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Lange Scharen in Sankt Vith

Aluminiumdach hoch³

Ein Dreieck besitzt bekanntlich drei Seiten und drei Innenwinkel. Immer dann, wenn drei voneinander unabhängige Angaben zur Größe dieser Seiten und/oder Winkel vorliegen, ist es möglich, daraus die jeweils fehlenden übrigen Seiten und/oder Winkel zu berechnen. Auf ähnliche Weise könnte das Architekturkonzept des multifunktionalen Kulturzentrums im belgischen St. Vith entstanden sein. Tatsächlich wurde der moderne Neubau aufgrund von Rahmenbedingungen entwickelt, die mit der Ziffer drei sowie der geometrischen Form des Dreiecks in Verbindung stehen:

  • Das Königreich Belgien ist ein Bundesstaat, der drei Regionen (Flandern, Wallonien, Brüssel-Hauptstadt) und drei autonome Gemeinschaften (flämisch, französisch, deutschsprachig) umfasst.
  • Die Stadt St. Vith liegt am Dreiländer­eck nahe der belgischen Grenze zu Deutschland und Luxemburg.
  • Die unverwechselbare Architektur des Kulturzentrums ist an dreieckigen und trapezförmigen Flächen erkennbar.

Unübersehbar bilden die drei Gemeinschaften und Regionen, die geografische Lage sowie die Bauform das Eponym* des Kulturzentrums „Triangel“. Die geometrische Form des Dreiecks beherrscht sowohl die Raumaufteilung als auch die lebendige und bewegte Dachlandschaft des Triangel. Das Planungsteam um den St. Vither Architekten Daniel Blaise war mit der konsequenten Umsetzung des dreieckigen Baukonzeptes überaus gefordert. Die strikte architektonische Darstellung wurde zudem durch hohe baupraktische Anforderungen erheblich erschwert – auch auf der Dachfläche.

Dreieck an Dach und Rinne

Dreiecke, trapezförmige Dachflächen und vorbildliche Stehfalzarbeiten mit langen Scharen sind das Erkennungsmerkmal des multifunktionalen Kulturzentrums. Das mit einem 5000 m2 großen Stehfalzdach aus zinkbeschichtetem Aluminium ausgestattete Bauwerk wurde auf dem früheren Bahnhofsgelände der 10000-Einwohner-Stadt errichtet. Es besticht durch den konsequenten Einsatz von Stehfalztechnik auf zahlreichen markant geformten Dachflächen. Hintergrund: Der Städtebaudienst in Lüttich sprach im Vorfeld ein generelles Bauverbot für Flachdächer am Triangel aus. Um den großen Saal mit seiner Fläche von 571 m2 und der Höhe von 16 m dennoch ansprechend zu überdachen, entwarfen die Architekten eine weit nach unten reichende und fächerförmige Dachlandschaft. Dabei wurden einzelne Dachflächen größtenteils in Form unregelmäßiger Dreiecke angelegt.

Für den mit der Ausführung der Klempnerarbeiten beauftragten belgischen Fachbetrieb Jacobs und Sohn S.p.r.l. aus Burg Reuland stellten nicht nur die komplexen Dachlandschaften eine Herausforderung dar. Auch die einfallsreiche und zugleich mit zahlreichen dynamischen Elementen versehene und mutige Gestaltung der Dachrinnen verlangte Fingerspitzengefühl sowie eine akribische Umsetzung. Ungewöhnliche Dachentwässerungsdetails, beispielsweise schmale und elegant geformte Dreiecksrinnen-Konstruktionen, reduzieren die Zahl unschöner und vertikal zur Fassade verlaufender Abflussrohre auf ein Minimum. In der Summe gelang den Architekten ein ungewohnter und zugleich gewagter Wurf. Details wie der aus zwei Dreiecken konzipierte Schutzschild am Eingang eines Gebäudeteils geben ein weithin erkennbares Zeugnis davon.

