Kann Schimmelbildung an der Unterseite von Dachüberständen auch positiv betrachtet werden? Welche Ursachen führen überhaupt zu diesem Phänomen und was macht Dachüberstände letztendlich zum attraktiven Lebensraum für Mikroorganismen und Pilze? Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden. Eines vorweg: Reklamationen und Untersuchungsanfragen zu Schimmelbildung an den Unterseiten der Dachüberstände häufen sich. Auch metallgedeckte Dächer sind davon nicht verschont. Mit bewährten Farbanstrichen versehene Holzverschalungen, Holzwerkstoffe wie OSB-Platten, Mehrschichtplatten oder BFU-Bau-Furniersperrholz sowie gänzlich unbehandelte Holzverschalungen sind betroffen. Teilweise hängen die Ursachen für den unterschiedlich starken Befall durch Holz verfärbende Pilze und Schimmelpilze mit der Himmelsausrichtung der betroffenen Bauteile zusammen. Auch die Tatsache, dass befallene Bauteile überwiegend ungedämmt und außerhalb des Dachraumes angeordnet sind, verursachen diese Vorfälle. Dazu kommt eine Gefährdungsklasse, die höchstens der Stufe 2 zugeordnet werden kann. Diese Erscheinungen machten lange Zeit sogar Fachleute ratlos, denn unter den Dachvorsprüngen sollte eigentlich keinerlei erhöhte, schädliche Holzfeuchte zu erwarten sein – eigentlich ...
Die geschilderten Auswirkungen stellen für tragende und nicht tragende Bauteile im Wesentlichen eine rein optische Beeinflussung dar. Die an sich harmlose, auf der Holzoberfläche sichtbar werdende Erscheinung entsteht durch zwei verschiedene, aber dennoch ähnliche Bedingungen. Erzeugt werden beide Bedingungen von der gleichen Ursache – ausreichend vorhandener Feuchteanfall! Einerseits entsteht meistens ein ganz gewöhnlicher Bläuepilzbefall mit Holz verfärbenden Folgen. Andererseits kommt in allen Fällen ein punktförmig beginnender Schimmelpilzbefall an der Holzoberfläche hinzu. In beiden Fällen löst eine über längeren Zeitraum (1-3 Tage) anhaltende Wasseraktivität über dem Wert 0,8 den Befall aus. Erklärend sei erwähnt, dass der Wert 0 trocken und der Wert 1 flüssiges Wasser bedeutet. Bekanntlich sind zwei wichtige Bedingungen für Schimmelpilzbefall erforderlich. Erstens: Wasseraktivität über dem Wert 0,8 mit einer Dauer von mehr als 48 Stunden sowie zweitens: ausreichend viele Kohlenstoffverbindungen als Nährstoff. Ähnliches gilt auch für die Holz verfärbenden Bläuepilze. »
Wasser + Kohlenstoffverbindungen(Blütenpollen/-staub) = Schimmelpilzbefall
Wasser + Splintholzinhaltsstoffe(Baumsaft: Zucker/Stärke) = Bläuepilzbefall
Kleinklima
Das nach Baufertigstellung in der Umgebung der betroffenen Bauteile möglicherweise entstehende oder schon herrschende Kleinklima ist bestimmend für den Befall durch Holz verfärbende Pilze und Schimmelpilze. Viele Planer übersehen heute diese Bedingungen, weil sie in die grundlegenden Entscheidungen zur Bauwerkslage und deren späteren Umgebungsbedingungen erst gar nicht umfassend eingebunden sind.
Im Wechsel der tagsüber erfolgten Erwärmung an den ungedämmten Bauteilen kommt es nach vorangegangener nächtlicher Abkühlung zu Tauwasserbildung. Dieser Effekt verstärkt sich, weil unterseitig liegende Holzoberflächen fast kein Wärmespeichervermögen aufweisen. Auch die Vegetation der näheren Umgebung spielt eine wichtige Rolle. Parkähnliche Umgebungen sowie Tal- und Waldrandlagen sind dabei besonders anfällig.
Obwohl Dachuntersichten in der Regel nicht direkt bewittert werden, müssen bei der Verwendung von Holzarten wie Seekiefer und Birke unbedingt zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, um eine Besiedelung durch Schimmelpilze zu verhindern.
Auch Neubaufeuchte oder aus dem Baukörper ausgehende warme Luftströme (undichte Dampfsperren) können zu Kondensationserscheinungen unter den Dachüberständen führen. Diese Erscheinungen können zunächst überaus komplex und daher scheinbar verwirrend sein. Das an den feuchten Dachunterseiten entstehende Phänomen häuft sich im Frühjahr besonders. An den betroffenen Stellen setzen sich Blütenpollen und sonstige organische Bestandteile ab. Diese Kohlenstoffverbindungen sind der ideale Nährboden für die sich nun bald ansiedelnden Schimmelpilze. Der anfangs noch fehlende Nährstoff erklärt übrigens das Auftreten des Schimmelpilzbefalles im nächsten oder gar übernächsten Jahr nach Baufertigstellung.
Dagegen ist der Nährboden, den Bläuepilze bevorzugen, in den verarbeiteten Splinthölzern der Holzwerkstoffe selbst zu finden. Besonders Bestandteile wie stärke- und zuckerhaltige Zellinhaltsstoffe bieten den idealen und nötigen Nährstoff. Diese Stoffe sind vorrangig in Kiefer- und anderen Nadelhölzern enthalten. Der Bläuepilzbefall kann frühzeitig auftreten, wird aber entweder durch einen pigmentierten Anstrich verdeckt oder durch ein bläuewidrig eingestelltes, bewährtes Anstrichsystem befallsvorbeugend unterbunden.
