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Ausführungsmängel vermeiden, Teil 11

Gefahr durch Eisschanzen

Bei diesem Fall, der bereits in einen Rechtsstreit mündete, wurde ich vom Gericht beauftragt, folgende Fragen zu beantworten:(Originaltext aus dem Beweisbeschluss)

  • Es ist Beweis zu erheben über die Behauptung des Antragstellers: Das Dach des Gebäudes Musterweg 1 in 12345 Musterhausen weist Undichtigkeiten auf.
  • Der Sachverständige wird gebeten, die Ursachen der Undichtigkeiten festzustellen und mitzuteilen, ob ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Baukunst vorliegt. Sofern dies der Fall ist, ist zu klären, ob es sich um einen planerischen oder handwerklichen Fehler handelt.
  • Beruht die vom Antragsteller reklamierte Feuchtigkeitsbildung hinter der Dachrinne aus dem dort befindlichen Hinterlüftungsspalt heraus auf einer fehlenden flächigen Verbauung einer Dampfsperre?
  • Vorgeschichte:

    Die Dacheindeckung ist mit verzinntem 0,5-mm-Edelstahl als Doppelstehfalzdeckung auf einer belüfteten Unterkonstruktion ausgeführt. Die Dachneigung beträgt in der Dachfläche 15 Grad und im Kehlbereich 10 bis 11 Grad. Im Zuge der Dachsanierung wurde die Traufausbildung dahingehend abgeändert, dass die vorhandene, verdeckte Gesimsrinne durch eine vorgehängte Dachrinne ersetzt wurde. An der Belüftungsöffnung im Traufbereich ist ein Tropfblech angebracht, auf dem die Unterdeckbahn verklebt wurde. Der Anschluss der Scharen an die Kehlen ist mit einem einfachen Falz mit Zusatzfalz hergestellt. Dieser Zusatzfalz ist in das Kehlprofil eingekantet und nicht, wie oft ausgeführt, als separates Einhangprofil aufgesetzt. Außerdem wurde ein Falzdichtband in die Doppelstehfalze eingearbeitet.

    Die handwerkliche Ausführung der Spenglerarbeiten geben keinerlei Grund zur Beanstandung. Der Spengler hatte dem Bauherrn eine temperaturgesteuerte Begleitheizung im Traufbereich empfohlen. Wenn sich nun Eis und Schnee auf dem Dach befinden, tritt (nur bei Tauwetter) aus dem Belüftungsspalt an der Traufe Wasser aus. Ein Schaden durch Wassereintritt in das Gebäude ist noch nicht aufgetreten.

    Sachverhalt

    Auf Dächern entsteht drückendes Wasser durch Schmelzwasser hinter sogenannten Eisschanzen (siehe Skizze auf nächster Seite). Bei Dächern mit geringer Neigung bzw. solchen in schneereichen Regionen besteht die Möglichkeit, dass Schnee längere Zeit auf dem Dach liegen bleibt und vereist. Dies kann zum Beispiel über Schneefangeinrichtungen, Solaranlagen oder sogar in der Dachrinne geschehen.

    Durch derartige Vereisungen bildet sich eine sogenannte Eisschanze, die das Ablaufen von Schmelzwasser behindert. In der Folge entsteht ein Rückstau. Das rückstauende Schmelzwasser ist drückendes Wasser. Für diese Beanspruchung ist eine (Metall-)Dachdeckung ohne weitere Zusatzmaßnahmen in der Regel nicht geeignet.

    Doppelstehfalzdeckungen sind nach den Klempnerfachregeln regensicher, jedoch nicht wasserdicht gegen drückendes Wasser. Die Bezeichnung „Regensicher“ bezieht sich auf die Einwirkung von Niederschlägen auf Dächer und Wandbekleidungen. Sie wird durch ausreichende vertikale und horizontale Überdeckung an den Stößen in Verbindung mit einer entsprechenden Neigung erreicht. Die Sicherheit gegen auftreibendes Wasser, gegen Stauwasser und Flugschnee erfordert zusätzliche Maßnahmen. (Originaltext ZVSHK-Klempnerfachregel)

    Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen

  • Das Dach weist Undichtigkeiten auf. Dies zeigt sich unstrittig am Wasseraustritt an der Belüftungsöffnung im Traufbereich.
  • Die Ursache für die Undichtigkeiten liegt in den fehlenden Zusatzmaßnahmen, um die Bildung einer Eisschanze und das Eindringen von drückendem Wasser, entstanden durch Schmelz­wasser hinter einer Eisschanze, verhindern zu können. Die Doppelstehfalzdeckung ist fachgerecht ausgeführt.
    Ein handwerklicher Fehler liegt somit aus Sicht des Sachverständigen nicht vor. Da sich das Gebäude in einer schneereichen Gegend befindet, muss mit einer Eisschanzenbildung und Schmelz­wasser gerechnet werden. Um ein dichtes Dach zu gewährleisten, sind Zusatzmaßnahmen erforderlich. Diese sind vor der Ausführung zu planen und abzustimmen. Aus Sicht des Sachverständigen liegt deshalb ein planerischer Fehler vor.
    Vom Planer ist zu prüfen und festzulegen, welche Zusatz- Maßnahmen gegen das Eindringen von auftreibendem Regenwasser, Flugschnee, nach innen abtropfendem Kondensat und die Entstehung von Wasserrückstau aus Eisschanzenbildung im Bereich von Dachteilen wie Traufen, Rinnen, Kehlen usw. zu treffen sind (z. B. Unterdächer, geeignete Vordeckungen, Unterspannbahnen, Sicherheitsrinnen, elektrische Begleitheizungen).
    (Originaltext s. ZVSHK-Klempnerfachregel, Kap. 1.1: Planung, Vorarbeiten und Fertigstellung)
  • Der Wasseraustritt aus dem Belüftungsspalt hinter der Dachrinne tritt, wie oben beschrieben, nur auf, wenn sich auf dem Dach Eis und Schnee befinden und sich dadurch eine Eisschanze gebildet hat. Das bei Tauwetter entstehende Schmelzwasser dringt in das Dach ein. Bei allen anderen Wetterbedingungen ist das Dach dicht. Aus diesem Grund sowie aufgrund der großen austretenden Wassermenge (zu sehen auf einem vom Bauherrn überlassenen Film) beruht aus Sicht des Sachverständigen die reklamierte Feuchtigkeitsbildung nicht auf der fehlenden flächigen Verbauung einer Dampfsperre. Ebenfalls muss angemerkt werden, dass im Gebäudeinneren keine Feuchtigkeitsspuren, die auf Kondensatbildung schließen lassen, zu erkennen sind.
  • Das merk ich mir

