Eines muss man ihm neidlos zugestehen: Günther Huber hat es geschafft, deutsche Metalldachphilosophie zu einer US-amerikanischen Erfolgsgeschichte zu machen. Nicht nur seine Aufklärungsarbeit rund um den Einsatz solider Metallornamente trägt beachtliche Früchte, sondern auch seine rastlosen Bemühungen, deutsche Dachrinnen- und Dachentwässerungssysteme sowie das klassische Doppelstehfalzsystem in seiner neuen Heimat zu verbreiten. Zahllose Bauvorhaben profitieren inzwischen von zuverlässiger Metalldachtechnik aus Klempnerhand – oder sollte man eher sagen aus Flaschnerhand? Für Günther Huber gibt es da keine Frage. Der aus dem schwäbischen Allgäu stammende Auswanderer ist bekennender Flaschner, doch das, so sagt er, ist in Alabama unbedeutend. Viel wichtiger ist es, auf die Qualität und die Vorteile der European half round gutter (europäische Halbrundrinne) sowie die Vorzüge klassischer Klempnertechnik hinzuweisen. Es wundert also nicht, dass immer mehr Bauwerke zwischen Panama und Kanada von Günther Hubers Knowhow profitieren. Jüngstes Beispiel ist die vor über 160 Jahren errichtete Episcopal Church of the Nativity in Huntsville, Alabama.
Das Dach des 1847 errichteten Backsteinbaus war in die Jahre gekommen – eine Totalsanierung unausweichlich. Die Tatsache, dass der Kirchenbau 1992 zur national historic landmark (Baudenkmal) erklärt wurde, erschwerte die Suche nach einem geeigneten Bedachungsmaterial jedoch erheblich. Zunächst prüfte ein unabhängiges Ingenieurbüro unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen auf deren Eignung, vor allem im Hinblick auf die strengen Anforderungen der Denkmalschutzbehörde. Das Ergebnis: Der einzige Hinweis zur ursprünglichen Dacheindeckung der Kirche beschreibt eine Verzinnung der Dachfläche. Da der Denkmalschutz die ausschließliche Verwendung von Materialien forderte, die dem historischen Charakter sowie den besonderen Anforderungen (z.B. Langlebigkeit) entsprechen, stellte sich Kupfer als eine durchaus wirtschaftliche und ästhetisch ansprechende Lösung dar. Der langlebige Werkstoff eignet sich somit perfekt zum Austausch des bisher vorhandenen verzinkten Stahlschindelsystems.
Ein starkes Stück Arbeit
Der umfassende Sanierungsauftrag ging an Master Craftsman Günther Huber und seinen 1993 eröffneten Fachbetrieb Copperworks aus Decatur im US-Bundesstaat Alabama. Auf insgesamt 6500 m2 kamen über 35t Kupfer zum Einsatz. Nicht nur das Hauptgebäude des neogotischen Kirchenbaus, sondern auch der über 45m hohe Kirchturm sowie die Dächer der angrenzenden Bibb-Kapelle und der Ridley-Hall wurden mit walzblankem Kupfer eingedeckt. Neben unzähligen Kupferrauten montierten Günther Huber und sein Team auch Stehfalzscharen, geschwungene Gesimse, Rinnen, Ornamente sowie beeindruckende Dachschmuck-Elemente. Allein an der Hauptdachfläche des Kirchenschiffes verarbeiteten die US-Klempner um die Vorarbeiter Daniel Delle und Benn Phanko 20000 Kupferrauten der Größe 40 x 40 cm. Am Kirchturm wurden ungefähr 9500 kleinere Spitzrauten angebracht. Während die tiefer liegenden Dächer der Seitenschiffe in klassischer Stehfalz-Tafeldeckung ausgeführt wurden, erhielten die direkt daran anschließenden aufgehenden Fassadenbereiche horizontal verlaufende Paneelbekleidungen. Sämtliche Dacheindeckungen sowie die Fassadenbekleidungen wurden auf einer vollflächigen Holzschalung montiert. Ebenfalls beachtlich: Nicht nur die verarbeiteten Kupferrauten, sondern auch äußerst anspruchsvolle Ornamente wie zum Beispiel die dekorativen Augenbrauen über den kreisrunden Fenstern oder die geschwungenen Ziergesimse wurden in Handarbeit hergestellt. Angefertigt wurden diese Bauteile ebenso wie die zahlreichen Dachentwässerungskomponenten im 1998 von Günther Huber gegründeten Unternehmen Ornametals Mfg, LLC in Cullman, Alabama.
