Klempner haben keine Angst vor Wasser. Normalerweise bezieht sich diese Aussage jedoch auf Wasser von oben. Aber was, wenn das Wasser von unten kommt? Die Tatsache, dass die zurückliegenden BAUMETALL-XXL-Treffen als Schifffahrtsevent auf dem Bodensee oder dem Main stattfanden, und dieser Beitrag beweisen: Klempner können sehr wohl auch schiffen! Nachdem ich kürzlich meinen 50sten Geburtstag feierte, über 25 Klempnermeisterkurse begleitet und immerhin fünf Kinder groß gezogen habe, wurde es Zeit, mir einen Jugendtraum zu erfüllen: das selbst gebaute Boot!
Über ebay ist die Grundlage für mein ehrgeiziges Vorhaben schnell zum Schrottwert ersteigert. Der stark reparaturbedürftige Aluminiumrumpf eines ehemaligen Polizeibootes von 1937 blickt vermutlich auf eine eher unrühmliche Vergangenheit zurück: Kriegsgeschehen, DDR-Flüchtlingsjagd und Knöllchen verteilen könnten in seinen Memoiren stehen. Irgendwann war der doppelreihig versetzt genietete 3-mm-Alu-Rumpf wohl gesunken. Das Heck war schwer beschädigt und der Kahn auf Grund gelaufen. Nach der Bergung wurde das desolate Boot ausgemustert und in einer Baracke in Magdeburg eingemottet.
Zukunftsvisionenin italienischem Design
Nachdem 3D-Grafiken für Inspiration gesorgt haben, geht es los. Reduktion auf das Wesentliche ist das Motto. Die Umsetzung und der Ausbau erfolgen mit den Werkstoffen Holz und Aluminium – besser gesagt mit Prefalz-Aluminium im Farbton Grauweiß. Warum? Weil Boote unbedingt auch von oben und den klempnertechnischen Ansprüchen gemäß regensicher sein müssen. Schließlich kann auch von oben kommendes Wasser das Boot volllaufen lassen und es zum Sinken bringen – so meine Überlegung. Eine wasserdichte Wanne wird herausgefalzt – die runden Anschlüsse werden mit Dichtband gesichert. Der Falz wird umgelegt, die Falzlinie verläuft zum Pumpensumpf der Bilgepumpe. Soweit die Theorie, doch unverhofft kommt oft und plötzlich auftauchende Probleme ebenso. Wie kann der vordere Bereich fachtechnisch angeschlossen werden? Und zwar so, dass das Regenwasser auch sicher abfließen kann? Ein ehemaliger und sehr erfahrener Meisterschüler wird herangezogen. Gemeinsam stellen wir einen perfekten Eckfalz her, und um die gewünschte 50-mm-Stauhöhe zu erreichen, dichten wir – man möge es verzeihen – mit Silikon nach.
Unten hui – oben auch
Selbstredend und wie es sich für einen Klempner gehört, soll auch das Deck regendicht sein. Für den gekrümmten Bereich wird eine Leistendeckung vorgesehen. Darüber bringe ich später gebogene Fassadenbretter aus Douglasienholz an. Ich bin sicher: Jetzt können die Bugwellen ruhig auf Deck schlagen, denn eindringendes Wasser läuft seitlich wieder ab. Abschließend erfolgt die Montage der etwa 6,30 m langen Aluminium-Seitenblende. Das 2,0 mm starke Metall wird mit einem Eckhold in Form gebracht und mit Schrauben befestigt.
Obenauf erntet eine 500-Watt-Solarfläche Strom. Zwei 12-V-Solarregler mit je 30 A habe ich günstig im Internet bestellt. Die Energie für den Antrieb der beiden ebenfalls an Bord montierten 35-A-Elektroscooter-Motoren speichern zwei 90-Ah-Autobatterien. Für alle Fälle ersteigere ich ebenfalls im Internet einen alten Außenbordmotor.
Ernüchterung beim Stapellauf
Endlich: Nach sechsmonatiger Winter-Freizeitbeschäftigung geht es ab nach Kroatien zum Wassern. Dabei werden mir als Erstbootsbauer einige Mängel klar. Mein Boot kränkelt. Der Tank ist nicht exakt in der Mitte positioniert und das Boot sinkt. Sehr langsam natürlich. Nach genauerer Untersuchung wird klar, dass der Rumpf zahlreiche und mit bloßem Auge nicht erkennbare Lochfraßstellen aufweist. Die sorgsam mit Farbe überdeckten Miniaturleckagen öffneten sich – so die Vermutung – bei voller Fahrt. Hilfe kam von einem kroatischen Spezialisten, der von sogenanntem Bootssilikon schwärmte. Das Wundermittel sei ein Material, das unter Wasser aushärten würde. Es stimmte.
Ein weiteres Problem stellten Holz- und Metallspäne dar, die insgesamt vier Bilgepumpen zum Durchschmoren brachten. Die ernüchtert diagnostizierten Kinderkrankheiten des Bootes verdeutlichen, dass ein Klempner sich zwar mit der Ableitung von Regenwasser auskennt – die Abdichtung von Schiffsrümpfen ist jedoch eine spezielle Disziplin. Übrigens: Wussten Sie, dass Frauennylonstrümpfe gute Filtereigenschaften haben? Ich habe das erst nach dem Verschleiß der dritten Pumpe gelernt.
Und was lernen wir daraus?
Klempner sind zwar hervorragend für Dachdeckungsarbeiten ausgebildet, aber leider keine perfekten Bootsbauer. Ein kleiner Trost ist die Tatsache, dass Aluminium der Marke Prefalz perfekt zum Bootsbau taugt. Das offensichtlich seewasserbeständige Metall hat nicht nur eine ähnliche Farbe wie die Rückstände des Meersalzes, sondern es ist auch resistent gegenüber Algen, deren Ablager-ungen sich einfach entfernen lassen. Übrigens: Inzwischen ist das Boot seetauglich und hat über 300 Seemeilen hinter sich!
Hans-Peter Rösch
unterrichtet in der Fachschule für Metallbautechnik (staatlich geprüfte Metallbau-Techniker) und in der Meisterschule für Klempnertechnik an der Robert-Mayer-Schule, Stuttgart die Fächer Statik, Stahlbau, Fassadenbau und 3D-Konstruktion.