Lasuren und Farben sind nie dauerhaft, Bauunterhaltung ist nötig! Organische Ablagerungen treten in regelmäßig wiederkehrenden Abständen auf und müssen entfernt werden. Die Oberflächen sind zu säubern und nach nötiger Untergrundvorbereitung mit einem fungizid eingestellten Farbanstrich zu erneuern.
Baukonstruktive Versäumnisse
Zur Ursachenfindung müssen, wie beschrieben, komplexe Wechselwirkungen einbezogen werden. Dennoch liegen auch baukonstruktive Versäumnisse vor, die es im Vorfeld zu erkennen gilt. Desweiteren ist es sinnvoll, dem Bauherrn schon bei der Abnahme (im Abnahmeprotokoll festgehalten) aufzutragen, die Dachuntersichten ab dem Folgejahr der Baufertigstellung regelmäßig von organischen Ablagerungen zu reinigen. Zudem sollte während alljährlicher Kontrollen je nach Bauteillage rechtzeitig die Notwendigkeit eines Unterhaltungsanstriches veranlasst werden. Letztendlich ist die Aufgabe der Bauunterhaltung der Bauherrschaft zuzuordnen. Es ist falsch, diese Verantwortung dem Handwerker auftragen zu wollen.
Für den Planer ergibt sich aufgrund zu erwartender Holzfeuchten unterhalb der Dachüberstände die Notwendigkeit, grundsätzlich Platten der Holzwerkstoffklasse 100G (DIN 68 800 - Teil 2 Tabelle 2 und 3) sowie ein fungizid eingestelltes Farbanstrichsystem (Grund- und Deckanstrich) mit Bläueschutz zu fordern. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine entsprechend detaillierte Ausschreibung. BFU-Platten mit Furnieren aus wenig resistenter Birke, Buche oder Seekiefer sollten ohne die nötigen konstruktiven Maßnahmen und ohne ausreichend wirksame Anstriche keine Verwendung finden.
Abhilfe: Wenn ein Schimmelpilzbefall aufgetreten ist, reicht im Anfangsstadium des Bewuchses mitunter ein bloßes feuchtes Reinigen mit tensidhaltigem Wasser, sofern die Beschichtung noch intakt ist. Wasser und Brennspiritus im Verhältnis 90:10 Gewichtsteilen oder 5%-ige Sodalösung (Apotheke).
Am Beispiel metallgedeckter Dachflächen kann Folgendes festgestellt werden: Zur Realisierung schlanker Dachränder werden die Lufteinlassöffnungen zur Dachflächenhinterlüftung oft am Übergang zwischen Gebäudeaußenwand und Dach platziert. Ein hinterlüftetes Metalldach ist somit im Dachvorsprungbereich einschalig und damit nicht hinterlüftet! Die Folge: Unter den Dachüberständen muss mit Tauwasseranfall gerechnet werden. Zudem bildet sich Sekundärtauwasser an der Metallunterseite. Holzbaustoffe müssen folglich ausreichend geschützt werden. Holzunterseitige Anstriche und diffusionsoffene Trennlagen wirken eventuellem Pilzbefall entgegen. Auch die Anordnung der Lufteinlassöffnungen am Traufbereich schafft Abhilfe. Das Metalldach ist dadurch durchgängig hinterlüftet und entstehende Feuchtigkeit kann in der Folge abtrocknen. Wenn die durchgängige Hinterlüftung nicht erwünscht ist, können dachoberseitig angebrachte, leichte Dämmschichten dem Pilzbefall entgegenwirken.
Für eine dauerhaft schimmelfreie Oberfläche ist entweder die Feuchte durch bauliche Maßnahmen zu vermindern oder aber es ist das Aufbringen eines neuen, in diesem Falle schimmelpilzwidrigen Anstrichsystems erforderlich.
Fazit
Die beschriebene Entstehung von Pilzbildung führt an außen liegendem, dachunterseitig verbautem Holz in den seltensten Fällen zu Schäden oder gar zur Gefahr für die Baukonstruktion selbst. Naturbedingt ist der Pilzbefall nur eine optische Beeinträchtigung. Ursache sind komplexe Wechselwirkungen zwischen Umgebungsbedingung und Nutzerverhalten sowie moderner Bautechnik und neu komponierten Materialmixturen. Überraschungen vermeidet, wer sein Material kennt und neben den (bewährten) Regeln der Baukunst vorrangig die nicht beeinflussbaren Regeln der Natur anerkennt. Stimmen der konstruktive Holzschutz und das Material, kann Holz mit der Natur Eins bleiben. Das kann beispielsweise vergrautes und verfärbtes Holz bedeuten. Pilztötende (fungizide) Holzbehandlung ist unter diesem Gesichtspunkt nicht nötig, zumal entsprechende Anstriche durchaus eine Umweltbelastung darstellen.
* Hans-Joachim Rüpke ist freischaffender Architekt in der Architektenkammer Niedersachsen und Sachverständiger für Holzschutz
Nützliche Hinweise
DGfH-Merkblatt
„Vermeidung von Schimmelpilzbefall an Anstrichflächen außen“
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