Wie kann man aus einem relativ zähen Material wie Dachstahl eine so saubere Arbeit vollbringen? In der Fachwelt ist das Staunen entsprechend groß, denn Metallprofi Nikolay Savchenko scheint regelrecht damit zu zaubern. Mit Blechschere und Schweifhammer bewaffnet formt er wunderbare Dachlandschaften aus farbbeschichtetem Stahlblech – einem Material, das bei vielen Kollegen als widerspenstig gilt. Zu Unrecht, wie wir gleich erfahren werden.
Das Dach des hier vorgestellten Gebäudes besteht aus Polyurethanharz-beschichtetem Stahlblech der Marke Pural. Das aus dem Hause Ruukki stammende Material wurde speziell für Dach- und Regenwassersysteme entwickelt und ist auch für Stehfalzdächer hervorragend geeignet. Seine leicht strukturierte Materialoberfläche hat eine gute Beständigkeit gegen mechanischen Verschleiß und UV-Strahlung. Es ist in der Herstellung leicht zu handhaben und bietet eine hervorragende Korrosionsbeständigkeit. Die Pural-Matt-Beschichtung bietet gute Korrosionsbeständigkeit und Haltbarkeit in anspruchsvollen Umformanwendungen. Das Material kann selbst bei sehr niedrigen Temperaturen gut umgeformt werden. Für normale Stehfalzbedachungen mag das zutreffend sein, aber für Spezialanfertigungen wie diese?
Inspiration und Umsetzung
Für Künstler ist es reine Inspiration, für Metalldachfreunde Begeisterung und für Nikolay Savchenko beides. Doch woher kommt sein Talent und die Art mit Metall umzugehen? Die Antwort ist einfach: Als Metallkünstler schöpft Savchenko aus allem, was ihm zwischen die begabten Finger kommt. Aus der Luft, einem Lächeln, oder aus historischen Büchern. Und so ist es auch in diesem Fall. Der Spengler entdeckte ein Buch über historische Dachziegel, aus dem er alles über den römischen Dachziegel-Typ „Mönch und Nonne“ erfuhr. Er las begeistert, dass diese Ziegel ursprünglich aus dem altrömischen Kulturraum stammen und auf welchen Gebäuden sie eingesetzt wurden. Schließlich kam ihm der Gedanke, einen Metallziegel zu entwickeln, der dieser Optik entspricht.
Mönch, Nonne und Metall
Die größte Herausforderung bestand darin, eine Technik zur Realisierung der Idee zu entwickeln. Dabei mussten die üblichen, mit farbbeschichtetem Stahl verbundenen Einschränkungen berücksichtigt werden. Die künstlerische Freiheit wird beispielsweise durch die Materialtypische Vorder- und Rückseite beschichteter Metalle eingeschränkt. Ein weiterer Nachteil ist die fehlende Möglichkeit des Lötens. Außerdem machte sich Nikolay Savchenko Gedanken zur möglichst einheitlichen Formgebung der vorzufertigenden Metallziegel. Erschwerend kam hinzu, dass die Ziegel von zahlreichen Kollegen nahezu komplett in Handarbeit gefertigt werden sollten. Da jeder Handwerker über unterschiedliche Fingerfertigkeiten verfügt, stellte sich schon bald die Frage, wie die geforderte Bauteilgleichheit erreicht werden kann. Die Lösung war der Einsatz entsprechender Muster, Schablonen und anderer Hilfsmittel. Verständlicherweise möchte Savchenko nicht alle Geheimnisse verraten. Und so bleiben die Details zur Vorfertigung des Systems bis auf weiteres sein Betriebsgeheimnis.
Wertschätzung? Fehlanzeige!
Nach umfangreichen Vorbereitungen samt entsprechend künstlerischer Schöpfungsphase startete schließlich die Montage. Den geschwungenen Mansardenteil des Daches deckten die russischen Kollegen mit den Metalldachziegeln im Mönch-und-Nonne-Design. Das darüber liegende und schwach geneigte Dach erhielt eine Doppelstehfalzeindeckung. Zweifelsohne hat dieses Dach eine Auszeichnung verdient, denn jeder Fachmann gerät bei genauerer Betrachtung ins Schwärmen. Formschöne und funktionale Details wechseln mit homogen geschwungenen Flächen – gebogene und gerade verlaufende Falzlinien betonen die künstlerisch wertvolle Arbeit zusätzlich. Aber was nützt es, wenn der Auftraggeber den Wert der abgelieferten Leistung nicht erkennt. Schlimmer noch: Der Bauherr ahnt nicht, was solch ein Dach in Wirklichkeit kosten müsste. Vielleicht liegt dies am weit verbreiteten Irrtum, dass es ja nur ein Blechdach ist. Wie dem auch sei – für einen Künstler steht das Geld nie an vorderster Stelle. Vielmehr versucht er immer etwas Neues zu schaffen. Eine Kreation, die sich möglichst stark von allem unterscheidet, was er zuvor geschaffen hat. Ein kleiner Trost mag die nicht zu unterschätzende Chance sein, diese beeindruckende Dachdeckungsvariante zu einem späteren Zeitpunkt an einem kommerziellen Projekt wiederholen zu können.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen nach der Lektüre dieses Beitrages geht. Mir bleibt abschließend nur noch die Suche nach einem geeigneten Fachausdruck, der die Leistung des Nikolay Savchenko mit einem Wort beschreibt.
INFO
Mönch und Nonne
Die auch als Klosterziegel bezeichnete Dachdeckung besteht aus konvex geformten Dachziegeln (Mönch), die von konkaven Dachziegeln (Nonne) überdeckt werden. Mönch-und-Nonne-Ziegel überdecken sich nur seitlich. Die Hohlziegel haben die Form einer halbzylindrischen Röhre. Auf senkrechte Dachhölzer oder Holzschalung gelegt bilden sie einen stabilen Verband. Mönch-und-Nonne-Ziegel stammen ursprünglich aus dem altrömischen Kulturraum. Heute werden sie im mediterranen Raum vorwiegend an alten Gebäuden, aber auch an Wohnhäusern verwendet. Im Mittelalter war der Dachdeckungstyp auch im südlichen deutschsprachigen Raum verbreitet.
Metall-Variante
Für die Systementwicklung sowie die konzeptionelle Durchführung ist der russische Dachspenglermeister Nikolay Savchenko vom Fachbetrieb Savros verantwortlich.
Autor
Waldemar Schössler
unterstützt als technischer Berater der KME russische Kollegen und Architekten. Seine für BAUMETALL geschriebene Beitragsreihe umfasst neben dem Artikel „Schindelkönig“ über den Fachbetrieb Savros (Ausgabe 3/2011) auch Beiträge in den Ausgaben 3 und 4/2013.