergibt von oben betrachtet ein regelmäßiges Achteck
Eine provisorische Maßnahme sicherte die alten Scharen 

Bild: Leib GmbH

Eine provisorische Maßnahme sicherte die alten Scharen 
Fenstereinfassung

Bild: Leib GmbH

Fenstereinfassung

Gefalzter Turmhelm

Aufgrund der gravierenden Schäden musste der neugotische Turm einer Generalsanierung unterzogen werden. „Die starke Windlast am 30 m hohen Turmhelm hat im Laufe der Jahre die Kupferbedachung schwer beschädigt, damit gehen auch Schäden an Sparren und Schalung einher“, begründete Erzabt Wolfgang Öxler Mitte März den Beginn der Bauarbeiten. Die Kupferschare, die in Stehfalztechnik auf dem Dach verlegt waren, hatten sich zum Teil verformt. Durch die offene Glockenstube drangen Niederschläge ein. „Die vorhandenen Scharen waren 6 m lang, der Haftenabstand betrug bis zu 40 cm. Die Längenausdehnung war nicht berücksichtigt worden und Schiebehaften waren 1969 noch unbekannt gewesen. Die thermische Beanspruchung auf der Südseite des Turms hatte die Haften herausgerissen und der Wind die Profile ca. 30 cm hoch aufgewölbt“, erklärt Geschäftsführer Hubert Leib. „Um das Erscheinungsbild des Turms zu erhalten, kam für die Sanierung der rund 550 m² großen Dachfläche kein anderer Werkstoff als walzblankes Kupfer infrage“, ergänzt Michael Leib, der seinen Spenglermeistertitel 2012 erworben hat.

Die Erzabtei legte auch Wert auf eine erneute Montage der Schare in Stehfalztechnik. Die Dachgeometrie selbst ist alles andere als einfach. Der Grundriss des Turms besteht aus einem Achteck mit gleich langen Seiten, die acht fast identische Teilflächen ergeben. Im Vergleich zur demontierten Eindeckung fertigte der Fachbetrieb eine deutlich höhere Zahl kleinerer Kupferprofile mit einer Länge von nur noch 1,5 m. Außerdem berechnete der Statiker einen geringeren Haftenabstand von 20 cm. So entstanden für jede der acht Teilflächen rund 93 Scharen (insgesamt ca. 744). Diese hohe Zahl kürzerer Scharen erlaubte es den Spenglern, wesentlich mehr waagerechte Querfalze zwischen den Profilen einzufügen. Entlang der Falze stabilisieren sich die Profile gegenseitig, sodass die Eindeckung den Windlasten besser standhält.

Unterm weiß-blauen Himmel

Eine zeitgemäße Montagetechnik sichert die Festigkeit und zugleich die thermische Ausdehnung. Hubert Leib: „Am Kopfteil der einzelnen Scharen wurde ein durchlaufender Haftstreifen montiert. Alle anderen Haften sind Schiebehaften. Die Scharen können sich also nach unten ausdehnen.“ Die Spengler verwendeten ausschließlich Haften aus korrosionsbeständigem Edelstahl, deren Befestigung mit Rillennägeln aus Edelstahl erfolgte. Dass die Kräfte der Längenausdehnung nicht zu unterschätzen sind, verdeutlicht die Bauphysik. „Während im Sommer das Thermometer auf der Kupferdeckung auf bis zu 80 °C klettern kann, sinkt das Quecksilber im Winter weit unter den Gefrierpunkt. Temperaturdifferenzen von 90 K und mehr sind völlig realistisch“, beschreibt der Junior-Geschäftsführer die Wetterverhältnisse auf dem Klosterdach. Rein rechnerisch könnte sich eine Kupferschar auf einer Länge von 32 m um bis zu 53 mm ausdehnen und wieder zusammenziehen. Denn der Ausdehnungskoeffizient von Kupfer beträgt rund 1,7 mm/m bei 100 K, während der größte Abstand von der Traufe bis zur Bekrönung gut 32 m erreicht. Die zeitgemäße Befestigung verhindert, dass sich die Hitze staut, die Kupferdeckung verformt oder Risse entstehen. Nach der Demontage der alten Bedachung startete die Verlegung der 0,7 mm starken Profile Ende April. Um die neue Eindeckung vor Wassereintrag zu schützen, fügte die Spenglerei Dichtbänder in die Falze ein. Zum Schutz vor Feuchtigkeit wurde auf der Holzschalung eine dampfoffene Folie verlegt. Die Spenglerei installierte acht Lüfterhauben in der Turmspitze, die der Bildung von Kondenswasser entgegenwirken. Die Eindeckung umfasste ferner die Abdichtung der acht Satteldächer über den Kirchturmuhren und der dazugehörigen Attiken. In der Summe installierte der Fachbetrieb weit über 800 Profile am Turmhelm. Die Arbeit auf dem steilen Gefälle von 72° meisterten die Spengler des 1912 gegründeten Traditionsbetriebs mit Bravur. Die Fertigung und Montage bewältigten sieben Mitarbeiter, unter ihnen ein Meister, vier Gesellen und zwei Lehrlinge. Inzwischen hat sich auf der Oberfläche des Kupfers eine natürliche Patina gebildet, die den Werkstoff vor der Witterung schützt und die Langlebigkeit der wartungsarmen Eindeckung garantiert.

