Zurück in die Zukunft oder doch lieber umgekehrt? Egal! Der im März 2024 in Bern abgehaltene Spenglertag hat erneut zahlreiche Zukunftsperspektiven aufgezeigt, aber auch verdeutlicht, was die Branche derzeit am meisten bewegt: Es ist die Schwierigkeit, aus einer Vielzahl bestehender Möglichkeiten das passende Informationsangebot herauszufiltern. In einer Zeit der schnellen, aber zunehmend mit Fehlinformationen durchsetzten Informationsweitergabe wird es für Veranstalter immer komplizierter, entsprechende Angebote zielgenau zu platzieren. Erschwerend kommt hinzu, dass sich im Spenglerfrühjahr Veranstaltungstermine wie die Perlen an einer Schnur aneinanderreihen.
Und auch für Fachbetriebsinhaber und deren Mitarbeiter ist diese Entwicklung inzwischen ein Problem. Wer seinen Fachbetrieb möglichst zukunftssicher aufstellen möchte, ist auf vollumfängliche Informationsüberangebote angewiesen. Doch Zeit ist bekanntlich Geld und man kann ja immer nur auf einer Hochzeit tanzen. Bei Veranstalter und Teilnehmer kommen folglich Fragen auf:
Der 18. Schweizer Spenglertag ist in dieser Gemengelage keine Ausnahme. Auch die Schweizer Berufsorganisation Suissetec ist von rückläufigen Teilnehmerzahlen betroffen. Warum die Veranstaltung mit ihrem informativen und vielseitigen Programm dennoch ins Schwarze traf? Weil es die Organisatoren erneut verstanden haben, mit professioneller Durchführung und ausgewogenem Themenmix zu überzeugen und den Branchentreff so zu einer der führenden Fachveranstaltungen der Branche zu machen.
Fakten statt Wischiwaschi
Die richtungsweisende Eröffnung des Spenglertags durch Daniel Huser (Suissetec-Zentralpräsident) und Remo Wyss (Suissetec-Präsident Fachbereich Spengler, Gebäudehülle) verdeutlichte, was das Handwerk so bedeutsam macht. Es sind die rasante Entwicklung des Spenglerberufs mit allen damit einhergehenden Aufgaben und Anforderungen. Die voranschreitende Digitalisierung ist dabei ebenso bedeutsam wie die Brücke zwischen Innovation und Tradition.
Im ersten Vortrag gaben Markus Dürr (Leiter Marketing, Technik & Verkauf, Montana AG) und Patrick Wickli (TK Technik und Betriebswirtschaft, Suissetec) wissenswerte Informationen rund um fachgerechtes Bauen mit Sandwichelementen weiter. Dürr wies z. B. auf die Notwendigkeit fachgerecht eingebauter Dichtbänder hin. Diese sollten ausnahmslos auf der „warmen“ Gebäudeseite angebracht werden. Wickli untermauerte die Ausführungen mit aufschlussreichen Fotos und entsprechenden Schadensfällen, die bei Missachtung entstehen können.
Top-Vortrag Kreislaufwirtschaft ist wichtiges Zukunftsthema
Kreislaufwirtschaft – was geht das die Spengler an? Diese Frage stellte Prof. Dr. Dominik Walcher (Department Green Engineering and Circular Design, Fachhochschule Salzburg). In seinen Ausführungen gab der Architekt und erfolgreiche Fachbuchautor verblüffende Antworten. Walcher sprach über die von Menschen gemachten Auswirkungen auf das Klima und gab zu bedenken, dass der Begriff Kreislaufwirtschaft in diesem Kontext durchaus mit Fragezeichen behaftet sei. So sei der Einsatz von Kunststoffflaschen vergleichsweise aufwendig. Flaschen rückzuführen, zu schreddern, einzuschmelzen und neu zu produzieren ist energieintensiv. Schlauer wäre es demnach, Dinge mehrfach zu verwenden.
Ein weiteres Beispiel sind fest verbaute Akkus in Mobiltelefonen und anderen Geräten. Kurz: Die Kreislaufwirtschaft sollte verbessert werden – auch im Spenglerhandwerk. Entsprechendes Beispiel ist das Urban Mining. Der Begriff beschreibt die Tatsache, dass Städte und Infrastrukturen riesige Rohstofflagerstätten sind. Typische Beispiele sind Abrissmaterialien und Bauschutt. Ihrer Zusammensetzung entsprechend eignen sich zahlreiche Materialien dazu, mehrfach verwendet oder der Kreislaufwirtschaft zugeführt zu werden. Stichworte wie „getrennt rückbaubar“ zählen gerade für Spengler zu den Top-Argumenten. Im Gegensatz dazu nennt Walcher Turnschuhe mit fest verklebter Sohle oder Wärmedämmsysteme mit verklebten Putz- und Farbschichten. Auf diese Weise untrennbar miteinander verbundene Erzeugnisse nennt Walcher Frankensteinprodukte.
