Dass Arbeitsverhältnisse abgebrochen werden, ist auch im Handwerk leider Tatsache. Besonders bei neuen Mitarbeitern ist die Gefahr der schnellen Vertragsauflösung recht groß. Die meisten Abbrüche gehen auf die Kündigung des neuen Mitarbeiters zurück. Weil Stellensuchende woanders keinen Arbeitsplatz bekommen und der Stellenanbieter dringend Mitarbeiter sucht, wird die Einstellung ohne exakte Prüfung schnell vorgenommen. Das erhöht die Abbruchquote um über 30 %. Hierfür geben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft gegenseitig die Schuld. Der Mitarbeiter reklamiert Überstunden, auch wenn sie bezahlt werden. Oder er begründet die Kündigung mit Überforderung und nicht eingehaltenen Zusagen: „Die Arbeit habe ich mir anders vorgestellt“, „Ich bin den Aufgaben doch nicht gewachsen“. Über- sowie Unterforderung schon in den ersten Wochen führen zum Abbruch. Die Einsteiger beklagen meist auch die hohen Erwartungen des Arbeitgebers oder der Kollegen.
Der Betrieb beklagt dagegen geringe Motivation, falsche Vorstellungen über die Arbeit und mangelnde Eignung für den Job. Es fehle dem Mitarbeiter an Identifikation mit seiner Aufgabe und an Durchhaltevermögen. Das Soziologische Forschungsinstitut in Göttingen (SoFi) sieht in neuen und ungewohnten Tätigkeiten für Einsteiger die Ursache der vielen Abbrüche. Wird der Abbruch einvernehmlich vorgenommen, gibt es wenigstens einen positiven Effekt: Der ausgeschiedene Mitarbeiter macht an seinem neuen Arbeitsplatz keine negative Mundwerbung.
Ist die Kündigung vom Arbeitnehmer erst einmal ausgesprochen, wird sie nur selten zurückgenommen, auch wenn der Betrieb bessere Voraussetzungen schafft. Für den Arbeitgeber entsteht deshalb Handlungsbedarf, noch bevor die Kündigung eintrifft. Unter der Zielsetzung „Nicht gleich hinschmeißen“ versucht der Betrieb durch ein Gespräch, den Mitarbeiter an Bord zu halten. Eine Vertragsauflösung ist auch für ihn unangenehm: Er muss sich einen neuen Arbeitsplatz suchen, und die Kollegen sind irritiert über sein Ausscheiden. Und das Team muss sich dann wieder an einen neuen Kollegen gewöhnen, ein Anpassungsprozess, der nicht leicht fällt, vor allem wenn es öfter vorkommt
Sorgfalt bei der Auswahl treffen
Trotz Personalmangel sollte nicht „jeder“, der sich um einen Arbeitsplatz bewirbt, eingestellt werden. Vertragsauflösungen können reduziert werden, wenn bei der Einstellung die Eignung besonders sorgfältig geprüft wird. Sorgfältiges „Onboarding“ vermeidet schnelles „Offboarding“. Je sorgfältiger die Personalauswahl, desto weniger Abbrüche gibt es. Im schlimmsten Fall wartet man weiter, als eine riskante Einstellung vorzunehmen. Im Vorstellungsgespräch stellt man Fragen, um viel von der Bewerberin oder dem Bewerber zu erfahren: „Warum hast du dich gerade bei uns beworben? Wo siehst du deine Stärken? Was erwartest du von uns? Auf was legst du bei der Zusammenarbeit besonderen Wert?“ Es ist durchaus üblich, dass sich eine weitere Person als Zuhörer am Bewerbergespräch beteiligt. Das kann der Ehepartner oder ein Mitarbeiter sein. Firmen bieten als Alternative zur Ausbildung erst einmal eine Praktikantenstelle an, eine gute Möglichkeit für den Bewerber, sich selbst zu testen.
Abbruch bei Fehlverhalten
Die Gründe für einen Abbruch vonseiten des Arbeitgebers sind vielfältig: Verstoß gegen Anweisungen, Verweigerung bezahlter Überstunden, Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften, Alkoholkonsum, Unpünktlichkeit, unerlaubte Nebentätigkeit, unentschuldigtes Fehlen. Vor dem Abbruch steht die Abmahnung, sie ist vor der Kündigung erforderlich (§ 314 Abs. 2 BGB). Die Abmahnung hat für den Mitarbeiter eine Warnfunktion und bezieht sich auf einen oder mehrere konkrete Verstöße. Anders als bei einem Kritikgespräch wird bei der Abmahnung schon von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesprochen. Entgegen weit verbreiteter Ansicht kann auch eine Abmahnung mündlich erfolgen, Schriftform ist nicht erforderlich, jedoch aus Beweisgründen sehr zu empfehlen. Die Warnfunktion wird entwertet, wenn bei erneuter Pflichtverletzung des Mitarbeiters wieder eine Abmahnung mit der Kündigungsandrohung erfolgt, aber nicht umgesetzt wird.