    Dieser Fall ist ein weiteres Beispiel, das aufzeigt, wie wichtig unsere Klempnerfachregeln sind. Folgende Punkte sind besonders wichtig:

  • Es ist unerlässlich, die klimatischen Bedingungen vor Ort sorgfältig zu prüfen und zu berücksichtigen.
  • Wichtig ist ebenfalls das Kapitel 1.1. der ZVSHK-Klempnerfachregel, in dem auch auf die Verantwortung des Planers eingegangen wird.
  • Auch in diesem Fall zeigt sich wie so oft: Wer schreibt, bleibt! Das heißt auf Nummer sicher gehen und schriftlich Bedenken anmelden.
  • Bis demnächst und haben Sie eine gute Zeit.

    Ihr Peter Stelzer

    Eine dicke Eisschicht im Traufbereich eines ­Metalldaches. Leider sind die hinter der Rinne austretenden Wassertropfen bzw. sich bildende Eiszapfen nur schwach zu erkennen. Bei bestimmten klimatischen Bedingungen tritt aus der Belüftungsöffnung der Dachkonstruktion, hinter der Dachrinne, Wasser aus. Und zwar nur dann, wenn sich auf dem Dach Eis und Schnee befinden und Tauwetter herrscht. Bei allen anderen Wetterbedingungen ist das Dach dicht

    Bild: Stelzer

    Eine dicke Eisschicht im Traufbereich eines ­Metalldaches. Leider sind die hinter der Rinne austretenden Wassertropfen bzw. sich bildende Eiszapfen nur schwach zu erkennen. Bei bestimmten klimatischen Bedingungen tritt aus der Belüftungsöffnung der Dachkonstruktion, hinter der Dachrinne, Wasser aus. Und zwar nur dann, wenn sich auf dem Dach Eis und Schnee befinden und Tauwetter herrscht. Bei allen anderen Wetterbedingungen ist das Dach dicht
    Teilansicht der tadellos ausgeführten Doppelstehfalzeindeckung

    Bild: Stelzer

    Teilansicht der tadellos ausgeführten Doppelstehfalzeindeckung
    Die Kehlneigung beträgt ca. 11 Grad. Der Anschluss der Scharen an die Kehle durch einfachen Falz mit Zusatzfalz ist ab dieser Kehlneigung entsprechend der ZVSHK-Klempnerfachregel zulässig

    Bild: Stelzer

    Die Kehlneigung beträgt ca. 11 Grad. Der Anschluss der Scharen an die Kehle durch einfachen Falz mit Zusatzfalz ist ab dieser Kehlneigung entsprechend der ZVSHK-Klempnerfachregel zulässig
    Baustellenskizze des ausführenden ­Spenglermeisters. ­Praxisgerecht und völlig ausreichend, um die neue ­Traufsituation aufzuzeigen

    Bild: Stelzer

    Baustellenskizze des ausführenden ­Spenglermeisters. ­Praxisgerecht und völlig ausreichend, um die neue ­Traufsituation aufzuzeigen
    Blick unter das Dach bzw. den gedämmtem ­Dachboden. Hier sind keinerlei Wassereintritte oder Wasserspuren vorzufinden

    Bild: Stelzer

    Blick unter das Dach bzw. den gedämmtem ­Dachboden. Hier sind keinerlei Wassereintritte oder Wasserspuren vorzufinden
    Dieses Archivbild zeigt eine Eisschanzenbildung an einem Schneefangsystem auf einem Stehfalzdach

    Bild: BAUMETALL

    Dieses Archivbild zeigt eine Eisschanzenbildung an einem Schneefangsystem auf einem Stehfalzdach

    Bild: Schübel für BAUMETALL

    Die Fläche der ­Problemzone hinter Eisschanzen ­variiert in Abhängigkeit von ­Dachneigung und sich ­ansammelnder Eismenge

    Bild: BAUMETALL

    Die Fläche der ­Problemzone hinter Eisschanzen ­variiert in Abhängigkeit von ­Dachneigung und sich ­ansammelnder Eismenge

    INFO

    Peter Stelzer
    ist Flaschner-, Gas- und Wasser-Installateurmeister sowie ö. b. u. v. Sachverständiger für Klempnerarbeiten. Darüber hinaus engagiert er sich im Fachverband SHK BW als Obmann des technischen Ausschusses Klempner.

    Bild: Stelzer

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