Strom vom Spenglerdach
Über Solarenergie, neuste Trends und wichtige Entwicklungen referierte Dr. Christof Bucher (Professor für Photovoltaiksysteme, Berner Fachhochschule). „PV-Module sind inzwischen so preiswert, dass es günstiger ist, ein Modul mit Tischbeinen auszustatten und als Tisch zu verwenden, als einen herkömmlichen Tisch zu kaufen“, sagt Bucher. Er sensibilisiert die Zuhörer und gibt gleichzeitig zu bedenken, dass die Ausstattung von Dachflächen mit PV-Anlagen herkömmliche Dacheindeckungen schon bald verdrängen kann.
In welchem Umfang die Suissetec Mitgliedsbetriebe beim Thema Photovoltaik unterstützt, schilderte Lars Kunath (Leiter digitale Lösungen Gebäudetechnik, Suissetec). Provokant sagte er: „Seien Sie dabei oder lassen Sie es bleiben! Der optimale Zeitpunkt zum Geschäftseinstieg ist jetzt!“
Noch mehr Fakten
Florian Schnyder (Leiter Fachbereich Spengler | Gebäudehülle, Suissetec) stellte aktuelle Merkblätter vor. Beispielsweise erstellte die Suissetec entsprechende Informationen über die Abdichtung von Konterlattungen oder die fachgerechte Ausführung von Wandanschlüssen. Laut Schnyder wird von der Suissetec aktuell die Wegleitung zur Flachdachentwässerung überarbeitet und ein Leitfaden zur Planung und Ausführung von Solaranlagen erstellt.
Über die akute Gefahr von Cyber-Risiken sprach Ivano Somaini (Regional Manager Zürich, Compass Security Schweiz AG). Überaus unterhaltsam schilderte der Experte, wie Daten gestohlen werden und wie man sich vor Datendieben schützen kann. Überraschend: Datenraub findet nicht zwangsläufig online statt. Auch achtlos weitergereichte USB-Sticks bergen ein großes Risiko.
Typisch Schweiz
Einer schönen Tradition folgt die Ausstellung mit anschließender Siegerehrung des Kreativwettbewerbs. Unter dem Motto „Typisch Schweiz“ waren dieses Mal 20 beachtliche Arbeiten aus dem 3. Lehrjahr im Rennen. In zuvor an den Schweizer Berufsschulen durchgeführten klasseninternen Wettbewerben wurden jeweils die drei besten Teilnehmer bestimmt. Die Crème de la Crème der teilnehmenden Klassen präsentierte im Finale im Berner Kursaal herausragende Arbeiten. Unter den bisweilen künstlerisch gestalteten Arbeiten waren z. B. Taschenmesser, Alphörner, ein Schlitten, ein Butterfass oder das Modell eines Jets der Patrouille Suisse. Das Siegerobjekt wurde während des Spenglertags mittels Onlineabstimmung und Beurteilung durch eine aus Fachleuten zusammengestellte Jury bewertet. Durchsetzen konnte sich letztendlich Peter Silas mit seinem „Schwyzerörgeli“. Für den ersten Platz erhielt der Nachwuchsspengler ein Preisgeld in Höhe von 1700 Franken.
Volltreffer und Zukunftsvision
Der diesjährige Schweizer Spenglertag zählt neben dem Deutschen Klempnertag und der Fachmesse Dach + Holz zu den Top-Veranstaltungen der Branche. Während es lediglich der Dach + Holz gelang, an die Erfolge vorangegangener Jahre anzuknüpfen, unterstreichen die beiden Fachsymposien trotz schrumpfender Teilnehmerzahlen ihre Bedeutung als relevanter Branchentreff. Der Spenglertag fungiert, wie sein deutsches Gegenstück, als wichtige Plattform für die Vermittlung von Fachwissen. Ergänzt durch die begleitende Fachausstellung und die umfassende Berichterstattung in Fachmedien entsteht ein Kompendium handlungsrelevanter Erkenntnisse, die maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg der Fachbetriebe beitragen. Am 25. April 2024 fand übrigens der Österreichische Dachtag in Wien statt. Auch diese Veranstaltung befasste sich mit relevanten Zukunftsthemen. BAUMETALL wird selbstverständlich entsprechend berichten und wer weiß: Vielleicht gelingt es den Veranstaltern aus dem deutschsprachigen Europa schon zeitnah, ein internationales Dach- und Fassadenforum zu organisieren. Der nächste Schweizer Spenglertag findet am 11. März 2026 statt.
