Vor der Angebotserstellung steht die Erfassung der Gebäudehülle. Oft wird diese arbeitsaufwendiger als ursprünglich geplant. Zwar lässt sich die Gebäudegeometrie in vielen Fällen aus vorhandenen Plänen per DXF-Schnittstelle in unterschiedliche Software importieren. Doch nicht immer ist ein Bestandsplan vorhanden oder er stimmt in vielen Fällen mit der Realität nicht überein, weil inzwischen umgebaut oder erweitert wurde. Dann bleiben nur das Bandmaß und der Zollstock. Wer kein Talent als „Fassadenkletterer“ hat, greift besser zur Digitalkamera und entsprechender Software für das fotografische Aufmaß. Wenn es schnell und halbwegs präzise gehen soll, hat sich insbesondere die digitale Bildentzerrung als wirtschaftliche Alternative zu Maßband, Bleistift und Notizblock erwiesen. Mit einer handelsüblichen Digitalkamera kann man den Aufmaßvorgang vor Ort erheblich vereinfachen und verkürzen. Es genügt, Fotos aufzunehmen und wichtige Referenzmaße zu notieren wie Breite x Höhe z. B. einer im Foto sichtbaren Fenster- oder Türöffnung oder andere Referenzpunkte. Weder Standpunkt, Abstand noch der Winkel zum Objekt müssen festgehalten werden. Weil man dabei nur kurz am Aufmaßort verweilt, spielen ungünstige Umgebungsbedingungen wie Wetter und Bautätigkeiten eine geringe Rolle. Auch nicht unmittelbar zugängliche Objekte wie Gebäudefassaden, die direkt an einer viel befahrenen Straße liegen, lassen sich problemlos aufmessen. Andere flächige Objekte wie Innenwände, Flach- oder Steildächer können ebenfalls fotografisch erfasst werden.
Für jeden Zweck das geeignete Verfahren
Die folgenden drei Verfahren unterscheiden sich im Hinblick auf Prinzip, Methodik und Arbeitsaufwand deutlich voneinander: die digitale Bildentzerrung, die auf Fotos basierende 3D-Modellierung sowie die Fotogrammetrie. Digitale Bildentzerrung Bei dieser Technik werden durch das Objektiv und die Perspektive bedingte Verzerrungen des Bildobjektes anhand eines Referenz-Rechtecks oder mithilfe von drei oder vier Referenzpunkten maßstäblich entzerrt. Die so veränderten Bildvorlagen können anschließend für die maßstäbliche Auswertung genutzt oder an CAD-Programme übergeben werden, um daraus Fassadenansichten zu erstellen. Und das funktioniert so:
- Digitalfoto in das Programm laden
- markantes Rechteck (z. B. Tür- oder Fensteröffnung) bzw. in einer Ebene liegende Referenzpunkte im Foto identifizieren
- Maße des Rechtecks bzw. 2D-Koordinaten der Referenzpunkte eintragen und damit das Foto entzerren.
- Das perspektivisch entzerrte Foto kann anschließend im Programm mit Längen- und Flächenmaßen ausgewertet werden.
Die maßstabsgetreue Bildentzerrung ist vergleichsweise schnell und für viele Anwendungsfälle in der Energieberatung, im Entwurf oder der Planung hinreichend genau. Die Abweichung beträgt ± 1–3 cm, abhängig von der Qualität des Digitalfotos und der Auswertung. Eine präzise, millimetergenaue Planung, z. B. für Details, ist damit jedoch ebenso wie ein „echtes“ dreidimensionales Aufmaß nicht möglich.
Fotobasierende 3D-Modellierung
Wer aus Fotos 3D-Objekte generieren möchte, sollte zu 3D-Modelliersoftware greifen. Die Vorgehensweise ist unterschiedlich: Während einige Programme Linien einsetzen, um auf dem zweidimensionalen Foto ein räumliches Liniengerüst zu erstellen, verwenden andere geometrische Grundformen wie z. B. Quader, die in das zweidimensionale, perspektivisch verzerrte Foto möglichst exakt eingepasst werden. Aus diesen Informationen berechnet das Programm die räumliche Situation und die Objektproportionen. Stehen mehrere Fotos des Objektes zur Verfügung, mit denen in gleicher Weise verfahren wird, lassen sich auch Objekte mit komplexerer Geometrie generieren. In einem weiteren Schritt werden Ausschnitte des Fotos auf die Objekthülle aufgezogen, das Objekt erhält eine sogenannte „Textur“. Eine gewöhnliche Digitalkamera genügt, um ein Objekt in allen drei Dimensionen zu erfassen. Das fertige 3D-Modell kann in einer Reihe von 3D-Dateiformaten gespeichert und mit beliebigen anderen 3D-Applikationen weiterbearbeitet werden (CAD, Visualisierung, Animation etc.). Grundsätzlich lässt sich jedes Objekt und jede Szene, die fotografisch erfasst werden kann, dreidimensional modellieren und vermessen. Aus den Modellen können anschließend auch Orthogonal-Ansichten erzeugt werden.