Im Feuer vergoldet

„Ein Glanzpunkt der Arbeiten war die Vergoldung des geschwungenen Turmkreuzes. Die stattliche, gut 5 m hohe Bekrönung besteht aus geschmiedeten Stahlsegmenten, die miteinander verschraubt sind“, so Michael Leib, der 2009 auch die Meisterprüfung im Dachdeckhandwerk abgelegt hat. Die Spenglerei demontierte das Kreuz und zerlegte es in ihrer Werkstatt in seine Einzelteile. Die Handwerker entfernten den Rost im Sandstrahlverfahren und erneuerten den Korrosionsschutz durch Spritzverzinken. Dabei wird geschmolzenes Zink in feinen Partikeln mit Druckluft auf der Stahloberfläche verteilt, auf der das flüssige Zink gut haftet. Die Vergoldung konzentrierte sich auf die vier diagonal angeordneten Lilien und ein Ornament im Zentrum des Kreuzes. Dieses Ornament symbolisiert das Herz Jesu, dem die Klosterkirche geweiht wurde. „Die vorhandenen Ornamente am Kreuz waren feuervergoldet. Der Restaurator Thomas Gross aus Steinach hat uns sehr tatkräftig bei der Demontage und Sanierung des Turmkreuzes geholfen. Er stellte auch den Kontakt zum Feuervergolder her, der diese sehr aufwendige Vergoldung noch ausführen kann“, sagt Hubert Leib. Rund 66 g Edelmetall stiftete die Spenglerei für die Feuervergoldung, die eine sehr haltbare Beschichtung mit elegantem, weichem Glanz hervorbringt.

Kreuz gesegnet

Das Verfahren mischt Feingold mit Quecksilber im Verhältnis 1 zu 6. Beide Metalle ergeben eine teigartige Substanz, die bei viel tieferen Temperaturen schmilzt als reines Gold (1063 °C). Das Amalgam wird auf offener Flamme erhitzt und auf dem Werkstück verteilt. Danach muss die mattgelbe Oberfläche auf Hochglanz poliert werden. Nach der Montage des aufgearbeiteten Kreuzes segnete der Erzabt Mitte September die Bekrönung. „Die Sanierung der Turmspitze einschließlich Turmkreuz in St. Ottilien wurde pünktlichst fertiggestellt. Das Ergebnis ist ein absolutes Highlight. Eine Spitzenleistung aller Beteiligten“, bewertet der Spenglermeister die Qualität der ausgeführten Arbeiten und die Einhaltung des Zeitplans.

Viel los im Turm

Die Neueindeckung orientierte sich maßgeblich am Merkblatt „Turm- und Tafeldeckung in der Klempnertechnik“ vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Vorgegeben ist eine Schalungsstärke von 30 mm. Da die alte Schalung nur 24 mm breit war, musste sie entfernt und ersetzt werden, um die Eindringtiefe der Rillennägel zu gewährleisten. Beim Abriss der alten Schalung traten massive Schäden an den Sparren zutage, die ebenfalls ausgebessert werden mussten. Die Sanierung erforderte eine Reihe weiterer Holzbauarbeiten, darunter die Ertüchtigung von Treppen, Zwischenböden und der Glockenstube. Die Erzabtei ließ außerdem den korrodierten Glockenstuhl erneuern und eine zusätzliche Glocke installieren. Angesichts zahlreicher Sanierungen, auf die das 1899 errichtete Kloster zurückblickt, versprach der Seniorchef dem Bauherrn: „Der neue Turmhelm hält 100 Jahre.“

Einer der acht Turmgiebel mit Kehle und Dachschmuckverwahrung

Bild: Leib GmbH

Einer der acht Turmgiebel mit Kehle und Dachschmuckverwahrung
Die neue Turmeindeckung im direkten Vergleich mit...

Bild: Leib GmbH

Die neue Turmeindeckung im direkten Vergleich mit...
... einer historischen Aufnahme der 1899 fertiggestellten Kirche

Bild: Sankt Ottilien

... einer historischen Aufnahme der 1899 fertiggestellten Kirche
Die Kehlausbildung erfolgte einschließlich entsprechender Sicherungsmaßnahmen wie den Einbau von Zusatzfalzen und sicherer Rückkantungen. Die Falze wurden ausnahmslos mit der M.A.S.C.-Falzeinlage ausgestattet

Bild: Leib GmbH

Die Kehlausbildung erfolgte einschließlich entsprechender Sicherungsmaßnahmen wie den Einbau von Zusatzfalzen und sicherer Rückkantungen. Die Falze wurden ausnahmslos mit der M.A.S.C.-Falzeinlage ausgestattet
Die abgetreppte Ortgangblende sorgt am Dachrand für Sicherheit

Bild: Leib GmbH

Die abgetreppte Ortgangblende sorgt am Dachrand für Sicherheit
Alle acht Turmansichten mit den entsprechenden Schareinteilungen

Bild: Leib GmbH

Alle acht Turmansichten mit den entsprechenden Schareinteilungen

Bautafel

Projekt: Generalsanierung des Turms und des Turmkreuzes auf der Klosterkirche Sankt Ottilien, St. Ottilien

Bauherr: Erzabtei Sankt Ottilien, St. Ottilien

Projektleitung: Dr. Odilo Rahm, Erzabtei St. Ottilien

Statik: Ingenieurbüro Herbert Bader, Windach

Fachbetrieb: Leib GmbH Spenglerei und Bedachungen, Moorenweis

Bedachung: Turmhelm: 550 m² Stehfalzdeckung, Kupfer walzblank, 0,7 mm, Kupferhersteller: KME

Fertigstellung: September 2019

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