Info
Muntwylers Visionen und mögliche Zukunftschancen
Im Vorfeld des Schweizer Spenglertages schlug Stephan Muntwyler (Fachbereichsvorstand Spengler | Gebäudehülle) eine Brücke aus der Vergangenheit in die Zukunft. Der engagierte Spengler-Visionär stellte die von Martin Luther King Jr. vor 61 Jahren gehaltene Rede „I have a dream“ der aktuellen Situation der Spenglerbranche gegenüber. Muntwyler wünschte sich dabei mehr engagierten Berufsnachwuchs und damit einhergehend mehr junge Menschen, die sich mit Begeisterung und Leidenschaft für den Spenglerberuf entscheiden. Schließlich, so Muntwyler, sei jedes durch Spengler vollendete Bauwerk ein bleibendes Zeugnis für die Arbeit und Leistungsfähigkeit der Handwerkskunst. Es sei demzufolge wichtig, dazu beizutragen, dass Spengler als Künstler wahrgenommen und geschätzt würden. Ihre Arbeit sei schließlich nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch und inspirierend.
Bezugnehmend auf das Verhältnis zwischen Herstellern, Lieferanten und Handwerkern malte Muntwyler ein Bild langjähriger Partnerschaft. Dem Motto „Der Preis ist das, was wir zahlen – der Wert das, was wir bekommen“ folgend, ging es ihm vorrangig darum, Wertschätzung und Anerkennung wieder stärker zu berücksichtigen. Anstatt Neid und Missgunst sollten Respekt, Toleranz und Großzügigkeit dazu beitragen, die Branche voranzubringen.
Internationales Dach- und Fassadenforum
Wie Muntwyler machen sich zahlreiche Branchendenker Gedanken um die Zukunft des Spenglerhandwerks. Immer öfter ploppt dabei die Idee eines internationalen Dach- und Fassadenforums auf. Initiiert von Veranstaltern aus dem deutschsprachigen Europa, birgt eine entsprechende Veranstaltung enormes Potenzial für die gesamte Branche. Idealerweise dient sie als Plattform für Networking, Diskussion und Produktpräsentationen und bietet Fachhandwerkern darüber hinaus die Möglichkeit, sich über aktuelle Trends, Innovationen und Best Practices auszutauschen.
Auch in der BAUMETALL-Redaktion stoßen solche Überlegungen auf offene Ohren. In einer Zeit, in der die Aufgaben der Fachbetriebe stetig wachsen und die Zeitressourcen begrenzt sind, ist die effiziente Informationsgewinnung von immenser Bedeutung. Ein internationales Forum böte die ideale Gelegenheit, in komprimierter Form relevantes Wissen zu erlangen und gleichzeitig wertvolle Kontakte zu knüpfen.
Um den Bedürfnissen der Fachhandwerker gerecht zu werden, sollte der Fokus auf qualitativ hochwertigen Inhalten und einem zielgerichteten Austausch liegen. Die Veranstaltung sollte kompakt und informativ gestaltet sein, um die knappe Zeit der Teilnehmer optimal zu nutzen.
Eine entsprechende Veranstaltung wäre durchaus dazu prädestiniert, Networking, Diskussion und Produktpräsentationen zu kompensieren. Die Tatsache, dass es für die Teilnehmer herausragende Möglichkeiten gäbe, Ideen auszutauschen und voneinander zu lernen, ist durchaus interessant.
Der Anforderung geschuldet, in möglichst kurzer Zeit die bestmögliche Informationsausbeute zu erzielen, könnte eine internationale Veranstaltung dazu beitragen, ins unermessliche wachsende Aufgaben der Fachbetriebe zu begleiten. Vor diesem Hintergrund scheint es nachvollziehbar, dass Fachhandwerker ihre ohnehin knappe Zeit bestmöglich nutzen möchten. Umso wichtiger wird es zukünftig sein, qualitativ hochwertige Angebote anzubieten.
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Stichwort „Internationaler Fachaustausch“