Die rote Karte
Aufgrund der Verhältnismäßigkeit kann es bei unerheblichen Verhaltensmängeln nicht zur roten Karte kommen, zum Beispiel bei einmaligem Vergreifen im Umgangston zu Kunden oder beim Vergessen eines unwesentlichen Termins. Hier ist allenfalls die gelbe Karte möglich. Entscheidend ist der Wiederholungsfall. Hat die Abmahnung keinen Erfolg, muss die Kündigung konsequent durchgesetzt werden. Nur so bleibt man dem Team gegenüber glaubwürdig und stellt sicher, dass eine Abmahnung ernst genommen und nicht für eine leere Drohung gehalten wird. Wer wiederholt mit der Kündigung droht und sie nicht vollzieht, entwertet das System der Abmahnung. Bei schweren Vertrags- und Vertrauensverletzungen, wie z. B. Diebstahl, ist eine sofortige fristlose Kündigung möglich, sofern der Fall eindeutig erwiesen ist. In der Praxis drückt man oft ein Auge zu, schaut lieber weg, als einen Mitarbeiter zu verlieren, der schwer ersetzbar ist. Der Fachkräftemangel ist auch dem Personal bewusst, weshalb Abmahnungen nicht immer ernst genommen werden. Die Regelung der Abmahnung darf nicht vom Fachkräftemangel abhängen.
Eine Abmahnung verliert an Kraft, wenn sie weit zurückliegt. Durch den Zeitablauf wird sie entwertet, wenn also längere Zeit kein Verstoß vorliegt. Nach etwa zwei Jahren kann sich der Arbeitgeber bei einem neuen Vergehen nicht mehr auf eine frühere Abmahnung beziehen und die Kündigung aussprechen. Der Mantel des Vergessens hat sich über den Sachverhalt gelegt.
Die Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn es um schwere Vertragsverletzungen geht, z. B. Veruntreuung oder Diebstahl. Man kann voraussetzen, dass dem Arbeitnehmer bewusst ist, dass es in diesen Fällen zur fristlosen Kündigung kommt. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien erschüttert, kann es durch eine Abmahnung auch nicht wieder hergestellt werden.
Prävention von Abbrüchen
Man unterscheidet zwei Arten der Prävention. Die primäre Prävention zielt darauf ab, die Neigung zu einem Abbruch vonseiten des Mitarbeiters erst gar nicht entstehen zu lassen. Für den Betrieb kommt es auch darauf an, Warnsignale des Mitarbeiters zu erkennen. Wer gut beobachtet, kann schnell erkennen, inwieweit die Motivation schon nachgelassen hat. Häufiges Zuspätkommen mit fadenscheinigen Erklärungen und Rechtfertigungen ist ein Signal. Mit der sekundären Prävention will man den drohenden Abbruch rechtzeitig erkennen und verhindern. Nach dem Defizitgedanken sieht man bei einem Neuen erst einmal, was er nicht kann, was ihm fehlt, wo es Pannen gibt. Zur Vorbeugung zählt, dass man ihm auch bei Fehlern nicht grundsätzlich das Vertrauen entzieht. Die positive Einstellung trotz einer Panne ist nicht nur Sache des Chefs, sondern auch der Kollegen. Sind die Erwartungen des Betriebs sehr ambitioniert und dauerhaft zu hoch, steht der Abbruch zur Diskussion. Allerdings haben nicht nur die Betriebe, sondern auch Mitarbeiter oft sehr hohe Ansprüche, die der Realität nicht entsprechen. Wer neu ist, will beispielsweise vielleicht schon in den ersten Tagen spüren, dass er im Team aufgenommen ist und durch seine Leistung zum Betriebserfolg beiträgt.
Die Verabschiedung
Bei einer Kündigung ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet. Der Chef darf sich über die Kündigung enttäuscht zeigen, nicht aber ärgerlich reagieren. Manche Vorgesetzte empfinden die Kündigung als persönliche Kränkung und verhalten sich bis zum letzten Arbeitstag frostig zum Betreffenden. Bei der Verabschiedung sollte man sich die Hand reichen und sich mit guten Wünschen für die Zukunft verabschieden. Eine gute Trennung hat intern wie extern einen positiven Effekt auf die verbleibenden Kollegen und das Image, das der Gekündigte nach außen trägt. Denn die Arbeitskollegen fragen sich: Wie wird es mir gehen, wenn ich irgendwann kündige? Muss ich mit Konsequenzen rechnen? Es kann nach dem Ausscheiden noch Fragen aus dem Arbeitsbereich geben, die sich bei einer positiven Verabschiedung besser klären lassen. Der Betrieb muss beim Trennungsprozess bewusst darauf achten, dass das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters bis zum letzten Arbeitstag erhalten bleibt. Und nicht zu vergessen: Es soll Mitarbeiter geben, die sich nach ihrer Kündigung erneut bewerben, weil sich die Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer geändert hat.