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Mit Packliste ans Ziel

Dreieinhalb plus viereinhalb

Die Pack- und Materialliste vom Team der Stuttgarter Robert-Mayer-Schule (RMS) hat es in sich: Neben mehreren Stauch- und Streckgeräten sind dort zwei Dutzend Paar Lochscheren und ebenso viele Deckzangen notiert. Außerdem mindestens zehn Schaleisen und dieselbe Anzahl an Holzhämmern. Überhaupt können nicht genug verschiedene Falzhämmer im Lieferwagen sein. Und Lötzeug? Fehlanzeige! Das wird dieses Mal ebenso wenig benötigt wie Profilierautomaten oder Falzmaschinen. Stattdessen sind eine Segment-Schwenkbiegemaschine und eine herkömmliche Schwenkbiegemaschine sowie verschiedene mobile Werktische und weitere Hilfsmittel zur Herstellung eines traditionellen Stehfalzdaches mit von der Partie – genauer gesagt im Lieferwagen und „on the road“. Aufmerksame BAUMETALL-Leser ahnen es womöglich bereits: Die umfangreiche Ausrüstung ist zusammen mit zehn motivierten Meisterschülern und ihren Ausbildern unterwegs. Das Ziel: Freudenstadt im Schwarzwald. Die Mission: Rettung des unter Denkmalschutz stehenden Rappenpavillons.

Geschichte

Trauriger Zustand: Der Rappen Pavillon wartet darauf wachgeküsst zu werden und wieder zum beliebten Ziel für Kurgäste zu werden 

Haushaut / Rombach

Trauriger Zustand: Der Rappen Pavillon wartet darauf wachgeküsst zu werden und wieder zum beliebten Ziel für Kurgäste zu werden 

Der Rappenpavillon, auch als Freudenstädter Lusthäuschen bekannt, ist das einzige oberirdisch sichtbare Überbleibsel des im Jahr 2000 durch einen Brand zerstörten Kurhotels Rappen. Er wurde im Jahr 1828 erbaut und war ursprünglich ein Verkaufsstand für Spirituosen, Liköre, Obst, Feinkost und Sonntagszigarren. Der Pavillon ist ein zweigeschossiger Bau mit einem Walmdach. Er wurde im Stil des Klassizismus errichtet und besteht aus einem Unterbau aus rotem Buntsandstein und einem Oberbau aus Holz. Die Fassade ist mit Pilastern und Gesimsen verziert. Das geschwungene Dach war ursprünglich mit Bieberschwanzziegeln eingedeckt. Seit mehreren Jahren wurde die Bausubstanz jedoch mithilfe eines Dachpappe-Provisoriums vor Witterungseinflüssen geschützt. Von den Mitgliedern des Vereins für Kulturdenkmale Freudenstadt e. V. werden regelmäßig Erhaltungsmaßnahmen am Pavillon durchgeführt. Das damit verbundene Engagement trug maßgeblich dazu bei, das unter Denkmalschutz stehende Kleinod der Schwarzwälder Kurstadt vor dem Verfall zu schützen – bis jetzt!

Rettungsaktion

Martin Rombach beim Aufsetzen der Gratleiste

BAUMETALL

Martin Rombach beim Aufsetzen der Gratleiste

Martin Rombach ist leidenschaftlicher Blechnermeister. Der 52-jährige Fachmann hat seine Meisterprüfung vor fast 25 Jahren abgelegt – seit fünf Jahren ist er im technischen Außendienst als Aluminiumfighter für Haushaut aus Düren tätig. Und natürlich kennt der aus dem Hochschwarzwald stammende Experte auch den Rappenpavillon sowie das in die Jahre gekommene Provisorium aus Dachpappe: „Jedes Mal, wenn ich in Freudenstadt unterwegs war, habe ich darüber nachgedacht, wie der Pavillon gerettet werden könnte. Eines Tages hatte ich die Idee, ein entsprechendes Projekt aufzusetzen und es den RMS-Meisterschülern zu präsentieren.“ Was sich hier so einfach liest, war mit sehr viel Arbeit verbunden. Zunächst mussten ansässige Fachbetriebe, darunter auch die Merz Bad – Heizung GmbH aus dem benachbarten Loßburg, informiert werden. „Schließlich liegt es mir und den Kollegen der RMS fern, ansässigen Handwerkern die Arbeit abzunehmen“, erzählt Rombach, der, ganz Teamplayer, das Merz-Team aktiv in das Projekt integrierte. Die Flaschner des Fachbetriebs montierten im Vorfeld die Aluminium-Dachrinnen und sorgten damit für einen reibungslosen Start der Meisterschüler. „Außerdem mussten das Stadtbauamt, die Denkmalschutzbehörde und die ehrenamtlichen Helfer des Vereins für Kulturdenkmale Freudenstadt e. V. von der Idee überzeugt werden“, berichtet Rombach. Das dazu erforderliche Material wurde zu jeweils 50 % vom Handelshaus Gustav Barth in Renningen und von Haushaut aus Düren zur Verfügung gestellt – die Arbeitsleistung im Rahmen des Projekts „Praxiseinsatz der RMS-Meisterschüler“ von Ausbildern und Meisterschülern geleistet.

