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Züricher Villa


In diesen Boom kehrt Carl Fürchtegott Grob nach Zürich zurück. Der Sohn einer Zürcher Handwerkerfamilie aus dem Niederdorf war elf Jahre zuvor nach Sumatra ausgewandert. Dort betrieb er zusammen mit einem Kom-pagnon riesige, 25 000 Hektar grosse Tabakplantagen und brachte es in diesen Jahren zu grossem Reichtum – nicht zuletzt auf Kosten chinesi-scher Taglöhner und Wanderarbeiter, von denen Tausende durch Er-schöpfung und Krankheit starben (Ähnlichkeiten mit heutigen Produktions-verhältnissen in IT- und anderen Branchen wären natürlich rein zufällig). Zurück in der Heimat will er den Zürchern seinen Wohlstand demonstrie-ren, wofür es, angesichts der vielen Prunkbauten, etwas Besonderes braucht.

© scherrer
Carl Fürchtegott Grob kauft ein Grundstück im Zürcher Riesbach und be-auftragt die berühmten Architekten Alfred Chiodera und Theophil Tschudi. Er gibt den beiden gestalterisch freie Hand und stellt ihnen ein praktisch unerschöpfliches Budget zur Verfügung. Mit 550 000 Franken wird der Bau doppelt so teuer als andere repräsentative Villen. Die Architekten entwerfen ein Ensemble aus Villa, Remise, Pavillon und Park. Es entsteht ein Meisterwerk des Historismus mit Stilelementen der Gotik, Renaissance und des Rokoko, ergänzt durch malaiischen Form- und Farbreichtum. Auch der Name der Villa stammt aus dem Malaiischen und bedeutet «er-sehntes Land», ein Ort, an dem man leben möchte: Patumbah.


Trotz der historischen Bezüge nutzen die Architekten modernste Bautech-nik, umgesetzt mit Materialien und Verfahren, die in der Schweiz teilweise noch unbekannt sind. Der Historismus ist die Hochkonjunktur der Orna-mentik. Die Spenglereien führen Kataloge mit aus Blech und Guss ge-formten Simsen, Borden, Zier- und Schmuckelementen. Man kann die vorgefertigten Elemente bestellen, kombinieren und integrieren.


1885 ist die Villa nach zwei Jahren Bauzeit fertig, 1891 auch der umge-bende Park, gestaltet von dem Gartenkünstler Evariste Mertens. Doch Herr Grob, der inzwischen geheiratet hat, kann sich nicht lange daran er-freuen. 1893 stirbt er an einer aus Sumatra mitgebrachten Krankheit. Das Anwesen erben seine Witwe und die beiden Töchter. Sie wohnen dort, können sich auf Dauer aber den Unterhalt nicht leisten und schenken das Anwesen 1911 dem Diakoniewerk Neumünster. Diese nutzt die Villa als Altersheim und verkauft 1929 den nördlichen Parkteil an die Nachbarn.

Für das Ensemble beginnt ein langer Leidensweg. Dem Diakoniewerk fehlt für die Werterhaltung oder gar Sanierung das Geld. Vieles wird ver-einfacht, abgebaut, überstrichen, überputzt. Dennoch taugt die Villa nur bedingt als Altersheim und soll einem zweckgemässen Neubau weichen. Das ruft die Stadt Zürich auf den Plan. Um den Abriss zu verhindern, kauft die Stadt 1977 die Villa und den restlichen Park. Der Neubau des Alters-heims soll nun auf dem Gelände des Restparks erfolgen, was ebenfalls das Ende des Ensembles bedeutet hätte. Eine Volksinitiative «Pro Patum-bahpark» kann dies verhindern. Der städtische Teil des Parks wird nun im Rahmen eines Pilotprojekts der Gartendenkmalpflege rekonstruiert. Auch der Eingangstrakt der Villa wird im Auftrag der Denkmalpflege restauriert. Dabei konnten 90 Prozent der Ornamente übernommen werden. Sie wur-den gereinigt, teilweise ergänzt und farblich aufgefrischt.


Der verkaufte nördliche Teil des Parks gehört einer Erbengemeinschaft, die das Land überbauen möchte. Der Zürcher Stadtrat will dies verhin-dern, doch die Eigentümer können sich durch mehrere Gerichtsinstanzen gegen eine Unterschutzstellung oder Freihaltezone wehren. 1995 gründet sich die «Stiftung zur Erhaltung des Patumbah-Parkes». Sie will Geld sammeln und den Eignern ihren Parkteil zu Marktpreisen abkaufen, um ihn mit dem städtischen Teil zu vereinen. Tatsächlich kommt es zu einem Kaufvertrag, bei dem die Erbengemeinschaft der Stiftung den Kaufpreis für eine befristete Zeit stundet. Doch die Stiftung kann die erforderlichen Mittel nicht aufbringen. Nach weiteren Verhandlungen kommt es 2001 zu einem Kompromiss: Nur der Rand des nördlichen Teils wird massvoll ü-berbaut, der Rest bleibt zwar im Besitz der Eigentümer, kann aber in die Rekonstruktion des Parks einbezogen werden. Gegen die Überbauung werden erneut Rekurse erhoben, jedoch 2009 letztinstanzlich abgelehnt. Auch eine Volksinitiative gegen die Überbauung wird von den Zürcher Stimmbürgern verworfen.


Mit der Erhaltung des Parks hatte die Stiftung ihr Ziel erreicht. Sie orien-tiert sich um auf die Restauration der Villa und nennt sich «Stiftung Pa-tumbah». Dank Subventionen und Darlehen kann die Stiftung 2006 die Vil-la von der Stadt übernehmen. Damit sind die Eigentumsverhältnisse dau-erhaft geklärt. Das ist die Voraussetzung, verschiedene Stiftungen, die Kantonalbank und Private als Sponsoren zu gewinnen. Die Stiftung schreibt einen Architekturwettbewerb für ein Nutzungskonzept und die Restaurierung von Villa und Nebengebäuden aus. Nach dem Projektent-scheid und intensiven Vorarbeiten kann 2010 mit den Arbeiten begonnen werden. Ab Juni 2013 hat die Stiftung mit dem Schweizer Heimatschutz einen langjährigen Mietvertrag abgeschlossen. Er nutzt die Villa als Ge-schäftssitz und für ein Heimatschutzzentrum, damit sind Villa und Park als Baudenkmal für die Öffentlichkeit zugänglich.