Wer den Bürobereich der Firma Reinbold betritt, entdeckt sofort zahlreiche Gegenstände. Fast alle wurden meisterlich aus Blech gefertigt. Aber nicht alle von den Meistern Friedrich und Thomas Reinbold selbst. Die Engelsfiguren sind stilisiert und vergleichsweise einfach herzustellen. Der Grundgedanke ist, dass Lehrlinge bereits nach kurzer Zeit solche Blechobjekte in wenigen Arbeitsgängen fertigen können, um sie der Mutter, der Oma oder anderen Verwandten schenken zu können. Etwas Selbstgemachtes, das die jungen Ersteller stolz macht auf das Geschaffene und begeistert. Und genau diese Begeisterung soll vermittelt werden. Soll Bindung schaffen. Begeisterung für den Beruf, für das Handwerk an sich, Identifikation mit Handwerk und Firma, wo sich Inhaber Friedrich Reinbold nicht ausschließlich als Chef versteht, sondern auch als Mentor. Mentor für seine Mitarbeiter, seinen Fachbetrieb, für „sein“ Spenglerhandwerk und darüber hinaus. Er ist mit seinem Beruf derart verwoben, dass man die einzelnen Fäden nicht mehr entflechten könnte, ohne das Ganze aufzulösen. Das gründet in der Tradition seiner Herkunft. Der Großvater, im Banat der Kaiserzeit ansässig, hatte eine Kärntnerin zur Frau und war schon als Schlosser, Wagner und Spengler aktiv. In den Kriegswirren schaffte es die Familie nach Kärnten zurück, wo sie sich in Friesach niederließ. Damals war Friedrich Reinbold am liebsten in der Werkstatt, sammelte Erfahrungen an der Drückbank beim Formen von Halbkugeln. Hatte mehr Spaß beim Werkeln als beim Drücken der Schulbank. Er würde das freilich bestreiten, denn die Schule ist wichtig, vermittelt das Rüstzeug fürs Leben, schafft eine Werkzeugkiste, in die man immer wieder hineingreifen kann, um das jeweils passende Tool auszuwählen. Und so, wie seine Erfahrungs-Box unendliche Kapazität hat, erscheint auch seine Werkstatt.
Während sein Sohn, der mittlerweile gleichfalls ein gestandener Meister seines Faches ist, immer mal wieder hilflos die Augen verdreht, wenn „da Vota“, also der Vater, wieder irgendwo eine vermeintliche oder tatsächliche Rarität aufgetrieben hat. Nicht so der Senior, dem dann regelmäßig das Herz übergeht. Friedrich Reinbold wird nicht müde, davon zu schwärmen, und schafft es, den bereitwillig Zuhörenden in seinen Bann zu ziehen. Wenn er erzählt, wie sie versuchen nachzuvollziehen, wie „damals“, zur Zeit der Entstehung, alles erdacht und ersonnen wurde, mit einem Ergebnis, das über viele Jahrzehnte in exponierter Dachlage den Unbillen der Naturgewalten trotzt. Neudeutsch wird der Vorgang heute „Reverse Engineering“ genannt. Die Spengler von damals mögen nicht mehr unter uns weilen, aber ihre Produkte leisten dies sehr wohl – und daran misst sich der Anspruch des Meisters von heute.
Lötwasser im Blut
In seinem Beruf versteht er sich zudem als Botschafter, als Mittler und bisweilen auch als „Einsager“, als Einflüsterer, wenn er, bodenständig im Mittelstand verhaftet und diesem quasi rund um die Uhr dienend, „denen da oben“, gemeint sind wahlweise die gewählten Volksvertreter, die Behördenvertreter oder die Parteifunktionäre, die Sichtweisen der Handwerker und Dienstleister näherzubringen sucht. Als Sprachrohr und Meinungsverstärker nutzt er seine teils über Jahrzehnte aufgebauten Kontakte und nimmt auch vor Kollegen, die angesichts des Fachkräftemangels dem Jammern anheimzufallen drohen, kein Blatt vor den Mund: „Geht zu den Kindern in die Schule und geht zu den Lehrern und zeigt denen, was unser Beruf alles kann und wie schön und befriedigend es ist, mit seinen Händen etwas Bleibendes zu schaffen!“, poltert er im Interview mit BAUMETALL-Autor Marc Warzawa los, als das Gespräch – derzeit nahezu unvermeidlich – auf die aktuellen Themen kommt, die einen Handwerksmeister plagen und nachts bisweilen nicht schlafen lassen.
Waren es vor Jahren noch die fehlenden Aufträge und der Wunsch, seine eingespielte Belegschaft zu halten, hat sich der Fokus in den letzten Jahren bekanntermaßen verschoben. Doch er spricht nicht nur davon, auf Jugendliche zuzugehen, sondern er schafft sich dazu Gelegenheiten, geht an Schulen, auf Messen und stellt dort seine maßstabsgetreuen Flieger aus Zinkblech aus. Jedem, der sich dafür interessiert, sagt er: „Das kannst DU auch!“ und hat damit schon manchen für den Beruf gewonnen. Doch bevor Friedrich Reinbold mit solchen Modellen an die Öffentlichkeit tritt, zieht er sich zurück in das ehemalige Meisterbüro, das rundum gespickt ist mit Kisten und Kästen, in denen fein säuberlich die real gewordenen Ergebnisse seiner Gedanken darauf warten, dass er Zeit findet, den Gedanken wiederaufzunehmen und in die nächste Phase zu lenken. Aber es wäre völlig falsch, ihm zu unterstellen, er sei ein Träumer oder Fantast. Vielmehr hat er seine bisherige Lebenszeit genutzt, sich einzubringen, und das sehen auch andere so, schätzen das und ehren ihn, überreichen Auszeichnungen, verleihen Ehrentitel. Die Wand auf der Treppe zu seinem Büro ist geschmückt damit, aufgelockert von einzelnen Urkunden anderer Familienmitglieder.
Heimatverbunden
Dass Friedrich Reinbold neben seinem Beruf auch mit seiner Heimatstadt verwoben ist, ist unübersehbar: Wer mit dem Spenglermeister Reinbold durch Friesach fährt, bekommt bisweilen den Eindruck, dass „der alte Fritz“, wie man ihn respektvoll und dennoch hinter vorgehaltener Hand zu nennen pflegt, versuchen würde, durch die Bewegung seiner Arme fliegen zu lernen. Denn eine Zeige-Bewegung auf die linke Straßenseite wechselt unvermittelt wieder auf die Gegenseite. Was von Weitem wie Ballett nach einer unhörbaren Musik oder dem Einstudieren eines modernen Ausdruckstanzes aussieht, ist in Wirklichkeit das Zeigen auf Örtlichkeiten oder Gegenstände, die im Laufe der Zeit unter Mitwirkung der traditionsbewussten und daraus ihren handwerklichen Stolz ziehenden Blech-Könner gefertigt wurden. „Traditionsbewusst“ heißt dabei keineswegs „hinterwäldlerisch“, sondern bedeutet, dass das Werkstück erst aus der Hand gegeben wird, wenn man selbst der Überzeugung ist, es guten Gewissens aus der Hand geben und den Einwirkungen der Elemente überlassen zu können. Das BAUMETALL-Team wünscht Friedrich, dass er noch möglichst lange über die Energie und den Antrieb verfügt, die ihm so eigen ist.