Vor 17 Jahren konstruierte Christian Ziegler seine Königskobra aus Kupfer. Für die Fertigung belebte der damalige Meisteranwärter das Schweifen und Treiben kreativ neu und kombinierte die Techniken mit einer computergestützten Abwicklung. Bei der Prüfung an der Stuttgarter Robert-Mayer-Schule ging es nicht nur um die Faszination gefährlicher Tiere. „Die Idee war damals, etwas zu machen, was noch niemand vorher gewagt hatte“, begründet der heutige Klempnermeister seine Motivation und unterstreicht damit die Wichtigkeit des Leserwettbewerbs Vision Masterpiece. Dazu BAUMETALL-Chefredakteur Andreas Buck: „Das Anfertigen von Klempner-Meisterstücken ist für die Fachwelt, aber auch Laien überaus beeindruckend. Christian Ziegler ist es in vorbildlicher Weise gelungen, ein herausragendes Meisterstück zu entwerfen und zu realisieren. Ich bin überzeugt davon, dass Zieglers Meisterschlange in den Leserwettbewerben ‚Vision Masterpiece‘ und ‚Meisterstück des Jahres‘ erfolgreich wäre, denn sowohl der Entwurf als auch die perfekte Umsetzung sind gelungen und 17 Jahre später immer noch faszinierend. Grund genug, das außergewöhnliche Meisterstück in einem Fachbericht ausführlich vorzustellen.“
Metallkünstler Ziegler modellierte die gut 3,1 m lange Figur in Angriffsstellung mit geöffnetem Maul und gespreizten Halsrippen. Kopf und Hals stehen aufrecht und werden vom liegenden Teil des Körpers stabilisiert. Dadurch erreicht die statisch ausbalancierte Figur eine Höhe von immerhin 750 mm. Der Körper streckt sich nicht in die Länge, sondern windet sich mehrfach auf einer Fläche von ca. 700 x 699 mm. Diese runden Formen, gewölbten Oberflächen sowie die detaillierte Gestaltung der Schuppen, Augen und Zähne sind der eigentliche Glanzpunkt der Skulptur. Dass die Fertigung tatsächlich mit flachen Kupfertafeln startete, ist einer gründlichen Planung zu verdanken. „Die Abwicklung habe ich intensiv mit CAD betrieben, jedoch der Kommission nur das Nötigste vorgelegt, um möglichst viele Freiheiten bei der Ausführung behalten zu dürfen“, blickt der kreative Klempner zurück. Bei der Übertragung der dreidimensionalen Form in die zweidimensionale Ebene zerlegte der Handwerker die Figur in mehrere Segmente: Kopfbereich mit Hals, Körpermitte und Schwanzende. Die Segmente wiederum teilte er virtuell in Halbschalen, die er auf plane Kupfertafeln zeichnete und ablängte.
Mit dem Hammer geformt
„Bei meinem Vorschlag war die Kommission sehr skeptisch und verlangte zumindest irgendwo einen Falz. Den habe ich dann im Schlund der Schlange versteckt“, so Ziegler, der die Wölbungen und Details durch Schweifen und Treiben des Werkstoffs formte. Beim Schweifen wird das Kupfer durch gleichmäßige Schläge mit einem Hammer örtlich gestreckt, wobei sich das seitlich verdrängte Material krümmt. Dabei wird das Metall sehr dünn und hart. Beide Techniken ermöglichen komplexere Geometrien, als jede Maschine sie hervorbringen kann. Die Bandbreite der Formen an der Figur ist erstaunlich groß: Kopf und Hals sind wegen der Halsrippen (Spannweite: 240 mm) flach gewölbt. Vom Hals abwärts verändert sich der Körperbau zu einem runden Querschnitt, dessen größter Durchmesser ca. 90 mm beträgt. Die Schlange verjüngt sich immer weiter bis zur Schwanzspitze, die fast 176 mm über dem Boden aufragt. Im Vorfeld hatte sich der Klempnergeselle mehrere Negativschablonen aus Holz geschnitzt, die dazu dienten, die Rundungen ins Metall zu schlagen. Speziell für die Schuppen am Hals entwarf der Meisteranwärter eine Schablone im Maßstab 1 : 1. Vor dem Einarbeiten dieser Schuppen mussten die gewölbten Profile sogar ausgeglüht werden, damit ihre Formbarkeit erhalten blieb. Nachdem alle Strukturen in die Kupfertafeln gehämmert waren, schweißte der Handwerker die Halbschalen zu Segmenten zusammen. Die Einzelteile wurden so präzise aneinandergefügt, dass die dezenten Schweißnähte völlig unsichtbar bleiben.
Rekordverdächtig
Aufgrund der zeitintensiven Hammerschläge benötigte der Meisterschüler statt der vorgegebenen 45 Stunden 52 Stunden und 30 Minuten. „Die Überschreitung der Ausführungszeit gab natürlich Punkteabzug und ich würde aus heutiger Sicht wohl einige Teile vorgefertigt zur Prüfung mitbringen“, räumt der talentierte Profi ein, der beim Schweifen den Rekord der lautesten Prüfung aufstellte, die jemals an der Schule durchgeführt wurde. Mit dem Meisterbrief in der Tasche gründete Ziegler 2008 seinen eigenen Betrieb. Das Unternehmen aus Stuttgart-Hedelfingen verlegt Metalldächer, installiert Solaranlagen und führt klassische Klempnerarbeiten aus. Im Internet und in den sozialen Medien vermittelt der Geschäftsführer lebendige Eindrücke von der Arbeit, garniert mit Impressionen von der Kupferkobra.