Fotogrammetrische Auswertung
Beim fotogrammetrischen Verfahren wird aus mehreren Fotografien eines Objektes dessen dreidimensionale Form virtuell rekonstruiert. Die Fotos werden dabei nicht entzerrt, sondern mit 3D-Koordinaten (X, Y, Z) der Stand- und Referenzpunkte und mathematischen Algorithmen die räumliche Lage der Fotos zueinander ermittelt. Die Koordinaten werden per Tachymeter eingemessen, einem Nivelliergerät mit eingebautem Laser-Entfernungsmesser. Danach ist das Programm in der Lage, ein dreidimensionales Modell zu erstellen, in dem der Anwender die markanten Objektpunkte nacheinander in allen Aufmaßfotos mit dem Cursor markiert. Das ist wesentlich arbeitsaufwendiger als die digitale Bildentzerrung. Allerdings lassen sich damit beliebige Objekte präzise dreidimensional rekonstruieren. Daraus können zum einen exakte zweidimensionale Objektansichten oder -schnitte generiert werden, zum anderen sind fotorealistische Visualisierungen möglich. Außerdem sind die erreichbaren Genauigkeiten höher. Sie liegen je nach Vorlage und Auswertungsqualität bei ± 1-2 cm und weniger.
Worauf man achten sollte
Die digitale Bildentzerrung ist einfach, schnell und hinreichend genau, sodass sie sich von den vorgestellten Techniken für die Hüllflächenermittlung am besten eignet. Wichtig ist, dass die Software Fotos korrekt und präzise entzerrt (korrekte Referenzpunkteingabe vorausgesetzt), was keineswegs bei allen Programmen bzw. Fotovorlagen der Fall ist. Eine „Pixellupe“ sollte dabei die exakte Lokalisierung der Referenzpunkte erleichtern. Ferner sollten auch mehrere Fotos ausgewertet und zu einer Gesamtansicht zusammengefügt werden können. Das entzerrte und maßstäblich geeichte (kalibrierte) Foto sollte mit Längeneinzelmaßen und -maßketten, Flächenmaßen und Höhenkoten versehen werden können. Außerdem sollte es mit Texten, Hinweispfeilen, Schraffur-/Farbflächen beliebig beschriftet werden können. Schnittstellen zu CAD-, EnEV- bzw. Energieberatungsprogrammen sollten vorhanden sein. Mittlerweile wird auch Energieberatungssoftware mit entsprechenden Erweiterungsmodulen angeboten. Meist stecken identische Programme eines oder zweier Hersteller in unterschiedlicher Verpackung dahinter. Im Unterschied zu „allgemeinen“ Bildentzerrungs-Programmen verfügen diese Fotoaufmaß-Module über eine direkte Schnittstelle zum EnEV-/Energieberatungs-Programm oder eine Excel-Ausgabe, was eine unmittelbare Weiterverarbeitung der Daten ermöglicht. Über Fotoaufmaß-Module verfügen z. B. folgende EnEV-Programme:
- Fotoaufmaß ( <a href="http://www.bmz-software.de" target="_blank">http://www.bmz-software.de</a> )
- BKI Fotoaufmaß ( <a href="http://www.baukosten.de" target="_blank">http://www.baukosten.de</a> )
- Fotoaufmaß ( <a href="http://www.rowa-soft.de" target="_blank">http://www.rowa-soft.de</a> )
Foto-Aufmaß/Foto-Aufmaß Professional ( http://www.hottgenroth.de ). Kommt es bei einer Energieberatung zu einem Planungsauftrag für Dämm-, Umbau- oder Modernisierungsmaßnahmen, leistet das entzerrte Foto auch dabei gute Dienste: Es kann mit beliebiger CAD-Software „durchgepaust“ werden, sodass daraus schnell Fassadenansichten entstehen. Alternativ kann die Neuplanung direkt über das Foto gezeichnet sowie Foto und Zeichnung zusammen ausgegeben werden. Einige Programme wie z. B. FarbePlus oder Foto-Aufmaß Professional können Fotos nicht nur perspektivisch entzerren, sondern auch gestalterisch modifizieren. So kann man dem Bauherren oder Kunden präsentieren, wie eine alternative Fassadenfarbe, Dacheindeckung oder Solaranlage auf dem Dach aussehen könnte. Fazit: Die digitale Bildentzerrung erleichtert Energieberatern das Aufmaß der Gebäudehüllflächen beträchtlich – auch wenn es mit dem digitalen Klick vor Ort nicht.
