Fehlende Bedenkenanmeldungen, unterlassene Baubehinderungsanzeigen oder die Verletzung von Prüf- und Hinweispflichten beschäftigen die Gerichte kontinuierlich. Das OLG Saarbrücken hatte Ende des letzten Jahres wieder einmal einen Fall zu entscheiden, bei dem das Fehlen von Bedenkenanmeldungen in die Haftungsfalle für den Auftragnehmer führte. Ähnlich hatte auch das OLG Rostock klargemacht, dass in den Fällen, in denen eine Werkleistung auf einer anderen aufbaut, Prüfpflichten hinsichtlich der Vorleistungen anderer Unternehmer wahrgenommen werden müssen. Aus den Urteilen ist zu entnehmen:
OLG Saarbrücken
Urteil vom 13.10.2011, Az.: 8 U 298/07
- Der Auftragnehmer schuldet im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk; hieran ändert auch die Vereinbarung einer bestimmten, nicht zur Herbeiführung der Funktionstauglichkeit geeigneten Ausführungsart nichts. Undichtigkeiten, die an einem Dach entstehen, weil der Auftragnehmer die geplante und untaugliche Ausführungsart nicht gerügt hat, führen in die Haftung.
OLG Rostock
Urteil vom 11.06.2009, Az.: 3 U 213/08
- Steht die Arbeit eines Werkunternehmers in engem Zusammenhang mit der Vorarbeit eines anderen Unternehmers oder ist sie aufgrund dessen Planung auszuführen, muss er prüfen und gegebenenfalls auch geeignete Erkundigungen einziehen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten und keine Eigenschaften besitzen, die den Erfolg seiner Arbeit infrage stellen können. Das gilt erst recht, wenn ein Fachunternehmer sein Werk in ein gegebenes Gebäude einpassen muss.
Prüf-, Aufklärungs- und Hinweispflichten können sich aus unterschiedlichen Praxissachverhalten ergeben, denen sich ausführende Unternehmen gegenübersehen. Vorgenannte Urteile widmen sich der Frage der Anordnungen bestimmter Materialien oder Bauteile bzw. fehlerhaften Planungen und der Vorleistungen anderer Unternehmer.
Vorleistungen anderer Unternehmer
Die in o.g. Urteil angemahnte Prüf- und Hinweispflicht ist in dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben des BGB verankert. In der VOB/B ist sie ausdrücklich geregelt, und zwar in § 4 Nr. 3 VOB/B. Unternehmer erbringen ihre Werkleistungen regelmäßig in engem Zusammenhang mit anderen Unternehmern, die entweder vor oder nach ihnen am Bau beschäftigt sind. Wichtig ist:
- Baut die Arbeit des Unternehmers auf der Vorarbeit anderer auf oder führt er sie aufgrund deren Planungen aus, muss er diese Vorleistungen prüfen und gegebenenfalls auch geeignete Erkundigungen einziehen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten und keine Eigenschaften besitzen, die den Erfolg seiner Arbeit infrage stellen.
Es gibt Urteile, die den Unternehmer nicht ursächlich wegen eines vorliegenden Mangels, wohl aber wegen der Unterlassung der Prüfung in die Haftung geraten ließen. Blindes oder ignorantes Vertrauen auf Vorleistungen führt geradewegs in die Falle. Ein Auftragnehmer muss also z.B. prüfen, ob die Ausführung von Vorarbeiten die ordnungsgemäße Verlegung von Metallfassaden oder Dacheindeckungen zulässt und insoweit die Vorleistung eine geeignete Grundlage für seine Folgeleistung darstellt. Die Untersuchungsverpflichtung kann nur im Rahmen der zweckgerichteten Verbindung zwischen Vor- und Nachleistung bestehen. Auch nachfolgende Arbeiten anderer Unternehmer bedürfen ggf. einer Hinweisverpflichtung. Im Rahmen der Mängelbeseitigung ist der Auftragnehmer z.B. verpflichtet, die erkennbare Beschaffenheit der Leistung anderer Unternehmer zu berücksichtigen und auf eventuelle Risiken für Leistungen von Nebenunternehmern, die auf seinem Werk aufbauen, hinzuweisen, so das OLG Oldenburg in einer Entscheidung vom 27.04.2006 - 8 U 243/05. Leistungen, die nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit stehen, hat der Unternehmer nicht zu prüfen, denn dies würde die Zumutbarkeitsgrenzen übersteigen. Allerdings trifft den Auftragnehmer auch die Pflicht zur Anmeldung von Bedenken bei nachträglich auftretenden Problemen.
- Für den Umfang der Prüf- und Hinweispflichten ist maßgebend, ob dem Auftragnehmer bei der von ihm als Fachunternehmen zu erwartenden Prüfung Bedenken hätten kommen müssen.
