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Legt eure ­Berührungsängste ab!

Wo auch immer man hinkommt, sind acht von zehn Leuten gerade mit ihrem Handy beschäftigt. Trotzdem zucken komischerweise immer noch viele zusammen, wenn sie das Stichwort „Digitalisierung“ hören. Dabei ist dies kein Hexenwerk. Beim Forum Handwerk Digital am 7. November 2019 in Rommelshausen bei Stuttgart erzählte Michael Kirchen vor knapp 100 Teilnehmern, wie er mit Online-Tools seinen Betrieb vorangebracht hat.

Mehr Freiheit für eigene Fertigung

Schon mit einfachen Mitteln können auch kleine Betriebe viel erreichen. Die richtigen Tools versetzen ein Unternehmen wie die Luxemburger Firma Ferisol mit momentan nur zwölf Beschäftigten in die Lage, anspruchsvolle Projekte umzusetzen. Denn sie machen auch ein Stück weit unabhängig von Herstellern, da man mehr Spielraum und Freiheit erhält, Metallelemente selbst zu entwerfen und zu fertigen. Und zwar auch ohne großartige neue und vielleicht teure Software. Denn etliche Funktionen stehen auch so zur Verfügung, werden aber nicht eingesetzt. So hat eine Büro-Telefonanlage üblicherweise eine Funktion für Gruppengespräche. Die finden aber nicht oder nur selten statt, weil sich die Mitarbeiter scheuen, solche Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen. „Nutzen Sie das, was Sie haben“, rät Michael Kirchen, „legen Sie die Berührungsängste ab.“

Visualisierung erspart viele Rückfragen

Der wesentliche Vorteil von digitalen Tools ist, dass alle Informationen immer aktuell, zeitnah (oder sogar in Echtzeit) für alle überall zur Verfügung stehen. Dabei sind die Geschäftsprozesse im Fokus, das heißt, der Informationsfluss zwischen Büro, Werkstatt und Baustelle, zu Kunden und anderen Projektbeteiligten.

Digitalisierung erschöpft sich also nicht darin, CNC-gesteuerte Maschinen anzuschaffen, und diese müssen auch nicht die allerneusten sein. Für Michael Kirchen hat vielmehr die Möglichkeit der Visualisierung eine zentrale Bedeutung, denn diese erlaubt, auch komplexe Sachverhalte ganz klar anhand von Bildern darzustellen, und erspart ihm, den Mitarbeitern und Kunden viele zeitraubende Rückfragen zu Details.

Mit Bauherren und Architekten auf Augenhöhe ­kommunizieren

3D-Darstellungen von Dächern oder Fassaden zeigen Kunden sehr anschaulich und überzeugend, wie ein geplantes Dach oder eine Fassade später aussehen wird. Das unterstützt das Verkaufs- oder Beratungsgespräch enorm und hilft auch bei der Kommunikation mit Bauherren und Architekten, die nun auf Augenhöhe stattfindet und den Handwerker vom bloßen Profileverleger zum modernen Dienstleister aufwertet.

In digitalen Projektordnern sind die relevanten Daten für alle verfügbar. Auch Mitarbeiter können Informationen ergänzen und aktualisieren. Die Ansprechpartner sind mit Kontaktdaten hinterlegt. Planungsdaten für die Fertigung werden direkt an die entsprechenden Maschinen geschickt. Auch die Erfassung von Arbeitszeiten – wer hat wann, wo und wie lange gearbeitet? – geht digital viel einfacher. Auf GPS-Tracking von Fahrzeugen verzichtet Michael Kirchen. Denn er ist schließlich kein Kontrollfreak: „So viel Vertrauen muss sein.“ Die Zeiterfassung erfolgt mit einer einfachen Kalender-App, die nicht nur zeigt, wer wann wo war, sondern auch, wer wann und für welches Projekt eingeteilt ist. Das erlaubt den Mitarbeitern voraus- und mitzudenken.

