Wer wissen möchte, wo sich der viel beschriebene magische Punkt zwischen Himmel und Erde befindet, der sollte sich nach Hohengebraching begeben. Genauer gesagt an den Kirchturm der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Zugegeben: Ich kenne Menschen, die einen Strand in der Südsee oder eine Einkaufspassage in Mailand attraktiver finden. Für echte Spengler gibt es hingegen nur sehr wenige Alternativen und das hat mehrere Gründe: Die neue und imposante Kupferdeckung der formschönen Kirchtumbedachung ist ein Traum! Die in erstklassiger Handarbeit hergestellten Scharen schmiegen sich perfekt an die Rundungen des zwiebelförmigen Turmdaches an. Wellenförmige und aus mehreren Teilen bestehende Kehlanschlüsse faszinieren mit Präzision und spannungsfreiem Sitz. Alle konvex und konkav gerundeten Scharen entstanden in bester Spenglertradition in Handarbeit. Kurz: Hier waren Profis am Werk, die es übrigens auch verstanden, die Qualität ihrer Arbeit fotografisch zu dokumentieren.
Mit perfekten Fotos mehr erreichen
Dass die Arbeit Spaß macht, sieht man ihnen an – den Spenglern auf den Fotos der Stoiber Willi Haustechnik GmbH aus Michelsneukirchen. Mal sind sie mit Eckold-Streckwerkzeugen zugange, mal bei der Montage geschwungener Bauteile. In Rekordzeit (vom 6. August bis zum 14. November 2018) erneuerten sie die Turmeindeckung besagter Kirche. Die Detailtreue vor Ort sowie die Aussagekraft der Fotos sind gelungen. Fotografierte Vorfertigungsprozesse und Montagevorgänge machen klar, dass der fotografierende Spengler nicht nur die Verarbeitung von Metall, sondern auch die Handhabung seiner Kamera versteht. Genau so muss das sein. Wie sonst könnten zukünftige Azubis von der Besonderheit des Spenglerberufes überzeugt werden? Könnten sich neue Mitarbeiter mit dem Qualitätsstandard des zukünftigen Arbeitgebers identifizieren? Einmal mehr wird deutlich, wie wichtig gute Projektfotos sind.
Fakten zum Turm
Der ursprüngliche Kirchturm des 1785 errichteten Gotteshauses wurde um 1910 abgerissen. Es erfolgten größere Umbaumaßnahmen und der Neubau eines Turmes mit 41,43 m Höhe. Die Fertigstellung dieser Arbeiten, zu der auch der Einbau der ersten elektrischen Orgel in Bayern gehörte, erfolgte 1928. Um 1990 wurde das Turmdach erstmals und mithilfe jeder Menge Silikon repariert. In den folgenden Jahren setzte unkontrollierter Wassereintritt dem Bauwerk zu. Traufen, Querfalzbereiche und schwierige Detailpunkte versagten, sodass die darunter liegende Holzkonstruktion schwere Schäden davontrug. Die nur 1 bis 1,5 cm messenden einfachen Querfalze (auch an nur zehn Grad geneigten Zwiebelbereichen) trugen wesentlich zur Zerstörung bei. Scharbreiten mit 720 mm und Haftabstände von 90 bis 100 cm ebenso.
Neueindeckung
Bei der Sanierung wurde die gesamte Holzkonstruktion erneuert und mit einer 30-mm-Schalung versehen. Am Traufbereich in rund 28 m Höhe wurden Vorstoßprofile mit Rückkantung aus 1-mm-Kupfer montiert. Besonders anspruchsvoll waren die Herstellung und Montage der geschwungenen Traufgesimse, die von den Spenglern aus mehreren Teilen zusammengesetzt wurden. Die Verbindung der Bauteile erfolgte durch Falztechnik – die Abdichtung durch Weichlöten. Die Montage erfolgte mittels Enkolit-Blechkaltkleber direkt auf dem gemauerten Gesims.
Alle Übergänge an der Turmschürze wurden mit Quetschfalten gesichert. Entsprechende Falzausführungen sind mit Zusatzfalzen gesichert und rundgeformt. Die Fläche der 120 m2 großen Turmzwiebel wurde als Spiegeldeckung ausgeführt. Aufgelötete Zusatzfalze, Rückkantungen und Edelstahlhafte und -schrauben sorgen für Sicherheit. Die Gratverbindung wurde mit einer Doppelfalzleiste hergestellt.
Zur Formgebung der linear verlaufenden Gesimse wurden steppgekantete Profile verwendet und entsprechende Eckverbindungen im WIG-Schweißverfahren miteinander verbunden. Weitere anspruchsvolle Details waren bei der Herstellung der vier runden Luken gefordert. Sie wurden nach alten Vorlagen rekonstruiert und mit schneckenförmigen Verzierungen versehen. Die kleine Zwiebelfläche mit rund 30 m2 wurde analog ausgeführt und mit einer Entlüftungsmöglichkeit ausgestattet. Flugschneesicherung, achteckige Haube und Konusübergang am Kaiserstiel bilden den Abschluss. Das Turmkreuz wurde ebenfalls überarbeitet und neu vergoldet.
Fazit
Zur Sanierung wurden 2,2 t Kupfer eingesetzt. Die Scharen schmiegen sich spannungsfrei an die formschöne Doppelzwiebel und lassen erkennen, dass die Spengler hier ganze Arbeit geleistet haben. Da die Arbeitsschritte fotografisch dokumentiert wurden und an dieser Stelle nicht alle Fotos veröffentlicht werden können, empfiehlt sich der Klick in das ergänzende BAUMETALL-Extra zu diesem Beitrag.
Übrigens: Wer aus seinen Fotos zukünftig ebenfalls mehr herausholen möchte, sollte sich den 28. und 29. März 2019 vormerken. In Neu-Ulm gibt an diesem Termin der BAUMETALL-Workshop Architekturfotografie wertvolle Hinweise zum Thema Architekturfotografie weiter. Infos zum Workshop-Programm beziehungsweise zur Anmeldung finden Sie auf dem Umschlag dieser BAUMETALL-Ausgabe und ab Seite 62 sowie im Internet auf www.baumetall.de unter „Extra“.