Den gesamten Winter lang haben wir uns auf die Dachsaison 2022 vorbereitet. Um 5 Uhr am Morgen des 24. Februar wurde die Ukraine angegriffen. Im selben Augenblick haben all unsere Pläne ihren Sinn verloren. Normale Arbeit musste komplett abgestellt werden. Stattdessen hat sich jeder um die Sicherheit seiner Familie bemüht. Auch war mit dem Beginn des Krieges plötzlich bedeutungslos, wer welche Arbeit ausführt. Zahlreiche Geschäftspartner und befreundete Architekten saßen ab Tag eins in den Kellern von Charkow. Genauso erging es Handwerkern und allen anderen Berufsgruppen. Kindern. Senioren. Kranken. Gesunden. Wer konnte, hat sofort die Flucht ergriffen. In den ersten Tagen der Invasion war der Schock so groß, dass sich kaum jemand vorstellen konnte, wie es weitergehen würde. In Charkow hat nichts mehr funktioniert. Die Geschäfte waren geschlossen und jegliche Lieferungen gestoppt. Schon nach zwei bis drei Tagen war klar, dass es große Probleme mit der Versorgung der Bevölkerung geben würde. Der Zufall wollte es, dass mein Sohn Patrik und ich in dieser Zeit in Polen waren und nicht in Charkow. Das Einzige, was uns eingefallen ist, war, schnellstmöglich nach Charkow zu fahren, um zu helfen – eine Idee, die uns bis heute beflügelt.
Roofers help Ukraine: Der Anfang ist gemacht
Aus Sicherheitsgründen war es uns bis jetzt nicht möglich, persönlich nach Charkow zu fahren. Doch der Zufall wollte es, dass sich einer unserer Spenglerfreunde telefonisch gemeldet hat. Er fragte, ob wir bei der Organisation humanitärer Transporte helfen könnten. Zwei Transporter stünden dazu bereits auf ukrainischer Seite zur Verfügung. Das war die Geburtsstunde unserer Hilfsaktion „Roofers help Ukraine“.
Um möglichst effektive Hilfe zu organisieren, begannen wir zunächst, in Polen Hilfsgüter zu sammeln, um diese schnellstmöglich in die Ukraine zu bringen. An einem vereinbarten Treffpunkt verluden wir Lebensmittel, Kleidungsstücke, Babynahrung, Werkzeuge und vieles mehr, damit die ukrainischen Spenglerkollegen den Weitertransport in den Osten übernehmen konnten. Anfangs wussten wir nicht, ob wir überhaupt etwas zustande bringen würden, aber anscheinend wurde unsere Aktion vom lieben Gott gesegnet.
Unterstützung von offizieller Seite
Spontan hat Jarosław Margielski, Bürgermeister der polnischen Stadt Otwock, seine Hilfe zugesichert und für unsere Fahrzeuge offizielle Markierungen für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt. Er unterstützte uns auch dabei, den Erstbedarf dringend notwendiger Hilfsgüter und Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen. Dank seiner Hilfe konnte der erste Hilfstransport bereits wenige Tage nach Kriegsausbruch in die Ukraine fahren. Das war dann auch der Startschuss einer bis heute andauernden und inzwischen international unterstützten Hilfsaktion. Inzwischen startet alle zwei bis drei Tage ein voll beladener Transporter in die Ukraine und bringt unsere Hilfe bis nach Charkow.
Angespanntes Warten
Bei unserer ersten Hilfslieferung in die Ukraine hing die Frage in der Luft, ob die Sachen überhaupt ankommen würden. Umso größer war unsere Freude darüber, dass alles reibungslos geklappt hat. Von diesem Augenblick an waren wir regelrecht beflügelt, dieses gute Werk fortzuführen und weiter auszubauen.