Mit der App My Measures Pro lassen sich Objekt­fotos bearbeiten und ergänzen

Bild: Christopher Schilz / Ferisol

Mit der App My Measures Pro lassen sich Objekt­fotos bearbeiten und ergänzen

Zentraler Speicherort für alle Informationen

Weitere Beispiele sind papierlose Protokolle, papierlose Bestellungen oder das papierlose Aufmaß mit My Measures Pro. Diese App unterstützt die Laser-Entfernungsmesser von Bosch und Leica. Wird ein Objekt fotografiert, lassen sich mit My Measures Pro dem Foto die Abmessungen sowie mehrere Detailfotos hinzufügen. Das Foto kann außerdem mit Pfeilen, Winkeln oder Textkommentaren ergänzt werden. Die App ermöglicht die Organisation der Projekte in Ordnern und die Synchronisierung auf verschiedenen Geräten durch die Cloud von My Measures.

Wichtige Daten und Dokumente werden in einer Cloud gespeichert oder in eine Dropbox hochgeladen, auf die alle Zugriff haben. Mit digitalen Tools kann man Zeichnungen oder Texte in Bilder einfügen, die ­genaue Anweisungen geben, was wo gemacht werden muss, die Maße benennen und wichtige Punkte markieren oder die Umgebungs­bedingungen vor Ort zeigen. „Bei uns sind alle Fotos nahezu in Echtzeit in der Cloud. Da können die Mitarbeiter die bearbeiteten Fotos sehen und sind über alles, was sie wissen müssen, informiert.“ Solche Apps sind sehr günstig zu haben und bringen einen enormen Mehrwert.

Unter anderem hat Ferisol Software der Firma Sema in Gebrauch, die sich auf Anwendungen für die Baubranche, insbesondere den Fassadenbau und Metalleindeckungen, spezialisiert hat.

Am Anfang steht eine detaillierte Analyse der Prozesse

Entscheidende Grundvoraussetzung für die Digitalisierung ist die genaue Analyse der Geschäftsprozesse: Welche Abläufe haben wir und was genau wollen wir digitalisieren? Damit auch digitalisierte Prozesse optimal funktionieren, müssen die Workflows bereits vorher mit Papier oder Telefon gut laufen und klar definiert sein. Dabei kann ein externer Dienstleister helfen, die eigentliche Vorarbeit aber muss (und kann nur) der Betrieb selber leisten.

Antrieb und Motor ist der Chef, er muss die digitale Umstellung wollen, konsequent vorleben und umsetzen. Dabei sind die Mitarbeiter natürlich mit ins Boot zu holen. Bei Ferisol hat jeder Teamleiter von der Firma ein ­iPhone bekommen – eine Maßnahme, die nicht nur die Vernetzung und den lückenlosen Informationsfluss sicherstellt, sondern auch den Mitarbeitern Wertschätzung signalisiert und zeigt, dass sie eine wichtige Funktion erfüllen und man ihnen Verantwortung überträgt. Mit den iPhones können die Teamleiter selbstständiger agieren und sind auch motivierter.

Reibungsloser Betrieb trotz Knie-OP

Seit 2011 hat sich das Konzept nun bewährt, auch in Ausnahmesituationen, wie zum Beispiel, als Firmenchef Michael Kirchen sich einer Knieoperation unterziehen musste. Im Krankenhaus war am Tag nach der Operation sein Laptop am Krankenbett, er war über alle Projekte auf dem Laufenden und konnte seinen Betrieb problemlos weiterführen. (Darüber berichteten wir in BAUMETALL-Ausgabe 6/2018.)

Ängste in Bezug auf Datenschutz hat Michael Kirchen nicht: „In Luxemburg ist das überhaupt kein Thema. Da gibt es auch keine Abmahn­anwälte.“ (Zumal die DSGVO nicht so schlimm ist wie allgemein befürchtet.) Ebenso wenige Bedenken hat er, die Firmendaten in einer Cloud abzulegen: „Wenn die Amis meine Projekte weiterbearbeiten wollen, dann gern!“ 

Am Nachmittag vertieften die Referenten die Vortragsthemen anhand praktischer Beispiele in Workshops

Bild: Max Winter

Am Nachmittag vertieften die Referenten die Vortragsthemen anhand praktischer Beispiele in Workshops

Info

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