Herr Kiefer, das Smartphone ist ein ständiger Begleiter für Jugendliche. Wie lernen sie einen verantwortungsvollen Umgang damit?
Dass Jugendliche den richtigen Umgang mit neuen Medien lernen, liegt in unterschiedlichen Händen. Eltern sollten zuhause über Regeln sprechen, sie gemeinsam für die Familie aufstellen und dann auch selbst einhalten. Nur wenn ich selbst ein gutes Vorbild bin, kann ich das Thema glaubhaft vermitteln. Wenn ich als Elternteil selbst immer mit dem Handy beim Essen sitze und ständig abgelenkt bin, dann ist das wenig glaubwürdig. Junge Menschen brauchen Rahmenbedingungen. Da kommen dann auch Schu-len und Ausbildungsbetriebe ins Spiel. Jugendliche probieren aus, wie weit
sie gehen können.
Warum braucht ein Betrieb Regeln für die Mediennutzung?
Wenn es in meinem Ausbildungsbetrieb keine Regeln zur Handynutzung gibt, versuche ich erst einmal alles was geht und warte ab, wann es Konsequenzen gibt. Wenn niemand einschreitet, dann machen sich die Auswirkungen in schlechten Noten an der Berufsschule oder sogar Unfällen bemerkbar, weil ich bei der Arbeit abgelenkt war. Deswegen braucht es gleich zu Beginn klare Regeln, die schriftlich fixiert werden. In welchen Situationen ist das Handy absolut verboten, wo ist Gefahrenpotential und was ist ok? Auch bei Kunden macht es keinen guten Eindruck, wenn der Azubi ständig am Smartphone klebt.
Was kann ein Betrieb noch tun?
Im betrieblichen Kontext haben Vorgesetzte eine Vorbildfunktion. Die Regeln müssen folglich für alle Gültigkeit haben. Pflegen Sie das soziale
Miteinander und bieten Sie etwa gemeinsame Pausen an. Die Kontakte geben den Auszubildenden Bestätigung und Haltu nd Ausbildungsleiter erfahren im Austausch, was ihre Lehrlinge beschäftigt.
Wie erkennen Verantwortliche eine Mediensucht?
Wir sprechen von einem problematischen Substanzgebrauch. Der Begriff Sucht hemmt Menschen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Niemand möchte süchtig genannt werden. Wer einen problematischen Konsum mit Medien oder Alkohol hat, ist eher bereit, darüber zu sprechen und Lösungswege zu überlegen. Aber es ist nicht Aufgabe von Führungskräften Diagnosen aufzustellen. Als problematisch bezeichnen wir Medienkonsum, wenn der Betroffene durch sein Verhalten geschädigt wird, er zum Beispiel das Berufsschulziel nicht erreicht. Das zweite ist ein Kontrollverlust. Der Betroffene schafft es nicht, sein Verhalten zu ändern. Als drittes gibt er zugunsten der Medien andere Aktivitäten auf. Wenn diese drei Kriterien inner-halb von sechs Monaten dauerhaft auftreten, dann spricht man von einer Abhängigkeit. Das lässt sich auch auf das Verhalten im Bezug auf Onlinespiele oder die Sozialen Medien übertragen.
Was machen die Abhängigen an ihrem Handy?
Das ist vom Geschlecht abhängig. Männliche Jugendliche spielen eher. Mädchen sind eher auf den vielen Social-Media-Kanälen, wie Instagram und TikTok, unterwegs. Allerdings meist nur, um zu schauen. 99 Prozent konsumieren nur die Inhalte und tragen nicht aktiv etwas bei. Ebenso gibt
es das Binge-Watching, bei dem über Streaming-Dienste Serien ohne Unterbrechung geschaut werden. So vernachlässigen auch viele ihren
Schlaf und werden müde und unkonzentriert.
Wie kann ich unterstützen, wenn mir etwas auffällt? Wie hole ich den Betroffenen mit ins Boot?
Wenn es kein Fehlverhalten gibt, können Sie nur Angebote machen. Fragen Sie den Mitarbeitenden nach seinen Zielen. Was ist Dir wichtig? Möchtest du wissen, was in den Sozialen Medien passiert oder erfolgreich deine Ausbildung abschließen? Der Arbeitgeber muss es ansprechen, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten nicht mehr erfüllt, die Arbeitsqualität leidet, sich die Fehlzeiten häufen oder die Arbeitsmoral nachlässt. Damit es nicht soweit kommt, ist es gut, vorzeitig Regelungen zu finden. Wenn Sie Probleme bemerken, führen Sie ein Vier-Augen-Gespräch. ‚Ich habe das Gefühl Dir geht es nicht gut. Du bist unkonzentriert. Was ist denn los?‘ Stellen Sie offene Fragen. ‚Ich habe beobachtet, dass Du oft am Handy bist. Wie kann ich Dir helfen?‘ Sie können die Beratungsstelle empfehlen und klare Regelungen einfordern.
Gibt es Tricks, den Medienkonsum zu reduzieren?
Es geht nicht darum, komplett auf digitale Medien zu verzichten. Man kann seinen Medienkonsum nicht auf Null reduzieren. Es geht um eine vernünftige Balance zwischen der Mediennutzung und dem richtigen Leben. Betroffene können das Handy einfach in einem anderem Raum lassen und versuchen, das auszuhalten. Es hilft auch Smartphone-freie-Zonen zu schaffen. Im Büro und auch zuhause. Essenszeiten sollten Gemeinschaftszeiten mit der Familie oder dem Partner sein - ohne Handy.
Sie möchten mehr zu diesem Thema erfahren?
In dem kostenlosen Workshop „Mediensucht bei Azubis erkennen und damit umgehen“ geben Experten am 22. Juni von 16.30 bis 19 Uhr in der Bildungsakademie Singen Tipps. Eingeladen sind Ausbilder, Lehrkräfte und Lehrmeister. Referenten sind Lars Kiefer, Leiter des Kompetenzzentrums Mediensucht in Singen und Alexandra Hagen-Ettl, Ausbildungsbegleiterin der Handwerkskammer Konstanz.