Mobile Aufmaß-Ausstattung
Vorteilhaft ist eine Ausstattung mit einer Digitalkamera, einem Laser-Distanzmessgerät und einem Notebook. Digitalkameras haben sich für die Erfassung von Fassaden, Details oder Bauschäden längst etabliert. Allerdings sind hochwertige Zoomkameras mit Weitwinkelobjektiv und einer Bildauflösung von mindestens 5 Megapixeln Voraussetzung. Foto-Handys sind eher ungeeignet, weil die Bildauflösung von 1 bis 3 Megapixeln meist zu gering ist. Ein Notebook ermöglicht neben einer rationellen Erfassung auch die Auswertung vor Ort. So können Unstimmigkeiten oder falsche bzw. fehlende Maße unmittelbar am Objekt geklärt werden. Das empfiehlt sich insbesondere dann, wenn sich das aufzumessende Gebäude viele Kilometer entfernt vom Büro befindet. So lassen sich wiederholte Anfahrten vermeiden. Laser-Distanzmessgeräte sind eine wirtschaftliche Alternative zu Bandmaß und Zollstock. Ein Laserstrahl zeigt, welcher Punkt anvisiert wird, Reflektoren müssen nicht gesetzt werden. Die Messwerte können entweder abgelesen und eingetippt oder per kabelloser Schnittstelle (Bluetooth) direkt an das Notebook übertragen werden. Die Genauigkeit liegt je nach Modell bei ± 3 mm bei einem Messbereich von 0,2 bis 30 m.
Programme und Anbieter (Auswahl)
Digitale Bildentzerrung:
- BKI Fotoaufmaß: <a href="http://www.baukosten.de" target="_blank">http://www.baukosten.de</a>
- curamess: <a href="http://www.curamess.de" target="_blank">http://www.curamess.de</a>
- ELCOVISION 10 ELSP: <a href="http://www.elcovision.com" target="_blank">http://www.elcovision.com</a>
- FarbePLUS: <a href="http://www.farbeplus.de" target="_blank">http://www.farbeplus.de</a>
- Foto-Aufmaß: <a href="http://www.bzone.org" target="_blank">http://www.bzone.org</a>
- Foto-Aufmaß/Foto-Aufmaß Professional:
- <a href="http://www.hottgenroth.de" target="_blank">http://www.hottgenroth.de</a>
- Fotoaufmaß: <a href="http://www.bmz-software.de" target="_blank">http://www.bmz-software.de</a>
- FOTOAUFMASS: <a href="http://www.fotoaufmass.com" target="_blank">http://www.fotoaufmass.com</a>
- Fotoaufmaß: <a href="http://www.rowa-soft.de" target="_blank">http://www.rowa-soft.de</a>
- Imagold: <a href="http://www.cai-wiesbaden.de" target="_blank">http://www.cai-wiesbaden.de</a>
- massfix: <a href="http://www.massfix.de" target="_blank">http://www.massfix.de</a>
- Metigo: <a href="http://www.fokus-gmbh-leipzig.de" target="_blank">http://www.fokus-gmbh-leipzig.de</a>
- Monobild: <a href="http://www.mono-image.com" target="_blank">http://www.mono-image.com</a>
- On-Site Photo: <a href="http://www.nemetschek.de" target="_blank">http://www.nemetschek.de</a>
- PhoToPlan: <a href="http://www.kubit.de" target="_blank">http://www.kubit.de</a>
- SPIRIT archmess: <a href="http://www.softtech.de" target="_blank">http://www.softtech.de</a>
Fotogrammetrie:
- ELCOVISION 10: <a href="http://www.elcovision.com" target="_blank">http://www.elcovision.com</a>
- PHIDIAS: <a href="http://www.phocad.de" target="_blank">http://www.phocad.de</a>
- Pictran: <a href="http://www.technet-gmbh.de" target="_blank">http://www.technet-gmbh.de</a>
- RolleiMetric CDW: <a href="http://www.rollei-metric.com" target="_blank">http://www.rollei-metric.com</a>
Fotobasierend e 3D-Modeller:
- ImageModeler: <a href="http://www.panostore.de" target="_blank">http://www.panostore.de</a>
- Photo3D: <a href="http://www.photo3d.com" target="_blank">http://www.photo3d.com</a>
- PhotoModeler: <a href="http://www.rsi.gmbh.de" target="_blank">http://www.rsi.gmbh.de</a>
- SketchUp Pro 6: <a href="http://www.sketchup.com" target="_blank">http://www.sketchup.com</a>
AUTOR
Dipl.-Ing. Marian Behaneck
war nach dem Architekturstudium und freier Mitarbeit bei mehreren Architekturbüros 14 Jahre in der Dokumentation, Marketing und PR der Bausoftware- Branche tätig. Er ist Fachautor zahlreicher Publika-tionen zu Hardware, Software und IT im Baubereich.