Computersimulation von Ausbilder und Schulleiter der Stuttgarter RMS-Klempnermeisterschule, Hans-Peter Rösch

RMS Rösch

Computersimulation von Ausbilder und Schulleiter der Stuttgarter RMS-Klempnermeisterschule, Hans-Peter Rösch

Traditionelles Stehfalzdach

In Freudenstadt angekommen begannen die Meisterschüler umgehend damit, im Inneren des Pavillons eine Vor-Ort-Werkstatt einzurichten. Parallel dazu starteten die Meisterschüler mit der Eindeckung der Dachfläche. Ausbilder Daniel Wagner: „Bereits am ersten Tag haben unsere motivierten Schüler zahlreiche Scharen gemessen, vorbereitet und montiert. Jedes einzelne Profil wurde 3,5 und 4,5 cm aufgestellt, nach alter Väter Sitte mittels Hosenhaften befestigt und von Hand gefalzt. An den konkaven und konvexen Rundungen der Dachfläche wurden die entsprechenden Aufkantungen gestaucht bzw. gestreckt. Dazu wurden Spitzzangen, Schaleisen, Schweifhämmer und die praktischen Handformer von Eckold verwendet.“ Martin Rombach ergänzt: „Über den Fledermausgauben wurden zunächst Faltenkehlen montiert. Aufgesetzte Zusatzfalze sorgen für Sicherheit bzw. verhindern das Abheben darüberliegender Scharen.“

Meisterpower: Schüler, Ausbilder und Gäste bilden das Sanierungsteam der Stuttgarter Robert-Mayer-Schule

BAUMETALL

Meisterpower: Schüler, Ausbilder und Gäste bilden das Sanierungsteam der Stuttgarter Robert-Mayer-Schule

Besonders anspruchsvoll gestaltete sich das Anpassen kleinteiliger Profile an Dacheindeckungsbereichen wie beispielsweise den Übergängen von den Gaubendächern an die Hauptdachflächen. An den vier ebenfalls geschwungenen Gratverläufen wurden die Stehfalzscharen höher aufgestellt, um 90° rückgekantet und mit einer Gratleiste versehen. Zu guter Letzt soll eine Dachspitze in Form einer Eichel das Bauwerk schmücken. Das Zierelement wird ebenso wie das gesamte Dach und die Dachentwässerungsanlage aus farbbeschichtetem 0,7-mm-Aluminium der Marke Haushaut im Farbton Grau – Oberfläche Pearls hergestellt.

Influencer, Fachpresse, der SWR und andere ­Persönlichkeiten

Selten hat eine Baumaßnahme in Freudenstadt derart großes Medieninteresse erzeugt. „Kaum ein Tag vergeht, ohne dass irgendjemand den Fotoapparat, sein Smartphone oder eine Videokamera zückt“, erzählt RMS-Ausbilder Daniel Wagner. So war zum Beispiel zeitgleich mit dem Besuch der BAUMETALL-Kamera auch M.A.S.C.-Verkaufsleiter Stefan Burger vom M.A.S.C.-Team-Vöhringen auf der Baustelle. Eine weitere Überraschung war die Anwesenheit der als @handwerk.schwestern bekannten Elena und Franziska „Franzi“ Dangel vom gleichnamigen Fachbetrieb aus Oberlenningen. Während Franzi aktuell als Klempnermeister-Schülerin zum RMS-Team gehört, verbringt Elena einige Tage ihres Sommerurlaubs auf dem Dach des Pavillons. Gemeinsam verfolgen die Geschwister das Ziel, möglichst viele junge Menschen vom Handwerk und ihrem Beruf als Klempnerinnen zu begeistern. Dazu Elena Dangel: „Unsere Herzen schlagen für das Handwerk. Wir sind sehr froh, diesen Weg für uns gefunden zu haben.“ Und Franzi ergänzt: „Der Fachkräftemangel ist auch bei uns ein spürbares Thema. Daher ist es uns ein Anliegen, gerade die jungen Menschen fürs Handwerk zu begeistern und sie durch Einblicke in unseren Berufsalltag zu motivieren.“

Franziska Dangel beim Einfalzen an der Gauben-Tropfkante

BAUMETALL

Franziska Dangel beim Einfalzen an der Gauben-Tropfkante

„Neben Vertretern der Regionalpresse gehörte der Besuch des SWR Südwestrundfunks zu den medialen Höhepunkten der Aktion“, sagt der sichtlich stolze Daniel Wagner und spricht damit seinen Schützlingen aus der Seele. Recht hat er, denn die Rettung des Rappenpavillons oder besser formuliert die Sanierung des Daches ist perfekt dazu geeignet, zu zeigen, wozu Klempner in der Lage sind. Das sieht Initiator Martin Rombach genauso. Dann schnappt er sich ein Aluminiumprofil und steigt wieder nach oben. Auf der anspruchsvollen Dachfläche angekommen legt er selbst Hand an und montiert gemeinsam mit einem Meisterschüler eine weitere geschwungene Gratleiste.

Vor dem Gerüst bleiben einige schaulustige Passanten auf dem Gehweg stehen, um das Treiben auf dem kleinen, aber feinen Aluminiumdach zu beobachten. „Toll, was die jungen Leute alles können“, stellt eine ältere Dame fest. Ihr wortkarger Begleiter nickt anerkennend und reckt den Daumen in die Höhe.

Neues aus Funcity

Was die angehenden Klempnermeister mit der Arbeit auf dem Dach des Rappenpavillons noch alles verbinden und wie viel Spaß ihnen das Schweifen, Eindecken und Falzen dabei bereitet, veranschaulicht das BAUMETALL-Video zu diesem Fachbeitrag. 

Fazit

BAUMETALL ist begeistert von so viel Engagement rund um das Eindecken historischer Bausubstanz und das aus gutem Grund: Wo bzw. wie sonst können sich Meisterschüler über derart viel Anerkennung freuen und zugleich ein weithin sichtbares Zeichen für die Nachwelt hinterlassen? Übrigens: Gemessen am Umfang der eingangs erwähnten Packliste ist das Dach des Pavillons mit etwas weniger als 80 m² zwar relativ klein – die zur Eindeckung aufgebrachte Meisterpower ist indes immens!