Spontane Hilfe für Flüchtlinge
Auch wenn die Zeit noch so schlimm ist, gibt es unvorstellbar viele gute Leute in der Welt! Aus unterschiedlichster Richtung und oft völlig unerwartet erhalten wir Unterstützung. Fast so, als seien die Leute direkt vom Himmel geschickt worden. Wo ein Problem entstand, war auch sofort die Lösung und die entsprechende Unterstützung parat. So eine Solidarität habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.
Heute blicke ich auf Zeiten zurück, als tagtäglich bis zu 18 aus der Ukraine flüchtende Personen in meinem Haus übernachteten – von deren Katzen ganz zu schwiegen. Die Leute kamen an – wollten sich erfrischen, ausruhen, ausschlafen. Meine gesamte Familie und unsere Freunde haben die Flüchtlinge abgeholt, Tickets besorgt und deren Weiterfahrt organisiert.
Mein Haus war zeitweise so etwas wie ein Bahnhof mit Schlafmöglichkeit! Aber es war eine gute Zeit! Wir haben alle Kraft darangesetzt, trotz der Engpässe alles mit menschlicher Würde geschehen zu lassen. Und in diesem Zirkus haben wir parallel die Transporte organisiert. Manchmal frage ich mich, wie all das möglich war. Erklären kann es nicht.
Das Handwerk steht zusammen
Inzwischen ist es etwas ruhiger geworden und so finde ich Zeit, Gedanken zu sortieren und mich bei den zahlreichen Helfern zu bedanken. Zum Beispiel bei unseren Spenglerfreunden aus Deutschland und Südtirol, die sich bereits zwei Tage nach Kriegsausbruch bei uns gemeldet haben. Das Spengler-Netzwerk hat enorm schnelle Hilfe bereitgestellt. Beispielsweise haben BAUMETALL-Chefredakteur Andreas Buck oder M.A.S.C.-Geschäftsführer Martin Fischer sowie zahlreiche Vorstände des Internationalen Interessenbundes Baumetalle (iib) ihre privaten Sparschweine gesprengt, um schnelle Hilfe zu organisieren. Besonders bedanken möchte ich mich bei iib-Vorstandsmitglied Michael Kirchen aus Luxemburg, der uns geholfen hat, einen zweiten Transporter zu organisieren. Das relativ neuwertige Fahrzeug hat uns der Fachbetrieb Holzbau Steffen aus Luxemburg überlassen.
Auch Sprit ist Mangelware
Mit zwei Fahrzeugen auf der polnischen und zwei weiteren auf ukrainischer Seite konnten unsere Hilfstransporte wesentlich effektiver auf den Weg geschickt werden – auch weil die oben genannte Ersthilfe aus dem Spengler-Netzwerk die Versorgung mit inzwischen sehr teurem Diesel ermöglicht. Auf ukrainischer Seite ist Treibstoff nicht mehr zu kaufen. Und in Polen wurde inzwischen verboten, Kanister zu betanken! Aber auch an der Lösung dieses Problems arbeiten hilfsbereite Personen, die zum Beispiel bei der Lieferung humanitärer Hilfsgüter den einen oder anderen 80-Liter-Dieselkanister mitliefern.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viele gute Leute es in der Welt gibt!
Blick über die Grenze
Wie die polnische Bevölkerung Flüchtlinge aus der Ukraine und uns mit zahlreichen Hilfsgütern unterstützt, kann ich nicht mit Worten beschreiben. Vermutlich liegt es daran, dass die Ukraine unser direktes Nachbarland ist. Sprachlich und seelisch sind wir verwandt und wir leiden entsprechend mit. Aber Polen kann diese Last nicht alleine tragen. Wir haben das große Glück, dass wir eine internationale Spengler-Familie sind und Leute wie Andreas Buck, Peter Trenkwalder, Michael Kirchen und andere offene und gute Herzen kennen. Alleine hätten wir das nie geschafft! Auf ukrainischer Seite waren Iwan und Taras Swistun die Ersten, die ihre Busse zur Verfügung gestellt haben. Auch Maxim, einer der besten Spengler in der Ukraine vom Fachbetrieb Taras, und Iwan Swistun fahren inzwischen hauptsächlich humanitäre Transporte. Erwähnenswert dabei ist, dass Fahrten in der Ukraine aufgrund enormer Distanzen, etlicher Wachposten und Polizeikontrollen keine einfache Sache sind. Dennoch haben wir bisher unter schwersten Umständen etwa zehn Tonnen Hilfsmaterial nach Charkow bringen können.
