Schleswig-Holstein um das Jahr 1000: Beim heutigen Busdorf haben sich vor ca. 200 Jahren Wikinger angesiedelt, um von hier aus Fernhandel zwischen Skandinavien, Westeuropa, dem Nordseeraum und dem Baltikum zu treiben. Inzwischen ist der Ort, Haithabu genannt, seit 900 Jahren verlassen, aber ein halbkreisförmiger Wall, Reste von Grundrissen sowie die Originale von mittelalterlichen Wikingerschiffen zeugen noch von der früheren Präsenz seiner Bewohner. Einen lebendigen Eindruck der Verhältnisse in der frühmittelalterlichen Stadt vermittelt das Wikinger Museum Haithabu. Die Ausstellung auf dem Freigelände bietet die perfekte Mischung aus unmittelbarer Anschauung mit interessant aufbereiteten wissenschaftlichen Fakten. Sieben rekonstruierte Wikingerhäuser, eine Landebrücke und Veranstaltungen wie große Wikingermärkte oder handwerkliche Vorführungen machen das Wikingerdasein aus der damaligen Zeit hautnah erlebbar. Anders als die Wikinger, die in reetgedeckten Hütten lebten, sind ihre Schiffe heute als Ausstellungsstücke in einem Gebäude mit Bleidach untergebracht.
Feuchtigkeit gefährdete die Statik
Das Ausstellungsgebäude aus den 1980er-Jahren sticht durch seine außergewöhnliche Form ins Auge. Die sieben Holzhäuser, die wabenartig zu einem Ensemble verbunden sind, wirken wie Boote, die mit dem bleiernen Kiel nach oben an Land liegen. Möglicherweise wollte der Architekt an die wikingerzeitlichen Schiffshallen, sogenannte Nauste, erinnern. Die optisch sinnhafte Konstruktion war aber im Gegensatz zu ihren historischen, seetüchtigen Vorbildern leider nicht ganz regendicht. Eindringende Feuchtigkeit griff Dachdeckung und Gebälk so stark an, dass die Statik gefährdet war.
Dies hatte verschiedene Ursachen. Zum einen trocknete Kondens- und Regenwasser unter der Dachhaut zu langsam ab, da die Belüftungsebenen der Dächer nicht ausreichend funktionierten. Weitere Feuchtigkeit aus dem Gebäudeinneren hatte zusätzlich zur Zersetzung der Holzbauteile beigetragen. Eine konstante Luftfeuchtigkeit von ca. 55 % relativer Luftfeuchte bei 18 °C in einem der Gebäude, die den Erhalt der ausgestellten Wikingerschiffe garantiert, verschärfte das Problem zusätzlich. Die Holzbauteile waren der Feuchtigkeit schutzlos ausgesetzt, sodass sie schließlich aufweichten und sich Pilze ausbreiten konnten. Eine umfassende Sanierung war unausweichlich, sowohl die Dachschalung als auch die äußere Holzfassade mussten komplett ausgetauscht werden. Um ähnliche Schäden künftig zu vermeiden, musste damit einhergehend auch für eine effektivere Luftdichtigkeit und Dämmung gesorgt werden.
Komplettsanierung von Dach und Fassade
Mit den Arbeiten wurde der Fachbetrieb Rolf Kleinfeld GmbH betraut. Das 1950 gegründete Handwerksunternehmen ist über die Grenzen Norddeutschlands hinaus bekannt als Spezialist für Metalldacheindeckung und Fassadenbekleidung. Die aktuell 13 Mitarbeiter verarbeiten rund 150 t Bedachungsmaterial im Jahr und lösen auch kniffligste Aufgaben an Zwiebeltürmen, Kegeldächern, Türmen oder Dachgauben. In Haithabu mussten zuerst insgesamt 70 t Bleibleche mit einer Stärke von 2 mm abgerissen werden. Die neue Eindeckung wiegt sogar 20 t mehr, weil gemäß Vorschrift 2,5 mm dicke Bleche verwendet werden mussten.
Angesichts der Komplexität des Sanierungsvorhabens war ein ganzer Stab aus Tragwerksplanern, Sachverständigen für Holzschutz, Energieberatern und Fachplanern für Elektroinstallationen an der Planung der Sanierungs- und Umbaumaßnahme beteiligt. Um nach der Restaurierung vergleichbare Schäden zu verhindern, nahm der konstruktive Holzschutz eine zentrale Rolle im Sanierungskonzept ein. Unbehandelte Hölzer werden jetzt vor Witterungseinflüssen geschützt und Wasser bzw. Wasserdampf werden schnellstmöglich abgeleitet. Das gesamte Gebäude wurde zusätzlich gedämmt und hat eine neue, luftdichte Hülle bekommen. Die Fassade erhielt eine neue Holzdeckung sowie neue Fenster und Türen.
Bei der Wahl der neuen Eindeckung kam erneut Walzblei zum Einsatz. Das Metall ist ein traditionsreicher Werkstoff, der schon seit Jahrhunderten für die Bedachung von Sakral- und Repräsentationsbauten eingesetzt wird. Die moderne Architektur greift bewusst auf Walzblei zurück, um Gebäuden eine besonders edle Ästhetik zu verleihen. Selbst schwierige Konstruktionen sind mit Blei zuverlässig zu bedecken: Seine einzigartige Kaltformbarkeit erlaubt es dem Handwerker, die nötigen Bleche direkt am Objekt zuzuschneiden, zu falzen und anzuformen. So können selbst komplexe, unebene Stellen sehr flexibel abgedichtet werden. Darüber hinaus zeichnet sich Blei durch seine extreme Langlebigkeit aus: Richtig verarbeitet, überdauert die Eindeckung das Gebäude selbst. Auch mit Blick auf seinen Lebenszyklus ist Blei ein nachhaltiges Material: Es kann nach dem Rückbau eingeschmolzen und nahezu vollständig wiederverwertet werden.
