Im böhmischen Halbmeil, in Grenznähe zu Sachsen, befindet sich die Kapelle des heiligen Nepomuk. Diese wird nun über ein EU-Förderprogramm unter Regie des EZV Breitenbrunn wieder aufgebaut. Die Rekonstruktion des Glockentürmchens war für mich eine spannende und nicht alltägliche Aufgabe, die ich den BAUMETALL-Lesern nicht vorenthalten möchte. Zunächst Historisches zur Lage: Durch Verkauf kam im 17. Jahrhundert ein weitläufiges Gebiet um die Bergstadt St. Joachimsthal vom Königreich Sachsen zum Königreich Böhmen. Die kleine, auf dem Erzgebirgskamm in über 900m Höhe gelegene Ortschaft Halbmeil wurde aufgrund dieser Grenzziehung in einen sächsischen Teil und einen wesentlich größeren böhmischen, später österreich-ungarischen und schließlich tschechischen Teil getrennt. 1946 wurde die deutschstämmige Bevölkerung infolge des Zweiten Weltkrieges vertrieben. Mitte der 1950er-Jahre wurden dann sämtliche grenznahen Dörfer niedergerissen. So blieben auch von der Kapelle des heiligen Nepomuk nur ein Steinhaufen und die Abbildung auf alten Anton-Günther-Liedpostkarten erhalten. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems und der Integration der Tschechischen Republik in die Europäische Union reifte bei einigen Leuten, welche diese Kapelle noch gekannt hatten, die Idee des Wiederaufbaus derselben. Im Jahr 2013 war es dann endlich soweit. Finanziert über das Ziel-Förderprogramm der EU und Spenden konnte die Kapelle wieder errichtet werden. Gelegen am von Wanderern, Radfahrern und Skilangläufern stark frequentierten, grenzübergreifenden Anton-Günther-Wanderweg bietet sie nun Gelegenheit zur Rast und zum Innehalten. Und zur Freude aller am Bau Beteiligten haben die ersten Wochen gezeigt, dass von dieser Möglichkeit auch rege Gebrauch gemacht wird. So viel zur Örtlichkeit, nun das Fachliche.
Titanzink entspricht historischem Vorbild
Die erste Frage, die sich stellte, war die Frage des Materials. Obwohl ausgeschrieben in Titanzink, sprach die bessere Verarbeitbarkeit bei niedrigen Temperaturen für Kupfer. Dagegen sprach, dass die Lage, 5km entfernt von der nächsten Ortschaft, Buntmetall-Diebe anlocken könnte. Die Möglichkeit, Dachrauten aus Farbaluminium in Kombination mit Schiefer an den senkrechten Flächen einzusetzen, wurde ebenfalls diskutiert. Um dem historischen Vorbild am ehesten gerecht zu werden, fiel die Wahl auf eine Bekleidung aus walzblankem Titanzink. Als persönliche Vorgabe setze ich mir bei solchen Projekten immer das Ziel, die Bekleidung ausschließlich in klassischer Falztechnik herzustellen. Dabei lege ich größten Wert darauf, die Metallelemente indirekt zu befestigen, verdeckt zu nageln und vor allem auf den Einsatz von neuzeitlichen Segnungen wie Spenglerschrauben, Blindnieten oder gar dauerelastischen Dichtstoffen zu verzichten.
Die Vorbereitung des Glockenturms erfolgte weitestgehend in unserer Werkstatt. Dazu wurde der Glockenturm auf einem der Dachschräge entsprechenden Dachmodell aufgesetzt. Die erste Herausforderung stellte die Verbindung der Einfassung über dem First dar. Als Klempner der Tat pflege ich in solchen Situationen ein Blatt Papier zu nehmen, es entsprechend zu knicken, Quetschfalten einzulegen und den Radius herauszuschneiden. Anschließend werden Materialdopplungen ausgelinkt, das Ganze aufs Blech übertragen, ausgeschnitten, aufgekantet und verfalzt – fertig!
Die Innenabdeckung des Türmchens besteht aus sechs nach innen spitz zulaufenden Segmenten. Die Aufkantungen enden in Quetschfalten in der Spitze und an den Säulen. Zur besseren Ableitung von Niederschlagswasser wurden unter den Spitzen 5mm Sperrholz untergelegt. Unter den von den Säulen ausgehenden Abdeckungen wurden 30 mm Sperrholz eingelegt. Störend dabei wirkte sich die Lage der Durchführung für das Zugseil der Glocke aus. Da diese direkt auf einem Falz liegt, wurden zusätzliche Lötarbeiten notwendig. Für die Innenbekleidung der Säulen und Außenwände verwendete ich aus optischen Gründen farbbeschichtetes Aluminium mit dunklem Holzdekor. Die obere gebogene Sturzbekleidung mit einer gestreckten und einer gestauchten Bördelung stellte ich mittels der abgebildeten Spann-Lehre her.
Scharen mit Schwung
Bei der Bekleidung der Außenfläche war natürlich die einheitliche Verlegerichtung der einzelnen Scharen zu beachten. Die erste Schwierigkeit beim Anpassen der Scharen für die Kuppel war natürlich das Strecken und Stauchen der Falzaufkantungen. Teilweise betragen die Radien der Kuppel weniger als 20 cm. Obwohl ich die Falzhöhe von 25 auf 20 mm reduzierte und das Titanzink entsprechend angewärmt habe, war es nicht möglich, die Plissierungen an den gestauchten Stellen auszuschlichten. Beim Falzen ist es wichtig, die Scharen gut zu fixieren. Darum wählte ich einen Haftabstand von ca. 10 cm. Trotzdem war es beim Falzen (gerade bei den Plissierungen) notwendig, die Aufkantungen mittels Gripzangen zu fixieren. Diese Maßnahme verhinderte ein unbeabsichtigtes und erneutes Strecken des Materials beim Umschlagen.
Spitzenleistung
Das Aufsetzen des vorgefertigten Turms übernahm ein Forstunternehmen mit einem Holzrücke-Traktor. Als der Turm auf seinem endgültigen Platz fixiert war, ließ ich es mir nicht nehmen, die Turmspitze als krönenden Abschluss anzubringen. Die Turmspitze fertigte ich aus sechs einzelnen Segmenten an, die ich von innen verlötete. Nach dem Einschlagen der Jahreszahl und dem Poliervorgang versah ich die Spitze mit einem Klarlackanstrich. Schließlich soll der Glanz des Bauteils möglichst lange erhalten bleiben.
Autor
Jens Riedel
ist Klempnermeister beim gleichnamigen Fachbetrieb in Breitenbrunn-Rittersgrün.