Die Brandschutzanforderungen an vorgehängte hinterlüftete Fassaden wurden im Zuge der DIN 18516-1 „Außenwandbekleidungen, hinterlüftet“ im Juni 2010 neu geregelt. Die DIN beschreibt vor allem konstruktive Anforderungen wie z. B. die Statik vorgehängter hinterlüfteter Fassaden. Bei den Anforderungen an den Brandschutz wird darin unter 4.4 mit nur einem Satz auf die Musterliste der Technischen Baubestimmungen (ML-TBB) Teil 1, Anlage 2.6/11, verwiesen. Die in der Musterliste der Technischen Baubestimmungen vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) dargestellten technischen Regeln sind Bestandteil der Musterbauordnung und damit in den meisten Fällen weitgehend gleichlautend auch der jeweiligen Landesbauordnungen. Durch die amtliche Einführung einer Technischen Regel in die Musterbauordnung und die Landesbauordnungen (LBO) ändert diese Regel ihren Rechtscharakter und wird zu einer verbindlichen Technischen Baubestimmung. Der Verweis in der DIN 18516-1 ist damit absolut bindend.
Gültig ab drei Vollgeschosse
Die in Anlage 2.6/11 geforderten Techniken gelten ab Gebäudeklasse 4. Das sind Gebäude, die höher sind als 8 m bzw. deren oberste Oberkante Fertigfußboden (OFF) höher liegt als 7 m. Die Regeln gelten zudem nur für Bauten, die Fassaden mit geschossübergreifenden Hohl- oder Lufträumen aufweisen oder deren Fassaden über Brandwände hinweggeführt werden. Dann nämlich ist die Gefahr der Brandausbreitung von Geschoss zu Geschoss oder über etwaige Brandwände hinweg besonders groß. Die Regeln gelten nicht für Gebäude unter 8 m Höhe. Das sind vor allem klassische Ein- und Zweifamilienhäuser sowie kleinere Wohngebäude (Gebäudeklasse 1 bis 3). Gebäude, deren Hinterlüftung etagenweise geschlossen ist, sind ebenso wenig betroffen wie solche mit Staffelgeschossen.
Brandsperren planen
Die Musterbauordnung (MBO) verlangte bisher für Außenwandkonstruktionen mit geschossübergreifenden Hohl- und Lufträumen „besondere Vorkehrungen gegen die Brandausbreitung zu treffen“. Wie diese auszusehen hatten, wurde nicht beschrieben. Man verstand darunter in der Regel den Einsatz nicht brennbarer Riegel in der Fassadenkonstruktion. In der neuen Anlage 2.6/11 zur DIN 18616-1 sind erstmals Brandsperren und ihre Funktion beschrieben. Darin heißt es sinngemäß: Brandsperren sind Bauteile, die eine Brandausbreitung über die Hohlräume einer hinterlüfteten Fassade behindern. Das können speziell geprüfte Labyrinthbleche sein, die im Hinterlüftungsraum eingebaut werden. Sie verengen die Hinterlüftung partiell auf 100 cm2/m und lenken die im Brandfall eingedrungenen Flammen auf die nicht brennbare Mineralwolle-Dämmung um, an der mangels Brennbarem der Brand endet. Eine andere Variante von Brandsperren sind Bauteile, die durch Hitzeeinwirkung aufquellen und damit den Hinterlüftungsraum komplett verschließen. Beide Varianten sind im Brandfall mindestens 30 min lang hinreichend formstabil. Sie werden in Abständen ≤ 0,6 m in der Wand verankert und die Labyrinthbleche 30 mm überlappend montiert. Horizontale Brandsperren müssen mindestens in jedem zweiten Geschoss umlaufend um ein Gebäude angeordnet werden. Werden Laibungen von Fenstern und Türen in diese horizontale Brandsperre integriert, was überaus sinnvoll und zulässig ist, müssen die Hinterlüftungsspalte aus dem Sturzbereich der Laibungen über den Sturz verlegt werden. Dazu müssen die Unterkonstruktion und die Dämmung aus nicht brennbaren Dämmstoffen bestehen, die einen Schmelzpunkt von über 1000 °C haben (z. B. formstabile Mineralwolle). Eine Vollschalung aus Holz als flächige Unterkonstruktion für eine Zinkfassade ist dabei bis zur Hochhausgrenze zulässig, muss aber im Bereich der Brandsperren komplett getrennt werden. Über diese Regelung hinaus fordern einige Bundesländer in ihren LBO ab der Gebäudeklasse 4 grundsätzlich A1-Bausstoffe.
