Die Marchesi Antinori S.p.A ist eine Weinfirma, die auf eine rund 600 Jahre alte Tradition zurückblicken kann und heute zu größten Weinproduzenten Italiens zählt. In der Nähe des Ortes Bolgheri - Castagneto Carducci besitzt das Familienunternehmen das Weingut „Guada al Tasso“, das mit gut 300 ha Weingärten das mit Abstand größte in der Region ist. Um die Trauben vor Ort wirtschaftlich verarbeiten zu können, fiel die Entscheidung, eine Kellerei mit einer entsprechenden Verarbeitungskapazität zu errichten. Zur Verfügung stand ein Grundstück, das etwa einen Kilometer von der Küste entfernt in den Weinbergen liegt, die vom Binnenland zum Meer hin sanft abfallen und zahlreiche, unterschiedlich hohe Erhebungen aufweisen.
Die Umgebung spiegelt sich in der Architektur
Diese geografischen Gegebenheiten übertrugen die Architekten auf das Produktionsgebäude, in dem sie die Kellerei „Cantina del Buciato“ mit einer Fassaden- und Dachkonstruktion so gliederten, dass sie an eine aus dem Boden ragende Felsformation erinnert. Umgesetzt haben sie diese Anmutung durch dreieckige, prismenähnliche, ineinander verschachtelte Elemente und den Einsatz von schiefergrauem Titanzink der Rheinzink GmbH & Co. KG, Datteln. „Wir lieben dieses Material, denn es besitzt eine ganz eigene Eleganz. Außerdem widersteht es aufgrund seiner Eigenschaften auch widrigsten Witterungsbedingungen. Bei der Kellerei wollten wir zudem eine vibrierende Oberfläche realisieren“, erklärt Francesco Gasperini, Architekt bei asv3.
Titanzink in drei Ausführungen
Die Rheinzink GmbH stellt das Titanzink in drei Oberflächenqualitäten her: prePatina schiefergrau, prePatina blaugrau und Classic walzblank. Bei der Qualität Classic walzblank entwickelt sich die schützende Patina durch Witterungseinflüsse von selbst. Die Qualitäten prePatina schiefergrau und prePatina blaugrau hingegen erhalten durch ein spezielles Beizverfahren bereits von Anfang an den Farbton, der sich durch die natürliche Bewitterung ohnehin bilden würde. Die für Titanzink charakteristische Patina bleibt dabei vollständig erhalten. asv3 wählte die Qualität prePatina schiefergrau, weil sich mit diesem Farbton das Konzept der Felsformation am besten umsetzen ließ.
6700 m² Grundfläche
Das Grundstück zur Kellerei ist über die Staatsstraße 1 (SS 1) Via Vecchia Aurelia und eine Pinienallee gut zu erreichen und wurde zuvor von einer Reitschule genutzt. Eine bestehende Halle dient nach umfangreichen Umbauten der Kellerei jetzt als Hauptverwaltung. Weitere Bestandsbauten wurden abgebrochen. Für die Weinherstellung errichteten die Architekten auf dem ehemaligen Reitareal einen Neubau. Er bietet eine Fläche von rund 6.700 m², von denen knapp 6.000 m² nur für die Herstellung der Weine genutzt werden. Hinzu kommt die überbaute Fläche für die das Gebäude umhüllende markante Fassadenkonstruktion.
Gliederung und Konstruktion des insgesamt 95,60 m langen und 61,80 m breiten Produktionsgebäudes orientieren sich am Prozess der Weinherstellung – getrennt nach roten und weißen Trauben: Nach dem Abladen und dem Entfernen der Stiele erfolgt durch Quetschen der Trauben die Herstellung der Maische. Dieses Gemisch aus Fruchtfleisch, Traubenkernen, Schalen und Saft verbleibt mehrere Stunden bzw. einige Tage in den Maischetanks, beginnt zu gären und setzt Stoffe frei, die die Farbe und den Geschmack des Weins beeinflussen. Um im nächsten Prozessschritt die festen Bestandteile vom Saft zu trennen, wird die Maische gepresst. Der Traubenmost fließt über entsprechende Rohrleitungen zur weiteren Gärung in Metalltanks. Ist auch dieser Vorgang abgeschlossen, wird der Jungwein zum Reifen in andere Tanks bzw. in Barriquefässer umgefüllt. Den letzten Schritt bildet die Abfüllung in Flaschen.
Die Weinherstellung bestimmt die Gliederung
Bei der Kellerei in Castagneto Carducci erfolgt die Anlieferung der Trauben im Osten des Gebäudes. Hier markiert ein rund 16 m auskragendes und 30 m breites Vordach die Abladezone für die Weinlese-Fahrzeuge und die Lkws mit den Zutaten für die Weinherstellung. Direkt dahinter befinden sich die Quetschen und die Maischetanks. Zwischen diesen beiden Bereichen ist ein dreistöckiger Trakt angeordnet, der das Labor für die Weinanalyse, Räume für die Weinverkostung und Personalräume beherbergt. Auf der nördlichen und südlichen Gebäudeseite haben die Architekten die Tanks für die Weinreifung angeordnet. Die westliche Gebäudehälfte ist für die Lagerung der Weine in Barriquefässern reserviert und aufgrund unterschiedlicher Temperaturanforderungen in zwei Bereiche gegliedert. Hier sind zudem auf der südlichen Seite Lagerräume und ein Eingang sowie auf der nördlichen Seite nochmals Lagerräume, die Flaschenabfüllung und ein weiterer Eingang angeordnet.
