Die Wiener Sängerknaben sind eine Institution. Nicht nur in Wien, sondern weltweit. Und sie können auf eine lange Tradition zurückblicken. Bereits im frühen 15. Jahrhundert sangen Knaben am österreichischen Kaiserhof. Als Kaiser Maximilian I. im Jahr 1498 Hof und Hofmusik von Innsbruck nach Wien verlegte, ordnete er an, dass unter den Musikern mindestens sechs Knaben sein müssen. Damit legte er den Grundstein für die Wiener Sängerknaben, die bis 1918 ausschließlich für und im Auftrag des Hofes sangen. Nach dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie jedoch mussten neue Wege gefunden werden und aus dem Knabenchor wurde ein Verein, der ab 1926 aus Geldmangel Konzerte außerhalb der Burgkapelle gab. Der Erfolg war unglaublich und hält noch immer an: Jedes Jahr geben die rund 100 Wiener Sängerknaben, die zwischen 9 und 14 Jahre alt und auf vier Chöre aufgeteilt sind, rund 300 Konzerte vor fast einer halben Million Zuschauern in aller Welt.
Ein feiner Zwirn aus Titanzink
Als sängerische Heimat dient ihnen das Palais im Wiener Augarten, einem rund 52 ha großen, öffentlichen Park im 2. Gemeindebezirk. Hier haben die Wiener Sängerknaben einen Kindergarten, ein Internat und eigene Schulen, die von 250 Kindern, darunter auch Mädchen, besucht werden. Im Jahr 2000 meldete der Knabenchor erweiterten Flächenbedarf für Übungsräume und für eine neue Singstätte an, weil der zur Verfügung stehende Platz zunehmend knapper wurde. Nach intensiver Standortsuche, mehreren Alternativentwürfen und der Kooperation mit dem Wiener Kindertheater war es am 9. Dezember 2012 endlich so weit: Der Konzertsaal der Wiener Sängerknaben, Wiens neues Haus für Musik und Theater (MuTh), wurde feierlich eröffnet.
Errichtet wurde es am Augartenspitz, einem städtebaulich markanten Platz im Herzen von Wien, gelegen an der Ecke Castellezgasse / Obere Augartenstraße. Das hier stehende historische Pförtnerhaus haben die Architekten behutsam zu Theaterkasse und Café umbauen lassen und über eine transparente Erschließungs- und Kommunikationszone an das MuTh angebunden. Der neue Konzertsaal selbst zieht sich etwa 5 m zurückversetzt an der historischen Augartenmauer entlang und tritt durch geschickte Gliederung trotz seines gewaltigen Bauvolumens hinter die denkmalgeschützten Bauanlagen zurück. Direkt am Augartenspitz gibt er den Platz frei für einen Patio, den Künstler und Besucher als Freiluftbühne und Pausenbereich nutzen können.
„Das Haus ist wie eine Zwiebel in Schichten aufgebaut“, erläutert Architekt Johannes Kraus das planerische Konzept. Von außen zeigt es sich eher verschlossen, während das Innere über gezielt gesetzte Öffnungen mit wechselnden Lichtstimmungen belebt wird und den Besucher zum ringsum geschlossenen Konzertsaal, dem Herzen des Gebäudes, führt. Ziel der Architekten war, das sinnliche Erleben bis zum Hören und Sehen des Konzerts zu steigern. Aus diesem Grund organisieren sich Funktionen wie Eingangsbereich, Foyer, Probensaal, Nebenbühne, Künstler- und Bürobereiche sowie Bühnen- und Haustechnik auf unterschiedlichen Ebenen um den Konzertsaal herum. Im Herzen des MuTh zieht dann eine Entfernung von max. 20 m die bis zu 400 Besucher direkt in das Geschehen hinein. „Das lässt den Raum hörbar und den Klang sichtbar werden“, so Architekt Kraus.
Wie eine gefaltete Haut
Die Auswahl der Materialien und Farben entspricht dem planerischen Konzept. Im Herzen dominieren warme Töne und Materialien, außen umhüllt eine kühle, silberfarbene, vielfach gefaltete Haut das kostbare Innenleben. „Dafür wollten wir ein Material, das sowohl auf dem Dach als auch an der Fassade eingesetzt werden kann und haptisch wie optisch ein Erlebnis darstellt“, berichtet Johannes Kraus. Die Entscheidung fiel auf Titanzink von Rheinzink, denn dieses Material hat zudem die positive Eigenschaft, dass es während seiner gesamten Nutzungsphase vollkommen pflege- und wartungsfrei ist, weil es auf seiner Oberfläche eine schützende Patina bildet. Sie besteht aus Zinkkarbonat, das sich durch das Regenwasser und das Kohlendioxid in der Luft selbst und nach Beschädigungen immer wieder neu bildet. Dieser natürliche Prozess wird von Himmelsrichtung, Dachneigung und Regenhäufigkeit beeinflusst und kann daher ungleichmäßig verlaufen. Außerdem können Lichtreflexionen der Oberfläche ein unruhiges Aussehen verleihen, das Bauherren und Architekten manchmal stört. Vor diesem Hintergrund hat Rheinzink die Oberflächenqualitäten Pre-Patina blaugrau und Pre-Patina schiefergrau entwickelt. Sie entstehen durch ein weltweit einzigartiges Beizverfahren, durch das das Titanzink den Farbton erhält, der durch Sonne, Wind und Regen ohnehin entsteht.
