Hans Peter Rösch lässt seine Worte wirken, die im Foyer der Robert-Mayer-Schule noch etwas nachhallen, und schaut währenddessen seine neun „Schützlinge“ an. Diese haben sich samt Freunden und Verwandten am dritten Sonntag im Januar eingefunden, um ihre Meisterstücke vorzustellen. Was als Provokation hätte aufgefasst werden können, rief bei den so Angesprochenen jedoch ein wissendes und zustimmendes Nicken hervor. Denn sie hatten sich in den zurückliegenden Wochen den Herausforderungen des ersten Teils der Meisterprüfung gestellt und begriffen, dass sich Erfolg nicht von selbst einstellt, sondern aus dem Bewältigen zahlloser kleiner und großer Hürden besteht. So erfuhren die Anwesenden, dass zuerst Entwürfe gemacht und der Prüfungskommission unterbreitet werden mussten. Diese wiederum stufte ein, ob der Vorschlag eines Meisterstücks würdig war, und hatte in den meisten Fällen noch etwas auszusetzen, offiziell schönfärberisch „anzuregen“ genannt: Der Übergang sei ja ein guter Ansatz, aber der Falz müsse gedreht sein, ein anderer Falz könnte verdeckt sein oder eine Fläche mittels Treibarbeit aufgelockert werden, beispielsweise.
Abenteuerliche Reise
Dass sich die Meisterschüler auf ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang eingelassen hatten, zeigte sich auch daran, dass sich nicht alle, die angetreten waren, auch über eine erfolgreich abgelegte Prüfung freuen konnten, was die Gescheiterten zu Diskussionen über die Bewertungsmaßstäbe, Herausforderungen und letztlich die Sinnhaftigkeit der Meisterprüfung veranlasste. Rösch erzählte davon, indem er herausstellte, dass sich die Kriterien zur Erlangung des Meistertitels weniger an den Vorlieben einzelner Ausbilder orientieren als vielmehr an gewachsenen Gepflogenheiten, existierenden Anforderungen und nicht zuletzt den „Messlatten“, die frühere Meisterschüler gelegt hatten. Weil die Robert-Mayer-Schule diesen Ehemaligen noch immer etwas bedeutete und sie sich gleichzeitig vom Stand des „Nachwuchses“ überzeugen wollten, hatten mehrere „Altmeister“ ebenso den Weg zur früheren „Penne“ gefunden wie auch der langjährige Fachlehrer Gert Brenner. Wer sich in seiner Nähe aufhielt, bekam den fachlichen Inhalt mehrerer Jahrgänge ebenso komprimiert mitgeteilt wie Anekdoten, ohne jedoch Namen zu nennen. Zwar ist das Gemäuer der Robert-Mayer-Schule noch nicht so alt, aber die Meisterschüler bekamen sehr wohl auch vermittelt, dass sie in einer Reihe von herausfordernden Stücken stehen und es nun an ihnen sei, diese in Gestalt von bislang nicht gezeigten Formen und Kombinationen fortzusetzen. Geschichte als Wiederholung? Nein: Sie wird fortgeschrieben.
Digitale Hilfsmittel
Dass das Lernen alles andere als verstaubt ist und zeitgemäße Technik(en) in den Unterricht integriert werden, zeigte sich beispielsweise daran, dass sämtliche Meisterstücke in CAD computergestützt gezeichnet waren. Dabei wurden die späteren Körper dreidimensional konstruiert und Abwicklungen erstellt. Vorbei die Zeiten, als Bleistift, Radiergummi, Tusche und Transparentpapier das Maß der Dinge waren: Die per Computer erstellten Objekte wurden elektronisch eingefärbt und schattiert, um so den räumlichen Eindruck zu vervollkommnen. Ein großer Farbdrucker, Plotter genannt, übertrug dann die elektronischen Lichtpunkte auf Papier. Die ausgedruckte Konstruktion wurde in voneinander abgetrennten Bereichen aufgehängt und davor die Prüfstücke ausgestellt. So konnte jedes Meisterstück direkt und inklusive der maßstabsgetreuen Abbildung verglichen werden. Dabei zeigte sich erneut, wie exakt die Objekte gearbeitet worden waren.
Start in ein neues Leben
Martin Höch hob als Vorsitzender der Prüfungskommission hervor, dass nun die „wichtigste Hürde“ bestanden sei, in der die Kreativität jedes Einzelnen zur Geltung kam. Fachlehrerin Claudia Nägele zollte den Arbeiten ebenfalls Respekt, während sie sich eine Spitze nicht verkneifen konnte, dass in den Fächern der Theorie mancher wieder ernsthaft die Schulbank drücken müsse und mehr schwitzen würde als in der Werkstatt. In Einzelgesprächen erklärten sieben von neun Meisterschülern ihre Motivation und dazugehörende Beweggründe, einen Meisterkurs zu belegen, mit familiär gestellten Weichen. Für die Befragten ist es klar, nach dem Bestehen der weiteren Teile Fachkunde, Buchführung sowie Menschenführung in die entsprechenden Familienbetriebe einzusteigen, wo man schon ungeduldig auf den Nachwuchs warte, wie zu erfahren war.
In weiteren Gesprächen wollte Schulleiter Axel Huber von den Meisterschülern wissen, wie sie auf die Form der Prüfungsstücke gekommen waren. Dabei ging die Bandbreite der Antworten von einer Traumsequenz, die am nächsten Morgen in einer konkreten Idee mündete, über eine Mischung aus bereits realisierten Stücken, Anregungen aus dem häuslichen Umfeld bis hin zu Teilen aus einem gerne ausgeübten Hobby.
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Das Meisterprojekt des Jahrgangs war die Renovierung des Rappenpavillons in Freudenstadt. Über die Rettung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes berichtete BAUMETALL in Ausgabe 6/2023. Das Projektvideo ist in der BAUMETALL-YouTube-Mediathek und der Beitrag online abrufbar.