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Spiel mit den Elementen

Der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings, der irgendwann, irgendwo auf der Welt einen Tornado auslöst, stand Pate für die Werke von Ned Kahn, so David Mather in seiner Biografie auf der Internetseite des Künstlers. In Kahns eigenen Worten: „Die Art und Weise, wie Muster entstehen, wenn die Dinge im Fluss sind, begeistert mich. Diese Muster sind keine statischen Objekte, sondern zeichnen Abläufe nach, wiederkehrende Themen in der Natur. Mich fasziniert die Verbindung von Wissenschaft und Kunst. Mein Ziel ist, Kunstwerke zu schaffen, die dem Betrachter erlauben, an sich unsichtbare natürliche Prozesse zu beobachten und zu erfahren.“ Die verwendeten Materialien sind vielfältig: Plastik, Glas, Acryl, Holz, Stein, Polycarbonat und – hier wird es für Klempner interessant – Metall.

Mithilfe von Sand, Nebel, fließendem Wasser und insbesondere Licht und Wind gelingt es ihm, aus den starren Ausgangsobjekten komplexe und dynamische Systeme zu kreieren, die im beständigen Wandel sind. So choreografiert er natürliche Phänomene. Mal bildet er Naturerscheinungen unter kontrollierten Bedingungen nach, mal überlässt er es der Natur, seine Werke zum Leben zu erwecken. Dadurch gewinnt das Material eine ungeahnte Leichtigkeit und Lebendigkeit. Luftwirbel in Innenräumen, Sprühnebel, die Strudel bilden, Dampf, Feuer, Wasser in transparenten Kugeln oder Sand, dessen Oberfläche Wellen wirft, sind Beispiele dafür, wie diese Elemente optisch und auch akustisch auf kinetische Impulse reagieren. Dasselbe Prinzip wendet Ned Kahn auch bei Metallfassaden an, die sich im Wind wiegen, Falten werfen oder Licht reflektieren.

Von der Atmosphärenphysik zur belebten Fassade

Kahn, der 1982 die University of Connecticut mit einem Abschluss in „Environmental Studies“ (Umweltwissenschaften) verließ, widmet sich seit 20 Jahren seinem künstlerischen Werk, inspiriert von Atmosphärenphysik, Geologie, Astronomie und Flüssigkeiten. Es umfasst eine lange Reihe von Aufträgen für Gebäudefassaden und Kunstwerke im öffentlichen Raum, wofür er mit zahlreichen Kunst- und Architekturpreisen ausgezeichnet wurde. Seine ausgeklügelten Metallfassaden zieren Bauwerke auf der ganzen Welt, die meisten in den USA, aber auch in Singapur, Australien und der Schweiz. Herausragende Beispiele sind der Flughafen von Brisbane, Australien, oder das Technorama in Winterthur.

Flughafen Brisbane

In Zusammenarbeit mit Hassell Architecture, dem Design-Studio Urban Art Projects (UAP) und der Brisbane Airport Corporation gestaltete er die Fassade für das achtstöckige Parkhaus des Terminals für Inlandflüge in Brisbane. Die 5000 m2 große Fläche der kinetischen Fassade besteht aus 118 000 eloxierten Aluminiumplättchen, die vom Wind bewegt werden. Als Hommage an eines der Wahrzeichen der Stadt gibt die Fassade die geschwungene Silhouette des örtlichen Flusses, des Brisbane River, wieder. Im Inneren des Parkhauses inszeniert das durch die perforierten Metallplättchen und die Zwischenräume hindurchdringende Sonnenlicht ein filigranes Schauspiel aus Licht und Schatten an der Wand und auf dem Boden. Gleichzeitig sorgt die durchlässige Fassadenstruktur für Beschattung und natürliche Ventilation. Da die Aluminiumplättchen nur an der Oberseite an die Stahl-Unterkonstruktion angeschraubt sind, haben sie nach unten hin Bewegungsfreiheit und werden von der Luft zum Flattern gebracht. So wirkt die gesamte Wand wie eine im Wind wogende metallische Wiese, wie eine sich kräuselnde silberne Haut. Details zur Montage der Plättchen sieht man zum Beispiel auf www.designboom.com

Technorama Winterthur

Im Technorama, dem einzigen Science Center der Schweiz, können Besucher sich in Hunderten Probierstationen spielerisch und anschaulich mit Naturwissenschaft beschäftigen und unterhalten. 2002 erhielt es seine einzigartige Fassade, in der der Wind ebenso spielerisch seine Turbulenzen sichtbar macht. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Technorama-Team und den Schweizer Architekten Dürig und Rämi. Nicht weniger als 80 000 Plättchen aus gebürstetem Aluminium wurden hier verarbeitet. Jedes Plättchen misst 7,6 cm2 und ist mit einer reibungsreduzierten Aufhängung auf einem Kunststofflager befestigt, sodass sie vom Wind leicht bewegt werden können. Die Schwingungen der einzelnen Plättchen erzeugen als Gesamtbild den Eindruck wandernder Wellen. Dieser fließende Effekt wird durch die Spiegelwirkung des Metalls verstärkt.