Wird die Bauleistung von einer Fachfirma mit besonderen Spezialkenntnissen ausgeführt, so verstärkt sich die Prüfungspflicht. Der Auftragnehmer ist zur Mitteilung von Bedenken auch dann verpflichtet, wenn diese erst während oder nach der Ausführung entstehen, so das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 19.07.2006 - 11 U 139/05.
Folgen unterlassener Prüfpflichten
Kommt der Unternehmer seiner Prüfungs- und Hinweispflicht nicht nach und wird dadurch das Gesamtwerk beeinträchtigt, so ist seine Werkleistung mangelhaft. Selbst dann, wenn der Unternehmer seine Werkleistung fachgerecht und vertragsgemäß erbracht hat, kann eine Prüf- und Hinweispflicht gegenüber seinem Vertragspartner darin bestehen, dass er diesen auf die für ihn als Fachmann erkennbaren Probleme oder Gefahren hinweist, die von den Besonderheiten seiner Werkleistung ausgehen.
Darlegungs- und Beweislast des Unternehmers für die Erfüllung seiner Prüfpflicht
Ein Unternehmer wird von seiner Mängelhaftung dann frei, wenn er seiner Prüfungs- und Hinweispflicht nachgekommen ist.
- Nach Auffassung der Gerichte liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht beim Unternehmer! Denn die Erfüllung dieser Pflicht befreit den Unternehmer von der Mängelhaftung und muss deshalb auch von ihm dargelegt und bewiesen werden. Kann er dies nicht beweisen, bleibt er für den Mangel verantwortlich und muss seine Leistung nachbessern.
Allerdings kann der Unternehmer seine Nachbesserungspflicht wiederum nur erfüllen, wenn der Auftraggeber ihm die geeignete Vorleistung zur Verfügung stellt. Das bedeutet, dass ein Auftraggeber nach erteiltem Hinweis dafür zu sorgen hat, dass die Vorleistungen als geeignet erbracht werden. Ist das unmöglich, wird der Auftragnehmer von seiner Leistungspflicht frei.
Prüfung vorgegebener Baustoffe
Hat der Unternehmer Bedenken, wenn ihm bestimmte Baustoffe, Materialien, Anlagenteile etc. vorgeschrieben werden, muss er sie äußern. Dazu verpflichtet ihn das BGB und, sofern die VOB/B Vertragsgrundlage geworden ist, auch explizit der § 4 Abs. 3 der VOB/B. Unterlässt er diese Aufklärung, ist er in der Haftung für Mängel, die aus der Verwendung der Materialien, Bauteile etc. resultieren. Erfüllt er seine Aufklärungspflicht, ist der Auftragnehmer von der Gewährleistung für Mängel frei. Das bestimmt der § 13 der VOB/B. Wann gelten Materialien oder Baustoffe als vorgegeben?
- Im Wesentlichen dürfen dem Auftragnehmer keine Wahl- oder Auswahlmöglichkeiten zustehen. Es muss sich um eine verbindliche Anordnung des Auftraggebers handeln, die eindeutig die Befolgung des Verlangens des Auftraggebers beinhaltet.
Ein Vorschreiben kann nicht deshalb verneint werden, weil der Nachtragsauftrag nicht vom Auftragnehmer angenommen werden muss. Es entspricht dem Wesen des Bauvertrags, dass der Auftraggeber formuliert, welche Leistung er wünscht, und der Auftragnehmer frei ist, das Vertragsangebot anzunehmen. Das schließt nicht aus, ein Vorschreiben anzunehmen, wenn der Auftraggeber zu erkennen gibt, dass er nur eine bestimmte Leistung bzw. die Verarbeitung eines bestimmten Materials wünscht und jedes andere Material nicht als ordnungsgemäße Vertragserfüllung gelten lassen will.
Ist ein Baustoff generell für einen bestimmten Zweck untauglich, so befreit die ausdrückliche Anordnung des Auftraggebers, diesen Baustoff einzusetzen, den Auftragnehmer gänzlich von jeder Gewährleistung, soweit sich nichts anderes aus der Prüfungs- und Hinweispflicht des Auftragnehmers ergibt. Ist dagegen ein vom Auftragnehmer aufgrund einer Anweisung des Auftraggebers gelieferter Baustoff grundsätzlich geeignet, aber das konkret verwendete, grundsätzlich geeignete Material fehlerhaft (sogenannte Ausreißer), so fehlt für eine Risikoverlagerung aufgrund einer Anordnung der innere Grund.
Inhalt, Umfang und Grenzen der Prüfungs- und Hinweispflicht des Auftragnehmers müssen deshalb danach bestimmt werden, mit welcher fachlichen Kompetenz des Auftragnehmers der Auftraggeber rechnen darf; umgekehrt braucht der Auftragnehmer nicht mehr zu prüfen, wenn er davon ausgehen kann, dass eine sorgfältige und fachkundige Prüfung bereits stattgefunden hat, der er nichts mehr hinzu- oder entgegensetzen kann, oder wo Prüfaufgaben seine fachliche Kompetenz überschreiten würden (siehe auch Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.01.2004 - 22 U 57/03).