Lange Scharen sicher befestigen

Die 5000 m2 große Aluminium-Stehfalzbedachung besteht aus bis zu 14 m langen Scharen. Eingesetzt wurde dabei falzbares, zinkbeschichtetes Aluminium aus dem Hause Kalzip. Das unter der Bezeichnung Falzinc bekannte und seit Jahren erfolgreich in der Klempnertechnik eingesetzte 0,7-mm-Material liegt formschön und verspannungsfrei auf einer tragenden Holzunterkonstruktion auf. Zur Befestigung wurden den Scharlängen angepasste Schiebehafte verwendet. Laut den Klempnerfachregeln des Zentralverbands Heizung, Sanitär, Klima (ZVSHK) sind bei der Verarbeitung falzbarer Aluminiumprodukte wie Falzinc oder Titansilber Scharenlängen über 10 m möglich und erlaubt. Voraussetzung: Der Schiebeweg der Scharen muss berechnet und entsprechende Spezialschiebehafte müssen eingesetzt werden. Informationen zu erhältlichen Spezialschiebehaften erteilt der Fachhandel.

Für die Ausdehnung ist bei Aluminium ein Wert von 2,4 mm je Meter Scharenlänge im Jahresverlauf anzusetzen. Als Berechnungsgröße sollte die Scharlänge (Mitte Festhaftbereich Schar­ende) verwendet werden. Allein der Einsatz von Spezialschiebehaften ist bei großen Scharenlängen jedoch nicht ausreichend. Durch große Scharenlängen verursachte Dehnungsbewegungen wirken sich unter anderem auf folgende Punkte aus:

  • Firstanschlüsse
  • Traufanschlüsse
  • Kehlen und Grate
  • Kamin- und Fenstereinfassungen, ­Sanitärlüfter
  • teilbeschattete Dachflächen
  • Dachflächen mit unterschiedlichen Bahnlängen

Direkt verfalzte Anschlüsse (etwa an Firstpunkten oder Dachdurchdringungen) führen bei großen Scharenlängen zu Dehnungsschäden. Ebenso sollten vorzugsweise vertiefte Kehlen ausgeführt werden, da sie Ausdehnungen in unterschiedliche Richtungen minimieren. Generell ist es unumgänglich, an genannten Anschlusspunkten zuvor errechnete Schiebewege, flexible Details und geeignete Vorhaltemaße zu berücksichtigen. Dachflächen mit unterschiedlichen Scharenlängen sowie Teilbereiche, die durch angrenzende oder höher liegende Bauteile teilverschattet werden, sollten durch geeignete Trennleisten unterteilt werden. Diese Maßnahme ermöglicht, dass nebeneinander liegende Scharen unterschiedliche Ausdehnungswege aufnehmen können.

Wichtige Maßnahmen für ein ­perfektes Ergebnis

Die Klempnerarbeiten am Kulturzentrum Triangel wurden optisch ansprechend und technisch perfekt ausgeführt. Die hier genannten und elementaren Hinweise zur Längenausdehnung wurden dabei ebenso beachtet wie die sorgfältige Verarbeitung aller eingesetzten Materialien. Außerdem wurden die Schiebewege der Falzinc-Scharen berechnet und entsprechende Spezialschiebehafte sowie Anschlussdetails eingesetzt. Objektabhängige Informationen zu möglichen Sonderscharlängen sowie den einzusetzenden Befestigungsmitteln erteilt der Fachhandel. Abschließend sei erwähnt, dass an Fassaden der Einsatz von Bahnlängen über 6 m grundsätzlich abgelehnt werden sollte. Stattdessen ist es sinnvoll, verschiebliche Querstöße anzuordnen.

* Ein Eponym ist ein Begriff, der eine Sache mit einer namengebenden realen oder fiktiven Person oder einem Ort verbindet.

UTOR: Stefan Holz

BAUTAFEL

Objekt: Kultur-, Konferenz- und Messezentrum Triangel, St.Vith, Belgien

Architektur: Design Blaise SCS & L. Nelles, Sankt Vith, Belgien

Fachbetrieb: Jacobs und Sohn S.p.r.l., Burg Reuland, Belgien

Dachfläche: 5000 m2 Aluminium-Bedachung

Material: Falzbares Aluminium Falzinc, Kalzip

Fotos: Kalzip

Quelle: Grenz Echo, ZVSHK

Autor

Stefan Holz

ist Produktmanager für die falzbaren Produkte von Kalzip (Falzinc, Dark Falzinc, Titansilber)

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