Ausnahmen
Davon ausgenommen sind fensterlose Außenwände, beispielsweise Giebelwände, Wände mit durchgehenden Fensterbändern oder solche mit geschossübergreifenden Fensterbändern. Diese Ausnahme gilt auch für vorgehängte hinterlüftete Fassaden aus komplett nicht brennbaren Baustoffen, wenn die Laibungen von Öffnungen im Brandfall mindestens 30 min formstabil sind, was mit hinterlegten Stahlblechen mit einer Dicke von ≥ 1 mm gesichert ist. In der Praxis lassen die Formulierungen der Anlage 2.6/11 viele Fragen unbeantwortet. Warum beispielsweise müssen horizontale Brandsperren nur alle zwei Geschosse angeordnet werden, wo doch z. B. in Österreich die Brandsperren für jedes Geschoss gefordert werden? Die Antwort ist profan: Es ist eine Mindestanforderung. Sie ist ein Kompromiss zwischen Baukosten und Sicherheit. Bei Fensterstürzen mit integrierten Rollläden, Lamellen oder anderweitigen Sonnenschutzelementen, in denen bereits werkseitig Hinterlüftungsöffnungen vorgesehen sind, sollte die Brandsperre ca. 150 mm über diesen Konstruktionen in die Fassadenfläche eingebaut werden. Der Vollständigkeit halber gilt es, auf die Begrenzung der Hinterlüftungsräume hinzuweisen. Die Anlage 2.6/11 legt fest, dass die Tiefe des Hinterlüftungsraumes bei Unterkonstruktionen aus Holz nicht mehr als 50 mm, bei Unterkonstruktionen aus Metall nicht mehr als 150 mm überschreiten darf. Ab diesen Größen wird im Brandfall ein nachteiliger Kamineffekt erwartet. Erreichen die Hinterlüftungsquerschnitte aus konstruktiven Gründen diese Größen, beispielsweise bei zurückspringenden Fassadenteilen, gilt es diese Querschnitte durch den Einbau von speziellen Brandschutzblechen, die den Hinterlüftungsquerschnitt reduzieren, zu begrenzen.
Mit der sachkundigen Montage geprüfter Brandsperren werden Planer und Handwerk den Forderungen aus den Landesbauordnungen gerecht. Alle am Bau Beteiligten können davon ausgehen, dass die in der Anlage 2.6/11 definierten Regelungen funktionieren. Es gibt hierzulande keine Forderung nach Brandschutzprüfungen, bei denen die verschiedenen möglichen Baustoffkombinationen darüber hinaus getestet werden müssten. Dennoch wird immer wieder, insbesondere seitens der Bauherren und Planer, nach Prüfberichten des Brandschutzes gefragt. Um diese letzten Zweifel zu zerstreuen, hat Rheinzink einige Brandtests veranlasst.
Überraschung Vollschalung
Im Juni 2010 ließ Rheinzink an der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien eine klassische Winkelstehfalzfassade auf Vollholzschalung prüfen. Die horizontale Brandsperre, hier von der Firma Irrgeher, wurde über dem Fenster im Sturzbereich in die Vollholzschalung in einer Aussparung eingebaut. Wie von der Technischen Baubestimmung gefordert, wurden die Hinterlüftungsspalte aus dem Sturzbereich der Laibung über die Laibung am Ansatz der Winkelstehfalzdeckung verlegt. Der mit 1 mm dickem verzinkten Stahlblech hinterlegte Sturz kragt 20 mm vor und schließt mit der Stehfalzfläche eben ab. Auf diese Weise gelangt das Feuer, das bei diesem typisierten Versuch aus einem fiktiven Fenster ausbricht, nicht direkt in die Hinterlüftung der Fassade. Das Ergebnis war verblüffend.