Richtige Adressaten erreichen
Prüf- und Hinweispflichten müssen sorgfältig wahrgenommen werden. Sofern die vorgesehene Art der Ausführung, die Güte von gelieferten Baustoffen, Bauteilen oder die Leistung anderer Unternehmer zu beanstanden ist, darf der Auftragnehmer auf entsprechende schriftliche Anzeigen nicht verzichten.
- Der Adressat etwaiger Bedenkenanmeldungen muss immer der Vertragspartner oder ein entsprechend bevollmächtigter Vertreter sein.
Es sei deshalb davor gewarnt, Bauberatungen zu vertrauen, auf denen möglicherweise Baustoffe oder Ausführungsanordnungen kritisch diskutiert werden, aber eben der Auftraggeber nicht oder nur durch einen eingeschränkt bevollmächtigten Bauleiter oder Architekten vertreten ist. Vom Auftragnehmer wird auch erwartet, dass er seinen Vertragspartner anspricht und hinsichtlich etwaiger Probleme weitsichtig berät, und zwar so wie es ihm als Fachmann aufgrund seiner Sachkenntnisse möglich ist.
Bedenkenanmeldungen sind probate Mittel, um Haftungsrisiken einzugrenzen oder auszuschließen. Hat der Unternehmer auf Bedenken hingewiesen und fordert der Auftraggeber dennoch die Ausführung der (möglicherweise dann untauglichen) Leistung, können Unsicherheiten auftreten, ob der Unternehmer verpflichtet ist, weisungsgerecht auszuführen oder zu verweigern.
- Der Auftragnehmer ist nach der Anmeldung von Bedenken grundsätzlich verpflichtet, die Vorgaben des Auftraggebers auch dann umzusetzen, wenn dieser die mitgeteilten Bedenken nicht teilt. Ausnahmsweise steht dem Auftragnehmer jedoch dann ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn der (weiteren) Durchführung der Bauarbeiten, gegen die Bedenken angemeldet wurden, gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegenstehen, insbesondere bei Gefahr für Leib und Leben.
Weigert sich der Auftragnehmer berechtigt, kann der Auftraggeber deswegen nicht kündigen. Anderenfalls hat der Auftragnehmer wegen unberechtigter Kündigung Ansprüche.
Fazit
Grundverpflichtung des Unternehmers ist die mangelfreie Herstellung eines Werkes. Geschuldet wird immer ein Erfolg. Wird der Erfolg durch Einflüsse gefährdet, die ein sorgfältig arbeitender Unternehmer erkennen kann, greifen die Prüf-, Hinweis- und Aufklärungspflichten des Unternehmers. Ein Werk entspricht auch dann nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn es nicht die vereinbarte Funktionstauglichkeit aufweist. Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn die fehlende Funktionstauglichkeit auf einer unzureichenden Vorleistung eines anderen Unternehmers beruht. Der Unternehmer wird allerdings von seiner Mängelhaftung frei, wenn er seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt hat, d.h. wenn er den Auftraggeber auf die fehlende Funktionstauglichkeit wegen unzureichender Vorleistungen anderer Unternehmen oder etwa die Ungeeignetheit angeordneter Ausführungsarten oder von Baustoffen und Materialien hingewiesen hat. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Pflicht trägt der Unternehmer. Hat der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflicht nicht erfüllt, so treffen ihn Haftungsrisiken.
Online-Extra
Bedenken anmelden
Das umfangreiche Online-Extra zum Thema bietet eine Checkliste und Musterschreiben zum Anmelden von Bedenken an. Der Download ist kostenfrei.
Checkliste
Bedenkenanmeldung
- Ist die im Vertrag vorgesehene Art der Ausführung zu beanstanden?
- Sind die übergebenen Pläne komplett und korrekt?
- Hat der Auftraggeber Baustoffe, Materialien oder Bauteile vorgegeben, die hinsichtlich ihrer Herkunft, Qualität oder Geeignetheit zu beanstanden sind?
- Auf welchen Vorleistungen baut meine Leistung auf?
- Sind die Vorleistungen ordnungsgemäß ausgeführt?
- Liegt ein BGB- oder ein VOB/B-Vertrag vor und sind die entsprechenden Formulare für eine Bedenkenanmeldung zur Hand?
- Habe ich eine Bedenkenanmeldung an den Vertragspartner gerichtet?
- Kann ich den Zugang (nicht das Absenden) der Bedenkenanmeldung nachweisen?
Autor
RA Dr. Hans-Michael Dimanski
ist Geschäftsführer der Fachverbände SHK Sachsen-Anhalt und Thüringen und Mitglied des Arbeitskreises Recht beim ZVSHK. Der Autor zahlreicher Fachpublikationen ist als Referent zu baurechtlichen Themen tätig, zuletzt auch als Lehrbeauftragter beim Europäischen Institut für Postgraduale Studien (EIPOS) an der Technischen Universität Dresden.