Zinnbeschichtung als Korrosionsschutz
Aufgrund der extrem ungünstigen baulichen Bedingungen zeigten die Bleibleche in Haithabu erhebliche Korrosionsschäden. Um die Unterkonstruktion fachgerecht zu erneuern, musste das alte Blei vom Dach entfernt werden. Außerdem entsprachen die alten Bleischaren mit einer Materialstärke von 2 mm nicht mehr den heutigen Vorschriften. Das Dach wurde in allen Teilen in Kirchenblei neu eingedeckt: Flächen, Firste, Rinnen und Traufen. Zum Einsatz kam unterseitig verzinntes Kirchenblei des Bleiherstellers Röhr + Stolberg in einer Stärke von 2,5 mm. Die Zinnbeschichtung schiebt der korrodierenden Wirkung von Kondenswasser, schlechter Entlüftung und den aggressiven Gerbsäuren mancher Hölzer einen wirkungsvollen Riegel vor.
Fast zwei Jahre Arbeit
Im Sommer 2014 fiel der Startschuss für die Planung der Sanierung, im Herbst 2015 rückten die ersten Handwerker an, im Frühjahr 2017 wurde die Sanierungsmaßnahme vollständig beendet. Für die Restaurierung des Daches und des Trägerwerkes wurde der gesamte Gebäudekomplex eingehaust, um die entkleidete Konstruktion vor Witterungseinflüssen zu schützen. Nachdem die alte Bleieindeckung und die Dachflächen abgenommen worden waren, wurde über die Dachkonstruktion mit Dampfbremse und Dämmung ein schützendes Unterdach mit Unterdachbelüftung gebaut, bestehend aus einer Unterdeckplatte über einer luftdichten Bahn. In den Dachkehlen zwischen den einzelnen Gebäuden wurden breite Aussparungen für einen vertieften Wasserlauf gelassen. Hier hinein setzten die Zimmerleute eine konische Holzleiste, die mit einer Kunststofffolie abgedichtet und anschließend mit Bleiblechen belegt wurde. Bevor die Ausarbeitung der Dachflächen in Angriff genommen werden konnte, wurden die Holzständer der Fassade mit Bleihauben versehen, um diese Bauteile konstruktiv vor Regen zu schützen. Die Regenrinne wurde auf der Dachfläche ausgearbeitet. Dazu wurde eine 10 cm hohe Holzleiste mit einer Neigung von 80° auf der Dachfläche befestigt und von der Traufe ausgehend mit Bleiblechen ummantelt.
Falze mit Holzwulst und verdeckten Haften
Die großzügigen Dachflächen wurden in Holzwulstdeckung ausgeführt. Dazu wurden zunächst Holzkerne mit einem Abstand von 55 cm direkt auf die Unterkonstruktion montiert. Sie sind 40 mal 40 mm dick, in der oberen Hälfte halbrund geformt und zur Dachfläche hin verjüngt. Zur Stabilisierung des späteren Falzes werden im Abstand von höchstens 400 mm Kupferhafte auf dem Holzkern befestigt. Die zwei zu verbindenden Scharen mit einer Länge von 150 cm werden gegeneinander aufgekantet: Die in der Falz außen liegende Aufkantung misst etwa 125 mm, die innen liegende rund 55 mm. Diese Materialzugabe für die Aufkantungen muss beim Zuschneiden der Bleche unbedingt beachtet werden. Das innere Blech wird mit einem Treibholz eng anliegend bis zur Mitte – dem Scheitelpunkt des Holzes – herumgeführt. Daraufhin werden die Hafte, die auf der gegenüberliegenden Seite des Holzes befestigt sind, um das Blech herumgelegt. Schließlich ist das außen liegende Blech an der Reihe: Seine Außenkante wird zunächst umgeschlagen und dann erst um das Holz herumgeführt, sodass es das innere Blech und die Hafte bedeckt. Um Raum für thermische Dehnung zu lassen, wurden die Unterkanten der Scharen indirekt befestigt, sodass eine Ausdehnung möglich ist: per eingehängtem Querstoß mit durchlaufend genageltem Haftstreifen. Diese Art der Befestigung ist besonders in windexponierten Lagen zu bevorzugen.
Sicher dank konstruktivem Holzschutz
Die Firste wurden mit 80 mm breiten Belüftungsöffnungen ausgeführt und ebenfalls mit Blei eingefalzt. Ein gelochtes Kupferprofil zwischen Dachfläche und First mit hinreichend großem Lochdurchmesser verhindert, dass Kleintiere oder Vögel durch die Öffnung in die Dachkonstruktion eindringen.
Das restaurierte Gebäude mit der erneuerten Holzkonstruktion hat dank der konstruktiven Holzschutzmaßnahmen in Zukunft keine Feuchteschäden mehr zu befürchten. Wasser bzw. Wasserdampf werden durch ein Unterdach mit Unterdachbelüftung schnellstmöglich abgeleitet. Die Bleihaut aus unterseitig verzinntem Kirchenblei von Röhr + Stolberg besitzt einen Korrosionsschutz, sodass das Gebäude dem Wind und Wetter der nächsten Jahrzehnte erfolgreich Paroli bieten kann.
Bautafel
Projekt: Modernisierung der Fassaden- und Dachkonstruktionen des Wikinger Museums Haithabu in Busdorf
Bauherr: Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Schleswig
Projektsteuerung: Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR, Kiel
Fachbetrieb: Rolf Kleinfeld GmbH, Kiel
Material: 90 t einseitig verzinntes Kirchenblei; 2,5 mm
Hersteller: Röhr + Stolberg GmbH, Krefeld