Kaufmann-Ornamente für Alabama
Seit vielen Jahren arbeitet Günther Huber eng mit den Ornamenten-Spezialisten von Kaufmann in Ulm zusammen. Vor allem bei der Anfertigung sehr spezieller Ornamente greift er gerne auf das Knowhow der Ulmer Kollegen zurück. Auch bei der Restauration der Kirche in Huntsville machte der ehemalige Allgäuer von seinen Verbindungen ins Schwabenland Gebrauch. So wurden beispielsweise das etwa 7m hohe und 24-Karat-vergoldete Kupfer-Turmkreuz sowie die geschwungenen Einfassungen der Turmfenster in Ulm angefertigt. Der Grund: Die Ulmer Ornamenten-Manufaktur gehört nicht nur zu den ältesten Spezialbetrieben Europas, sondern sie ist weltweit für die Herstellung von hochwertigen Bauornamenten und ornamentalem Bauschmuck jeder Stilepoche bekannt. Folglich vermitteln die Kaufmann-Ornamente in Huntsville bereits von Weitem, was sich bei näherer Betrachtung ohnehin bestätigt: Die Ornamente aus good old Germany sind nicht nur absolut perfekt, sondern sie erfüllen dank professionellem Einbau höchste Ansprüche. Überhaupt zeugen die Klempnerarbeiten am Gotteshaus sowie an den Nebengebäuden von der fachgerechten Arbeit eines hoch spezialisierten Teams.
Verborgene Herausforderung
„Die größte Herausforderung ist“, so Günther Huber, „nicht das, was du siehst, sondern das, was du nicht siehst.“ Entsprechend schwierig war es, das Gerüst für den Turm zu bauen. Aus statischen Gründen war es undenkbar, das schwere Gerüst direkt auf dem Kirchendach aufzusetzen. Doch weil Klempner äußerst einfallsreiche Handwerker sind, konnte auch dieses Problem gelöst werden. Die geniale Idee dazu kam Günther Huber nach einigen Gläsern Rotwein: Kurzerhand wies der US-amerikanische Allgäuer sein Spezialisten-Team an, stabile Stahlträger durch den Turmfuß zu führen. Somit war es möglich, das bis zu 27m hohe Gerüst frei schwebend und sogar (unbeabsichtigt) Tornado-erprobt über dem Glockenturm aufzubauen. Ebenfalls im Verborgenen und bestenfalls nur zu erahnen ist der Aufwand, der zur Restauration der Holzkonstruktion erforderlich war. Die gesamte Holzschalung sowie Teile der tragenden Konstruktion wurden von den Metallspezialisten instand gesetzt.
Glückliche Kunden machen glückliche Handwerker
Günther Huber ist zufrieden. Wieder einmal hat er es geschafft, mit deutschem Fachwissen amerikanische Baukultur zu erhalten und – darauf ist Huber besonders stolz – den Qualitätsstandard deutlich anzuheben. Zur Steigerung der Lebensdauer „seines“ Kirchendaches sagt er: Aus Erfahrung wissen wir, dass Rautendächer weit über 150 Jahre alt werden können.“ Genau diese Lebensdauer war für die Bauherrschaft einer der wichtigsten Faktoren, sich für ein Kupferdach zu entscheiden. Obwohl das gesamte Dach mit 1,8 Mio. US-Dollar zu Buche schlägt, stellt es gegenüber verzinktem Stahl eine Einsparung dar. Dazu Projektleiter und Kirchenvertreter Ernest „Skipper“ Colin: „Angesichts der Inflation sowie des faktisch nicht vorhandenen Instandhaltungsaufwandes werden sich die Sanierungskosten in Grenzen halten.“ Heute, vier Jahre nach Restaurationsbeginn, freut sich der pensionierte Ingenieur Colin besonders über das Ergebnis: „Unser Ziel bestand stets darin, historisch korrekt zu sein. Die Bürger von Huntsville sind sehr zufrieden mit der Restaurierung – die Entscheidungen für das neue Kupferdach und für den Handwerker Günther Huber waren goldrichtig.“
INFO
Ornamente aus den USA ... Günther Huber sorgt seit über 20 Jahren für die Verbreitung deutscher Metalldach- und Dachentwässerungsstandards in den USA. Unter Einhaltung europäischer Qualitätsrichtlinien fertigen seine Unternehmen Copperworks corp. und Ornametals Euro-Gutter eigene Dachdeckungs- und Dachentwässerungsprodukte an und beraten entsprechend. Ornametals stellt auch Dachverzierungen und Ornamente her (rechts unten).
... und aus Germany Bei den Ornamenten-Spezialisten von Kaufmann in Ulm entstanden riesige verzierte Einfassungen für die Turmfenster sowie das vergoldete Turmkreuz. Kaufmann ist weltweit für die Herstellung von hochwertigen Bauornamenten und ornamentalem Bauschmuck jeder Stilepoche bekannt.
BAUTAFEL
Projekt: Episcopal Church of the Nativity, Huntsville, Alabama, USA
Dachsanierung: Stehfalz-Tafeldeckung und Rautensystem Kupfer 0,6/0,7 mm
Dachfläche: 6500 m2
Turmsanierung: Kupfer-Spitzrauten
Ornamente: Ornametals Mfg, LLC, Alabama, USA und Kaufmann, Ulm