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Verwirrung mit System?

Rohrpost und Rinne

In Ausgabe 5/2011 stellte BAUMETALL die Frage, warum das Montieren von Regenrohren und Dachrinnen mit derartig vielen Begrifflichkeiten verbunden ist. Sind wir bereits unterwegs in die nächste Dimension? Ist der Klempner als „Herr der Rinne“ dafür verantwortlich, aus einer Fülle unterschiedlichster Dimensionen und Produkte die für ihn passenden Rinnen und Rohre zu bestimmen? Fakt ist: Regionale Vorlieben und Vorschriften sorgen für Verwirrung im Entwässerungsdickicht und die Rückstaugefahr scheint entsprechend groß. Doch Spaß beiseite: Prominente Beispiele wie die Münchner oder die Berliner Rinne, die speziell in den jeweiligen Stadtgebieten eingesetzt werden, verdeutlichen, welche Sonderlösungen nach wie vor Bestand haben. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist dies durchaus sinnvoll, doch wo bleiben Wirtschaftlichkeit und Rationalisierung? Erfreulich ist, dass vor allem die Zubehör­lieferanten seit Jahren auf unterschiedlichste Anforderungen reagieren und die Fachbetriebe mit zum Teil in Kleinstserien hergestellten Nischenprodukten beliefern. Dennoch scheint an dieser Stelle die Frage gerechtfertigt zu sein, wie der Fachmann den nötigen Überblick behalten kann. Dazu äußerte sich der Rinnen- und Zubehörspezialist Martin Fischer von MASC aus Senden ebenso wie der Traditionsspengler Konrad Blamberger aus München.

M.A.S.C. sendet Rohrpost zurück*

Vor allem durch den europaweiten Vertrieb unserer Rohraufweiter haben wir zu diesem Thema schon einiges gehört und gelernt. Beispielsweise kennen wir die Bezeichnungen Fallrohr, Ablaufrohr, Regenrohr, Regenablaufrohr und Abschlussrohr, doch leider sind dabei nicht nur die im Süden als Standard geltenden Durchmesser von 80, 100 oder 120 mm gemeint. Besonders bei der Abstimmung unserer Rohraufweiter sind wir entsprechend gefordert und reagieren auf regional unterschiedliche Durchmesser. Inzwischen bieten wir unsere Aufweiter in folgenden Durchmessern an: 50, 60, 74,2, 75, 76, 80, 87, 100, 120, 130 und 150 mm. Doch damit nicht genug – es gibt Regionen, in denen die Fachbetriebe mit starken Toleranzen bei den Rohrdurchmessern zu kämpfen haben. Speziell für sie haben wir verstellbare Aufweitkoner im Programm. Diese Aufweiter können den unterschiedlichen Rohrdurchmessern mittels Stellrand um +/– 1 mm angepasst werden. Eine weitere Eigenart ist die unterschiedliche Bezeichnung der Rohrdimensionen. Die Rohre werden von den Kunden entweder mit dem tatsächlichen Durchmesser in Zoll, mm oder cm benannt oder (ebenfalls geläufig und regional unterschiedlich) nach alter Väter Sitte in Teiligkeiten dimensioniert.

Das Main-Neckar-Rohr…

… oder wo welche Rohre zuhause sind: Vom 90er-Rohr haben wir schon Jahre nichts mehr gehört. Jedoch werden in zahlreichen Regionen noch immer gefalzte Rohre verarbeitet. Die Rohrdurchmesser verändern sich unserer Erfahrung nach ab der Main-Linie von 80 und 100 mm auf 76/87 und 100 mm. Ob das gefalzte Rohr wie früher mit dem Falz zur Sicht montiert wird, können wir leider nicht abschließend beantworten, glauben aber, dass die Kollegen aus Bayern bessere Auskunft zu diesem Thema geben können.

Rinne, Kandel, Waterkant

Auch bei der Rinnenbezeichnung bleibt es spannend. Hier sprechen die Klempner, Spengler, Blechner oder Flaschner von Ablaufrinnen, Dachrinnen, Regenrinnen, Gehängen oder der Kandel, Dachkalle, Dachkandel, Dachhängel beziehungsweise dem Dachkäner. Auch den Ausdruck DIN-Rinne haben wir schon gehört. Doch welche Rinne entspricht der DIN und wo ist die DIN zuhause? Ist es vielleicht die Münchner Rinne am Dach des Deutschen Patentamtes in München? Wie dem auch sei – speziell in München wird die mit zwei Wulsten versehene Rinne mit stabilen Wulsteisen oder dem sogenannten Wulststahl ausgestattet.