Der Bischof und die Marianer-Priester aus Charkow spielen in diesem Transportkreis eine wichtige Rolle. Gemeinsam fahren sie die humanitäre Hilfe teilweise unter Beschuss dorthin, wo sie am nötigsten ist. Zwei unserer Transporte gingen z. B. an ein Haus, das von polnischen Ordensschwestern geführt wird. Dort lebten zeitweise 20 obdachlose Mütter und 30 Kleinkinder. Gott sei Dank wurden sie inzwischen evakuiert!
Hilfe, die jetzt von uns geliefert wird, geht hauptsächlich an Tausende Menschen, die in den Metrostationen Zuflucht gefunden haben. Durch den direkten Kontakt mit unseren Volontären aus Charkow können wir uns blitzschnell auf den sich sehr dynamisch verändernden Bedarf einstellen und das liefern, was wirklich nötig ist. Und seit sich Waleri Limarenko uns angeschlossen hat, sind unsere Lieferungen noch schneller in Charkow. Das ermöglicht uns, außer Konserven und haltbarer Nahrung auch frische Lebensmittel liefern zu können.
Ein Sattelzug aus Düsseldorf und Hilfe aus Stuttgart
Aufgrund des Krieges können unsere Helfer nicht arbeiten wie gewohnt. Stattdessen packen sie fleißig mit an. Natürlich sind wir auf weitere Hilfe aus dem Ausland angewiesen und entsprechend dankbar. Zum Beispiel hat uns mithilfe von Hans-Ulrich Kainzinger und dem Team des Enke-Werks ein komplett mit Hilfsgütern beladener Sattelschlepper erreicht. Und auch Verleger Robert Reisch vom Alfons W. Gentner Verlag und das Team der Fachzeitschrift „KK Die Kälte & Klimatechnik“ haben fleißig gesammelt und dringend benötigte Hilfsmittel nach Polen geschickt. Allen ist zu verdanken, dass sich unsere spontane Ersthilfe, die wie ein Tropfen im Ozean begann, weiterentwickeln konnte. Inzwischen agieren wir sehr konkret – stimmen Hilfsgüter genau auf die Bedürfnisse vor Ort ab und liefern sie dorthin, wo sie dringend gebraucht werden.
Ein Aufruf
Wenn ich die ukrainisch-polnische Grenze überschreite und in die Gesichter der ankommenden Flüchtlinge schaue, sehe ich große Traurigkeit. Kein Make-up der Welt könnte sie vertuschen und ich sehe sofort, wer aus sicheren und wer aus schwer beschossenen Gebieten der Ukraine kommt. Ich danke allen Helfern für ihre großartige Unterstützung und wünsche mir, dass jeder von uns ein kleines Stück seines Herzens mit diesen Leuten teilt. Wer unsere Arbeit für die Ukraine unterstützen möchte – sei es mit Geld, konkreten Hilfsgütern oder Worten, die von Herzen kommen –, kann sich gerne per SMS bei mir melden. Die Telefonnummer kann bei den Redaktionen der Fachzeitschriften KK Die Kälte & Klimatechnik und BAUMETALL angefragt werden. 
Nachrichten an Małgorzata Nowakowska werden weitergeleitet über: redaktion@baumetall.de
Nowakowska war Rheinzink-Geschäftsführerin in Polen und der Ukraine. Seit 2009 ist sie Geschäftsführerin von Edeldach, Ukraine.