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Meisterliche Projektarbeit

Das Kreuz von Aleșd

Es ist Montag, der 2. September 2013 und es sind Sommerferien. Die angehenden Klempnermeister der Stuttgarter Robert-Mayer-Schule merken nichts davon. Eifrig beladen sie einen Kleinbus samt Anhänger mit Titanzink-Coils und ­einer kompletten Klempnerausstattung. Kurz darauf machen sie sich auf den Weg an den Rand der Karpaten – genauer gesagt nach Aleșd in Rumänien. Sie folgen einer Einladung vom Freundesverein ­Villingen-Oradea e.V., einer Einrichtung, die Armenhäuser, Altenheime, Suppenküchen oder Straßenkinderprojekte mit Kleidung, Möbeln, Arztpraxisausstattungen oder Schuleinrichtungen unterstützt. An einem zu sanierenden Internatsgebäude sollen die Meisterschüler Metall- und Dachdeckerarbeiten ausführen.

Nach 1600 km und zweitägiger Fahrt erreichen sie das Ziel. Das Internatsgebäude wurde von der Katholischen Kirche als Krankenhaus errichtet und von Ceaușescu enteignet. Nach 25 Jahren wurde es in völlig desolatem Zustand an den früheren Besitzer zurückgegeben. Vom Dach läuft das Wasser bis in den Keller und im Dachstuhl wächst Gras. Der dazu nötige Humus bildete sich aus den Überresten einst vorhandener Dachziegel. Es ist allerhöchste Zeit zum Handeln, zumal der Staat keine Mittel zur Renovierung bereitstellt.

Lang ersehnte Hilfe

Da kommen die Stuttgarter Meisterschüler gerade recht, denn in Rumänien kennt man nur den Bauhandwerker der „alles“ kann – Blechbearbeitung exklusive. Doch ob die Deutschen tatsächlich alles retten können? Sicher nicht, denn einsturzgefährdete Bauteile müssen zunächst von Grund auf saniert werden. Dennoch leisten die Meisterschüler um Ausbilder Daniel Wagner Beachtliches. Sie retten zwei total desolate Vordächer, indem sie diese von Grund auf erneuern und mit entsprechenden Dachrinnen versehen. Die Klempner fertigen Wasserspeier an und decken die Dachflächen mit Titanzinkscharen ein.

Gelungene Hausaufgaben und ein Titanzink-Kreuz

Auch in Rumänien ist Denkmalschutz ein wichtiges Thema und so warten weitere Bauaufgaben auf die Meisterschüler. Das zukünftige Schmuckstück des Internates soll das Verwaltungsgebäude werden. Auch hier regnet es seit Jahren herein und die Dachkonstruktion ist marode. Kurzerhand wird über dem ungedämmten Dach ein Dachausstieg hergestellt und ein Gerüst deutscher Bauart errichtet. Es wird gemessen, angerissen, gebördelt, gefalzt und gelötet, dass es eine Freude ist. Schon bald ist das Titanzink-Kreuz montagebereit. Rasch wird in seinem Inneren eine Urne verstaut, denn das ist bekanntlich Sitte bei den Klempnern. Wenn sie in gut 100 Jahren entdeckt werden sollte, erinnert sie an den Arbeitseinsatz der Klempner aus Stuttgart. Ebenfalls aus der Stuttgarter Lehrwerkstatt stammen vier imposante Titanzink-Dachspitzen. Die Zierelemente wurden per Lkw angeliefert und von rumänischen Handwerkern – wenn auch ein wenig schief – aufgesetzt.

Erfahrungen sammeln

Die Unterbringung erfolgte im Internat, das aus drei Schlafsälen mit insgesamt 45 Stockbetten besteht. Von Schreibtischen ist keine Spur, doch immerhin gibt es zwei Kühlschränke mit offenem Eisfach. Jeder Schüler hat einen halben Schrank und sein Bett – mehr Privatsphäre gibt es nicht. Dass im Winter sogar geheizt wird und warmes Wasser aus der Dusche kommt, ist für viele Kinder hier Luxus genug. Die Verpflegung besteht aus rumänischen Köstlichkeiten. Geliefert werden sie aus dem benachbarten Dorf, denn es spricht sich schnell herum, dass die Deutschen da sind. Und so wird alles aufgetischt, was Rumänien zu bieten hat. Die Meisterschüler sind sich einig: „Dieser Arbeitseinsatz hat uns bereichert. Nicht etwa durch das Taschengeld von 200 Lei, sondern vielmehr durch faszinierende Eindrücke aus einer Welt hinter dem einstigen eisernen Vorhang. Und wir ­haben dazugelernt, indem wir nicht nur fachliche, sondern vor allem menschliche Erfahrung sammeln durften.“

AUTOR: Hans-Peter Rösch

Autor

Hans-Peter Rösch

unterrichtet in der Fachschule für Metallbautechnik und in der Meisterschule für Klempnertechnik an der Robert-Mayer-Schule Stuttgart die Fächer Statik, Stahlbau, Fassadenbau und 3D-Konstruktion.

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