Logenplatz für Burggäste

11.06.2019 | Veröffentlicht in Ausgabe 04-2019

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Den wiedererrichteten Ostflügel der Burg Brattenstein ziert ein Stadtbalkon mit Hülle aus Cortenstahl
</p> - © Stefan Meyer — © Stefan Meyer

Den wiedererrichteten Ostflügel der Burg Brattenstein ziert ein Stadtbalkon mit Hülle aus Cortenstahl

MARMOR UND Stein bricht, aber bewittertes eisen nicht Das Festspielpublikum auf einer 800 Jahre alten Burg findet Schutz vor Wind und Wetter unter einer Tribünenbedachung mit angrenzendem Aussichtsbalkon. Für einen harmonischen Gesamteindruck und Langlebigkeit sorgt der Werkstoff Cortenstahl

Dass ein Gebäude aus dem 12. Jahrhundert stammt, ist noch lange kein Grund, es nicht mehr zu nutzen und es dem Verfall anheimzugeben. Dort, wo schon früher Ritterturniere veranstaltet wurden, bietet sich heute wieder ein ansprechender Rahmen für Festspiele, so z. B. auf der Burg Brattenstein. Die im 12. bis 13. Jahrhundert erbaute hochmittelalterliche Anlage steht in der Stadt Röttingen im schönen Taubertal im fränkischen Landkreis Würzburg. Nach einer wechselvollen Geschichte, in der die Burg durch verschiedene Hände ging und als Sitz für Adelsgeschlechter, Behörden und als Teil der Stadtbefestigung diente, waren dort die Produktionsräume einer Kleiderfabrik untergebracht, bis 1971 der Ostflügel einstürzte. Seit 1984 finden im Hof der Burg die Frankenfestspiele statt. Der Ostflügel wurde wieder aufgebaut und zwischen 2017 und 2018 neu gestaltet. Dabei erhielt der Trakt einen mit wetterfestem Baustahl (Cortenstahl) bekleideten Balkon und die Zuschauertribüne eine ebenfalls aus Cortenstahl gefertigte Überdachung.

Mit den Fassaden- und Dacharbeiten beauftragte die Stadt Röttingen den Fachbetrieb Lummel aus Karlstadt am Main. Nach Entwürfen der Architekten Stefan Schlicht und Christoph Lamprecht aus Schweinfurt erfolgten ab Oktober 2017 die Werk- und Montageplanung sowie die Ausführung bis zur Abnahme im August 2018.

Aufbau von Balkon und Tribünendach

Das Dach über der Zuschauertribüne ruht auf nicht weniger als 358 Stahlstützen zur Aufnahme der Dachelemente. Darauf wurden eine Dampfsperrabdichtung und die Dämmung aufgebracht und das Ganze wurde zusätzlich mit einem Akustikvlies versehen. Als Unterkonstruktion für die Dachbleche aus Cortenstahl kamen Modulleisten als Träger- und Einhangleisten zum Einsatz. Darauf wurde eine Fläche von ca. 300 m² mit Cortenstahlprofilen bekleidet. Die Fassadenarbeiten für den Balkon wurden wie folgt ausgeführt: Auf eine primäre Tragkonstruktion aus QR 100/4 und QR 60/4 wurden ebenfalls Modulleisten als Träger- und Einhangleisten montiert. Die Fassadenunterkonstruktion besteht aus Holz und wurde – wie die Tribünenüberdachung – mit einem Akustikvlies schallgedämmt. Anschließend erfolgte die Bekleidung mit ca. 170 m² Balkonblechen aus wetterfestem Stahl, der zur Gruppe der Edelstähle zählt. Seine Wetterfestigkeit entsteht durch die Zulegierung geringer Massenanteile von Chrom, Silizium, Nickel u. a. Die witterungsbeständige Patina bildet sich unter der Mitwirkung von Schwefeloxiden. Diese Sperrschicht ist zwar von rosttypischen Mikrorissen durchzogen, welche jedoch elektrochemisch passiv sind, solange die Oberfläche konstruktiv immer wieder abtrocknen kann.

Zeitgemäße Architektur in mittelalterlichem Ambiente

Durch die Wiedererrichtung des Ostflügels als langgestreckter Baukörper auf einer natursteinverkleideten Stützwand wurde das vollständige Erscheinungsbild der Vierseitanlage wiederhergestellt. Eine großzügige Freitreppe aus Sichtbeton führt als zweiter Rettungsweg aus der Burg hinaus und weist in Richtung Stadt. Die Zuschauertribüne mit Blick in den Burghof kann auch für Konzerte oder Märkte genutzt werden. Zur anderen Seite bietet der über die Mauer auskragende Stadtbalkon eine schöne Aussicht über die Dächer. Darüber hinaus verleiht der Balkon der Anlage eine einzigartige Optik, die den mittelalterlichen Zauber mit modernem Kulturschaffen und zeitgemäßer Architektur verbindet. Das Konzept baut auf den Kontrast zur historischen Substanz und wurde vom Landesverband des Bundes Deutscher Architekten prämiert. Für das Projekt erhielten die Stadt Röttingen und die Architekten Stefan Schlicht und Christoph Lamprecht den „Bayerischen Architektur Oscar“ in der Rubrik „Bauen im Bestand“. Der Preis wird alle drei Jahre vergeben und gehört zu den angesehensten Auszeichnungen im Bereich der Architektur. Unterstützt wurde das Projekt auch vom Freistaat Bayern mit einem Zuschuss von 1,2 Millionen Euro.