Wo ist der Haken?

Bei der Befestigung wird es sehr speziell. Hier staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, denn zur perfekten Montage benötigt man Rinnenhalter, Rinnenträger, Rinneneisen und Rinnenhaken. Und auch die Dicke und Breite der Rinnenhalter ändert sich von Region zu Region. Dabei ist die Schneelast entscheidend. Im Süden gibt es Regionen mit 30x5-mm-Vollkupferträgern wie auch Regionen mit verzinkten Trägern in gewaltigen Dimensionen von 25 x 8 mm – eben je nach Schneelast und Tradition. Vereinzelt stößt man auch auf Gebiete in denen 40 mm breite Rinneneisen eingesetzt werden.

Speziell für Zubehörlieferanten und Hersteller von Spezialwerkzeugen verursacht die Vielfalt an Dimensionen und Bezeichnungen einen immensen Aufwand. Dennoch appelliere ich ausdrücklich dafür, die regionalen Fachbegriffe weiterhin zu pflegen. Ebenso wie die Berufs­bezeichnungen Klempner, Flaschner, Spengler und Blechner stammen die Bezeichnungen aus einer Tradition und Historie heraus. Der Gedanke, dieses Bezeichnungsgewirr zu vereinfachen, ist für mich so, als würde jemand den Versuch unternehmen, deutschlandweit das gleiche Bier in einer DIN-Flasche anzubieten. Stattdessen sollten wir gemeinsam und mit Nachdruck dafür Sorge tragen, dass der Endkunde erfährt, was wir handwerklich am Dach zu bieten haben.

* von Martin Fischer

Wissenswertes zur Münchner Rinne**

Speziell im Stadtgebiet von München wird seit Generationen eine besondere Dachrinnenvariante eingesetzt – die Münchner Rinne. Dabei handelt es sich um eine mit zwei Rinnenwulsten ausgestattete halbrunde Rinne in den Dimen­sionen 25, 33, 40 oder 50 cm. Die zweite Wulst ist dabei dort angebracht, wo andere Dachrinnen eine gewöhnliche Rückkantung aufweisen. Früher wurden beide Rinnenwulste mit einer speziell dimensionierten Drahteinlage, dem sogenannten Wulststahl versehen. Beispielsweise statteten die Münchner Spengler 25er-Rinnen mit zwei Drähten, 8 mm vorne und 6mm hinten, 33er-Rinnen mit 10-mm-Drähten vorne und 8 mm hinten, die 40er-Rinnen mit entsprechenden Drahteinlagen, 12 mm vorne und 10mm hinten, aus. Doch damit nicht genug: Um eine möglichst hohe Stabilität zu erreichen, werden in München seit jeher sehr stabile und speziell auf die Dachrinnenform abgestimmte Rinnenhaken verarbeitet. ln Dimensionen von 25 x 8 mm, 30 x 8 mm oder gar 30 x 10 mm sorgen solche Haken für erstaunliche und dauerhafte Sicherheit und das hat seinen Grund: Beim Blick in alte Bauausschreibungstexte wird deutlich, dass die Rinnen in München stabilisiert wurden, um eine sichere Begehbarkeit der Dachrinnen zu ermöglichen. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, in der jede Rinne in München zuverlässig (fast) jeder Belastung standgehalten hat. Hohe Schneelasten waren damals ebenso unproblematisch wie eine Dach- oder besser gesagt Dachrinnen-Begehung durch zwei Zentner schwere Dachhandwerker. Dieser Vorteil war speziell bei Wartungsarbeiten von unschätzbarem Wert. Übrigens: Eine echte Münchner Rinne besteht aus verzinktem Stahl oder aus 0,7-mm-Kupfer – den beiden für unsere Region typischen Baumetallen.

** von Konrad Blamberger sen.

Rohrpost

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Berliner Rinne

Wie Dachrinnen in Berlin montiert werden und welche ­Hintergrundinformationen es aus Sicht der Berliner ­Klempner zu diesem Thema gibt, lesen Sie im Online-Extra „Made in Berlin“ auf

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