Fachleute im Einsatz
Die Ausführung der Dach- und Fassadenbekleidung der Konzerthalle MuTh stellte extrem hohe Anforderungen an den Verarbeiter, denn „an diesem Gebäude gibt es keine gerade Fläche. Alles verläuft schräg und die Rauten rennen in einer Fuge um das ganze Haus herum“, erzählt Wolfgang Kalousek, Kalousek Spenglerei und Metallkamine GmbH. Zudem legten Bauherr und Architekt größten Wert auf eine handwerklich saubere Ausführung. Zum Einsatz kam die Oberflächenqualität Rheinzink Pre-Patina blaugrau – in den steil geneigten Dachbereichen und an der Fassade im Großrautensystem, auf den flach geneigten Dachflächen im Doppelstehfalzsystem. Die Verlegung erfolgte auf folgendem Aufbau (von innen nach außen): Stahlbetonkonstruktion, Dampfbremse, hinterlüftete Holzkonstruktion mit zwischenliegender Wärmedämmung und Unterdach, Holzschalung und Titanzink. In den flach geneigten Dachbereichen wurde zusätzlich die Rheinzink-Strukturmatte AIR-Z eingesetzt. Die Direktverlegung des Titanzinks auf Holzschalung bzw. die Verlegung mit der Rheinzink-Strukturmatte Air-Z ist widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme (harte Bedachung) und erfüllt die Anforderungen der Klasse BROOF (t1).
Bei der 8 mm starken Strukturmatte handelt es sich um ein Polyamidgeflecht, das Toleranzen der Unterkonstruktion ausgleicht sowie den regenbedingten Schalldurchgang und die Gleitfähigkeit verbessert. „Letzteres war beim MuTh ein wichtiger Aspekt für den Einsatz, denn „die Scharen, die zudem teilweise konisch zuliefen, waren bis zu 9,00 m lang“, erklärt Wolfgang Kalousek. Sie wurden in der Werkstatt zugeschnitten und gekantet, vor Ort mit einem Kran auf das Dach transportiert und dort mit Rheinzink-Clipfix-System befestigt. Bei diesem System bestehen die Fest- und Schiebehafte aus Edelstahl und verbinden geringen Montageaufwand mit dem Clipfix-Schrauber mit höchster Belastbarkeit. In Kombination mit den Systemkomponenten gewährt der Hersteller eine zehnjährige Garantie für die Lastaufnahme der Befestigungshafte.
„Eine weitere Herausforderung war der hohe Termindruck“, berichtet W. Kalousek weiter. „Weil in einigen Bereichen noch Gerüste standen, haben wir dort zunächst die oberen Flächen und dann die unteren bekleidet.“ Die Verlegung der Großrauten erfolgte im Rechteckformat. Sie wurden in den gewünschten Abmessungen von Rheinzink geliefert und am Gebäude mit einem Versatz von 20 cm montiert.
Sichere Entwässerung
Rund 2000 m² Dach- und Fassadenflächen sind am Konzertsaal der Wiener Sängerknaben mit Titanzink bekleidet. Eine gewaltige Fläche, die auch bei starkem Regen zuverlässig entwässert werden muss. Aus diesem Grund verläuft rund um das MuTh ein zweiteiliges Rinnensystem, dessen Grundrinne aus Holzschalung mit darauf verlegter EPDM-Abdichtungsbahn besteht. In diese Grundrinne wurde die Strukturmatte Enkamat 7018 gelegt, um zur darauf liegenden Innenrinne einen gleichmäßigen Abstand sicherzustellen. Bei der Innenrinne handelt es sich um die Rheinzink-Kastenrinne, deren Schenkel auf der dachzugewandten Seite über eine Rückkantung verfügen und auf der dachabgewandten Seite zur Notentwässerung niedriger ausgeführt wurden. Für weitere Sicherheit sorgen die Abläufe, die im Übergang zum Kanalrohr mit rückstauwasserdichten Messingmuffen installiert wurden. Außerdem sind im Bereich der Abläufe Doppelstutzen ausgebildet. Das MuTh verfügt einschließlich Pförtnerhaus über eine Nutzfläche von ca. 3400 m². Die Bauarbeiten begannen im Sommer 2010 und wurden Ende 2012 abgeschlossen. Die Baukosten betrugen rund 15 Mio. Euro und wurden von einem Mäzen, der Pühringer Privatstiftung POK, übernommen.
Bautafel
Bauherr: Wiener Sängerknaben Konzertsaal Betriebs-GmbH, Wien
Architektur: Archipel Architektur + Kommunikation, Wien, Johannes Kraus und Michael Lawugger
Fachbetrieb: Kalousek Spenglerei u. Metallkamine GmbH, Wien
Material: Dach: 1000 m², 7 t, Doppelstehfalzsystem und Großrautensystem, Rheinzink Pre-Patina blaugrau Fassade: 1000 m², 6,4 t, Großrautensystem, Rheinzink Pre-Patina blaugrau
Fotos: Rheinzink
Frank Neumann
ist Leiter der Bereiche Anwendungstechnik und Marketing bei Rheinzink in Datteln.