Der Austausch mit Berufskollegen ist für mich niemals abhängig davon, ob ich mit Azubis oder erfahrenen Klempnermeistern spreche. Vielmehr interessieren mich Details sowie die Geschichten hinter den einzelnen Personen. Und um es vorwegzunehmen, stelle ich das Fazit dieses Beitrages voran. Es lautet: Die Offenheit der Berufsschüler aus Ulm überrascht mich sehr. Ich stand Lehrlingen gegenüber, die genau wissen, was sie wollen, was sie stört und wohin ihre berufliche Reise gehen soll. Aber der Reihe nach …
Zukunftsfragen
Wie sieht die Ausbildung im Klempnerhandwerk wirklich aus? Welche Herausforderungen und Chancen gibt es für die jungen Handwerker? Können sie ihre Fähigkeiten und Leidenschaften optimal einsetzen? Wollen sie das überhaupt? Oder sind die meisten von ihnen nur aus Zufall hier? Weil sie vielleicht kein besseres Angebot erhalten und die Klempnerlehre aus einer persönlichen Notlage heraus angetreten haben? Und wie viele der Schülerinnen und Schüler wussten vor dem Start ihrer Ausbildung eigentlich, was ein Klempner macht?
Diese und andere Fragen führen nach Ulm – genauer gesagt auf die Robert-Bosch-Schule, wo Auszubildende aus ganz Baden-Württemberg im Blockunterricht der Landesfachklasse für Klempner beschult werden.
Als ich das Schulgebäude betrete, werden Erinnerungen an meine eigene Ausbildung wach. Auf den ersten Blick hat sich seit den 1980er--Jahren nur wenig geändert. Kreidetafel, Tischreihen und Schüler, die mehr oder weniger aufmerksam zur Klassenzimmertüre blicken, wenn der Lehrer den Raum betritt. Im Vergleich zu damals fällt mir die ausgeprägte Aufgeschlossenheit der Ausbilder besonders auf. Zumindest im Kollegium von Studienrat und Ausbilder Peter Drews. Er begrüßt die Klasse, stellt mich als Fachjournalist der BAUMETALL vor und zack bin ich mittendrin. Danke dafür!
Auf Augenhöhe
„Darf ich du zu euch sagen?“ Kopfnicken. „Dann bin ich Andi“, entgegne ich und mache Tempo: berichte von meiner eigenen Ausbildung, meinem Wechsel in die Redaktion und davon, wie es ist, nach fast 20 Jahren wieder einen Lötkolben in der Hand zu halten. „Löten ist wie Radfahren“, sage ich: „Du verlernst es offensichtlich nie.“ Zum Beweis zeige ich ein Flugzeugmodell aus Titanzink, dass ich im Rahmen eines BAUMETALL-Workshops hergestellt habe. Der Flieger wird durch die Reihen gereicht und fachmännisch unter die Azubilupe genommen. Nebenbei stelle ich die erste Frage. „Wer von euch ist zufällig hier?“ Ich bin überrascht. Nur ein Auszubildender zeigt auf. Er hätte keine Vorstellung davon gehabt, was Klempner machen. Umso besser gefällt ihm seine Ausbildung heute. Ganz anders war es offensichtlich bei den meisten seiner Mitschüler. Einige erzählen, dass sie schon immer handwerklich begabt waren und gerne mit Metall arbeiten. Andere berichten, dass sie durch Praktika, Schnuppertage oder Empfehlungen auf den Beruf aufmerksam geworden sind. Schnell verstehe ich, dass ich jungen Berufskolleginnen und -kollegen gegenüberstehe, die Spaß an ihrer Ausbildung haben. Die Möglichkeit, sich mit anderen Auszubildenden auszutauschen und voneinander zu lernen, schätzen sie offensichtlich besonders.
Wie läuft es in deiner Firma?