Die Plättchen hängen an Stiften aus Edelstahl auf einem Aluminiumrahmen, der wiederum an Stahlträgern befestigt ist. Da die Fassade in 90 cm Abstand vor der Glasvorhangfassade steht, kann die Luft im Zwischenraum zirkulieren und das Gebäude kühlen. So dient sie gleichzeitig als Sonnenschutz. Seit über zehn Jahren trotzt die Fassade starken Winden, eisiger Kälte und intensiver Sonneneinstrahlung, ohne Zeichen von Schäden oder Abnutzung zu zeigen. Diese Widerstandsfähigkeit ist demselben Prinzip zu verdanken, nach dem Bäume Sturmschäden mithilfe ihrer Blätter abwenden: Indem die Wucht des Windes auf die vielen kleinen Oberflächen der einzelnen Blätter verteilt wird, wird der Aufprall abgefedert.

Wie Metall schwerelos wird

Die Fülle der spektakulären Projekte des Künstlers macht es schwer, eine Auswahl zu treffen, daher sei hier nur ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten Bandbreite vorgestellt.

Wind Portal verschönert einen vertikalen Durchlass für Treppen mit knapp 17 m Durchmesser und ca. 3,6 m Höhe im S-Bahnhof des internationalen Flughafens von San Francisco. Die runde Öffnung ist mit 200 000 runden Plättchen aus Edelstahl bekleidet, die sich im Fahrtwind durchfahrender Züge bewegen. Die unzähligen winzigen Spiegel reflektieren außerdem die Passanten und entwerfen so ein ständig wechselndes Mosaik aus Licht und Farben.

Auch in Innenräumen glänzen Objekte von Ned Kahn, z. B. Chain of Ether in einem Firmengebäude in San Diego. 3960 kleine Quadrate aus Aluminiumgeflecht bilden eine Gesamtfläche von 7,60 m x 33,50 m. Die 23 x 23 cm großen Elemente aus besonders leichtem Metallgewebe reagieren schon auf sanften Windhauch aus der Lüftungsanlage des Gebäudes.

Zwar nicht aus Metall, aber dennoch beeindruckend ist auch die Fassade Enagua (Spanisch: Unterrock) am Welcome Tower in Los Angeles. Wie Röcke aus zartem, transparentem Stoff flattern hier mehrere Bahnen aus feinem Kunststoffgewebe um einen 18 m hohen Turm.

Net of Indra im WeHo, einem Parkhaus in West Hollywood, ist eine Struktur aus 3000 Kristallkugeln mit je 5 cm Durchmesser, die hinter der 6 m breiten und ca. 11 m hohen Glasfassade an 40 Edelstahlseilen aufgehängt sind. Sie reflektieren Licht und Bewegungen im Inneren des Gebäudes.

Mit natürlichem und künstlichem Licht spielt Firefly. Die beweglich aufgehängten Plättchen aus Polycarbonat wiegen sich im Wind und spiegeln das natürliche Licht bei Tag.

Jedes Plättchen enthält zudem einen Magneten, der bei Bewegung einen elektrischen Schalter berührt. So löst nachts das Flattern der Plättchen das rhythmisch versetzte Aufflackern einer Vielzahl an kleinen roten Lichtern aus.

Der Clou: Die Beleuchtung der gesamten Struktur erfordert weniger Energie als eine 75-Watt-Birne. Denn die Konstruktion trägt eine Reihe von Windturbinen, die Strom generieren, um die Lichter zu versorgen.

Originell und funktional zugleich ist Spoonfall im H2 Hotel in Healdsburg, Kalifornien. Im Eingangsbereich des Hotels sind 2000 verformte Espresso-Löffel an einem Rahmen aufgehängt, der von oben berieselt wird. Wenn die Löffel sich mit Wasser füllen, kippen sie und geben das Wasser nach unten weiter. Die Skulptur ist nicht nur Dekoration, sondern auch Bestandteil des hoteleigenen Regenwassersammelsystems.

Worte können die Faszination der Kunstwerke nur unzureichend wiedergeben. Ihre vollkommene Wirkung entfalten sie erst, wenn man sie in Aktion sieht. Schauen Sie sich dazu die Video-Galerie auf der Internetseite von Ned Kahn an. Es lohnt sich.

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