Das Dach ruht auf Stahlstützen
„Das Bauvolumen nimmt die serielle Bauweise des Industriebaus auf“, erläutert Francesco Gasperini weiter. Daher basiert der Grundriss auf einem 5-m-Raster, das auch in der Fassaden- und Dachgestaltung abzulesen ist. Als Primärkonstruktion dienen Stützen aus Betonfertigteilen, die zu den Innenräumen mit einer feuchtigkeitsbeständigen Beschichtung versehen sind und mit einem Hohlraum ausgeführt sind. Dieser Hohlraum übernimmt zwei Funktionen: Bei den nach oben offen Doppelelementen dient er als Bewegungsraum bei Erdbeben, den oben geschlossenen Doppelelementen enthält er Wärmedämmung.
Auf den Schenkeln der Betonfertigteile ruht die Sekundärkonstruktion. Sie besteht aus Stahlstützen – jeweils eine Stütze pro Schenkel – und aus Stahlträgern. Stützen und Träger bilden zusammen eine gitterförmige Struktur, die das Sheddach und die Konstruktion für die Gebäudehülle aus Titanzink trägt. Im Bereich der Innen- und Außenwände sind die Stahlstützen mit Mineralwolle gedämmt und mit wasserbeständigen Trockenbauplatten bekleidet. Das Dach wurde mit zwischen den Stahlträgern liegendem Styropor gedämmt und innen mit OSB- und Faserzementplatten verkleidet. Den oberen Abschluss bilden zwei Lagen OSB-Platten, eine strukturierte Trennlage und die darauf verlegten Scharen aus Titanzink.
Komplexe Struktur aus Prismen und Dreiecken
Die 19 Dachsheds sind in Ost-Westrichtung angeordnet und jedes Shed ist gen Osten für die natürliche Belichtung der Kellerei mit Glaselementen geschlossen. In Nord-Südrichtung fallen die Sheds von einem Hochpunkt in Gebäudemitte zu den Seiten ab und gehen in dreiseitige, prismenähnliche Formen über. Auch hier nutzten die Architekten die industrielle Vorfertigung, indem sie zwei unterschiedliche Elemente entwickelten, im Rhythmus a-b-a-b miteinander kombinierten und so die felsenähnliche Struktur schufen. Ein Prisma fällt steil herab und schließt als Dreieck am Boden ab. Das andere Prisma führt die dreieckige Form der Sheds über das Gebäude hinaus, knickt am unteren Punkt des Dachtragwerks nach innen und verläuft mit seiner Grundfläche wieder zum Gebäude zurück.
Zwei unterschiedliche Systeme für die Fassade
Die Bekleidung mit den Titanzink-Scharen der Rheinzink GmbH erfolgte bei den Sheds in bewährter Doppelstehfalztechnik. Dieses System eignet sich mit seiner doppelt gefalzten Verbindung schon ab einer Dachneigung von 3° und kann – wie bei der Kellerei durch Sonderlösungen – problemlos an außergewöhnlich geformte Gebäude angepasst werden. Für die nach außen ragenden Fassadenelemente wählten die Architekten eine Bekleidung mit Großrauten und Steckfalzpaneelen . Beide Systeme eröffnen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, werden passgenau für jedes Objekt gefertigt und im Nut- und Federprinzip montiert. In Bolgheri kamen – unter Nutzung der industriellen Vorfertigung – drei unterschiedliche Breiten im Verhältnis 1:2:4 zum Einsatz. Dadurch entsteht eine Linienführung, die an aufbrechende Felsen erinnert und gleichzeitig mit ihrer unterschiedlichen Brechung des Tageslichts die dreieckigen Körper betont.
Fassadenkonzept mit integrierter Kühlung
Weil die Fassadenkonstruktion nicht am Gebäude direkt befestigt ist, sondern sie wie ein Cape umhüllt, entstand ein Zwischenraum, der zur Kühlung der Kellerei dient. Verstärkt wird dieser Kühleffekt durch Steckfalzpaneele mit Mikroperforierung. „Wir wollten zudem eine vibrierende Oberfläche realisieren“, berichtet Francesco Gasperini. „Das ist uns durch die Kombination geschlossene und gelochte Flächen gut gelungen.“
Die Kellerei „Guada al Tasso“ liegt dicht an der Via Vecchia Aurelia, doch sehen kann man sie von der Straße kaum. Sie liegt eingebettet hinter halbrunden Erdhügeln, die an Dünen und das nahe liegende Meer erinnern und mit den in der Toskana typischen Gewächsen bepflanzt sind.