Der Brandversuch hat an der Fassade fast keinen Schaden angerichtet. Der Zinksturz ist zwar wie erwartet geschmolzen, aber die gesamte Stützkonstruktion hat sich vom Brandversuch völlig unbeeindruckt gezeigt. Die Verlegung des Hinterlüftungsspaltes über den Fenstersturz hat so positive Auswirkungen auf den gesam-ten Brandversuch, dass die über dem Fenster angeordnete Brandsperre und die hier verarbeitete Vollholzschalung nicht angegriffen wurden. Obwohl der Brandversuch im Sturzbereich Temperaturen von rund 800 °C erzeugt, wurden über dem Sturz im Eingang zur Hinterlüftung und am Beginn der Vollholzschalung Tem-peraturen von nur 40 °C gemessen. Durch die geringen Temperaturen konnte die Brandsperre, die erst bei ca. 150 °C aufschäumt und auf diese Weise den Hinterlüftungsspalt verschließt, nicht auslösen. Fehlende Schmauchspuren auf der Vollholzschalung belegen, dass trotz der offenen Hinterlüftung kein Kamineffekt entstand. Die geringen Temperaturen führt die Anwendungstechnik von Rheinzink auch auf das hohe Temperaturbeharrungsvermögen der Holzschalung zurück. Das brennbare Material Holz hat sich bei dieser Konstruktion bestens bewährt.
Erwartungsgemäß in Metall
Im Juli 2010 ließ Rheinzink eine komplett nicht brennbare A1-Fassade prüfen. Obwohl es für eine A1-Fassade keine Forderung nach einer Brandsperre gibt, wird immer wieder auch hier nach Brandschutzprüfungen gefragt. Deshalb wurde diese Rheinzink-Fassade mit Steckfalzpaneelen im Brandversuch mit einer Brandsperre ausgestattet. Der durchgeführte Brandversuch zeigt, dass der hier flächeneben eingebaute Fenstersturz stärker beansprucht wird. Die metallenen Unterkonstruktionen halten aber dem Feuer wie erwartet anstandslos stand. Das in den Hinterlüftungsspalt eingedrungene bis zu 840 °C heiße Feuer erzeugte an der Brandsperre Temperaturen von maximal 117 °C und löste die Brandsperre partiell aus. Schmauchspuren rund um die Brandsperre belegen den hier vorübergehend eingedrungenen Brand.
A1 wie erwartet – B1 überraschend gut
Die Brandschutzprüfungen bestätigen alte Erfahrungen. Ein solide konzipierter konstruktiver Brandschutz, wie beispielsweise ein leicht auskragender Fenstersturz, könnte so manche Brandsperre überflüssig machen oder diese enorm entlasten. Holzunterkonstruktionen reduzieren durch ihre Masse die entstehenden Temperaturen und erweisen sich als überaus gutmütig. Metallkonstruktionen erwärmen sich im Brandfall stärker, funktionieren aber wie erwartet ohne Beanstandungen. Beide Versuche zeigen deutlich, dass vorgehängte hinterlüftete Fassaden keineswegs gefährdet sind, wie zuweilen propagiert.
Die Ergebnisse dieser Prüfungen, die mit stärker gefährdeten, weil vertikal ausgerichteten Rheinzink-Fassaden ausgeführt wurden, gelten sinngemäß auch für alle horizontal ausgerichteten und damit weniger gefährdeten Fassadenlösungen. Dazu zählen u.a. Stulp- und Horizontalpaneele.
Fazit
Die DIN 18516-1 und der Verweis auf die Anlage 2.6/11 regeln den Brandschutz von vorgehängten hinterlüfteten Fassaden. Die darin geforderten Brandsperren funktionieren wie erwartet. Darüber hinaus spielt der konstruktive Brandschutz eine große Rolle.