Dann berichten die Auszubildenden von Schwierigkeiten und Problemen, die sie in ihrer Ausbildung erleben. Sie nennen Faktoren wie den hohen Arbeitsdruck, die körperliche Belastung und witterungsbedingte Nachteile bei der Arbeit. „Wenn du bei Wind und Wetter auf dem Dach arbeitest und ein Drittel weniger verdienst als ein Azubi im Zimmererhandwerk, dann fragst du dich schon, was das soll“, sagt ein Azubi und seine Mitschülerin fügt an: „Und wir Klempner lernen sechs Monate länger. Da verdienen die Zimmerfrauen bereits richtig gutes Geld.“
Die Diskussion kommt in Fahrt. Immer wieder höre ich von einem verschenkten ersten Lehrjahr. Davon, dass die Unterbringung der Klempnerlehrlinge in diversen Mischklassen der Landkreise wenig zielführend und die vermittelten Lehrinhalte sehr praxisfremd sind. „Wäre es besser, die Ausbildung vom ersten Tag an im Landesfachklassen-Block-unterricht zu organisieren“, frage ich? „Aus heutiger Sicht auf jeden Fall“, lautet die übereinstimmende Antwort. Viele der Azubis hätten dennoch Bedenken oder eventuell nicht den Mut gehabt, die Ausbildung dann anzutreten.
Ein weiteres Problem sind fehlende Kenntnisse, die eigentlich in den Fachbetrieben vermittelt werden sollten. „Seit ich in der Ausbildung bin, bauen wir nur Systemfassaden“, berichtet ein Schüler. Er habe noch keine vernünftige Lötnaht gemacht oder eine Kaminverwahrung gebaut. „Wie soll ich da die praktische Prüfung bestehen?“, will er wissen.
Der fliegende Trainer
Ich frage, ob es Sinn machen würde, Ausbildungsbetrieben einen fliegenden Trainer zur Seite zu stellen. Dieser könnte bedarfsweise angefordert werden. Etwa dann, wenn im Ausbildungsbetrieb bestimmte Tätigkeitsvermittlungen auf der Stelle blieben. „Die Idee ist klasse“, sagt ein Azubi und ein anderer gibt zu bedenken: „Mein Chef würde dafür keinen einzigen Cent ausgeben. Für den bin ich nur eine billige Arbeitskraft.“ In diesem Zusammenhang sprechen wir auch über Austauschprogramme und den zeitbegrenzten Lehrstellentausch. Die Ansichten der Lehrlinge – auch die der Azubis aus elterlichen Betrieben – sind interessant: „Mein Chef würde sich aus Angst, dass ich nach der Lehre in den anderen Betrieb wechsle, niemals auf einen Austausch einlassen.“
Vier Klassengruppen in vier Stunden
Im selben Tempo und derselben Qualität führe ich drei weitere Klassengespräche. Immer wieder werden fehlende Wertschätzung, mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit, die geringe Attraktivität des Handwerks für junge Leute und natürlich der Fachkräftemangel thematisiert. Was mich jedoch am stärksten aufhorchen lässt, ist das Killerkriterium rund um die aktuell zu geringen Verdienstmöglichkeiten.
Die Hoffnungsträger des Handwerks
Zusammengefasst nehme ich mit: Den Auszubildenden sind die großen Herausforderungen im Handwerk bewusst. Sie wissen, dass es nicht genug Nachwuchs gibt, um die Lücken zu füllen, die durch den demografischen Wandel und die Abwanderung von Fachkräften entstehen. Sie wissen, dass das Handwerk ein Imageproblem hat, das viele junge Leute davon abhält, sich für eine Ausbildung im Handwerk zu entscheiden. Und sie wissen, dass das Handwerk sich verändern muss, um mit den Anforderungen der Digitalisierung, der Energiewende und der Nachhaltigkeit Schritt zu halten.
Fortsetzung folgt!
Trotz Schattenseiten sind die Azubis der Ulmer Landesfachklassen weder resigniert noch verbittert. Im Gegenteil: Sie sind optimistisch und engagiert – haben eine Vision davon, wie das Klempnerhandwerk in Zukunft aussehen könnte und sollte. Sie haben Lust, ihren Beruf zu verbessern und attraktiver zu gestalten. Kurz: Sie haben Bock, sich für ihr Handwerk einzusetzen. Genau dazu bietet BAUMETALL Unterstützung an. Geplant sind weitere Gesprächsrunden, die zum Ziel haben, die jungen Kollegen aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft zu beteiligen.